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Landtagswahl 2019

"Meine Wurzeln sind mir einfach zu wichtig!"

Montag, 21. Oktober 2019, 07:30 Uhr
Carolin Gerbothe möchte es “wissen”. 27 Jahre ist die Frau jung und schon will sie in den Landtag, will dort Politik machen, will gestalten und: sie will auch verändern. Warum Sie diesen Weg geht oder was das für Veränderungen sein sollen - darüber haben wir uns unter anderem mit ihr unterhalten…

Carolin Gerbothe will in den Landtag (Foto: nnz) Carolin Gerbothe will in den Landtag (Foto: nnz)
nnz: Frau Gerbothe, vor fünf Jahren, als Sie in die Junge Union eintraten, da erreichte die CDU bei der Landtagswahl fast 34 Prozent der Stimmen. Glaubt man jetzt den Demoskopen, dann könnte sie nach Linke und AfD nur noch den dritten Platz einnehmen, mit zehn Prozentpunkten weniger. Ist die CDU überhaupt noch das, was sie immer sein wollte, eine Volkspartei?

C. Gerbothe: Ja, klar, wir sind eine Volkspartei, weil wir mit unserer Politik, die wir auch in den nächsten Jahren den Wählerinnen und Wählern anbieten, die gesamte gesellschaftliche Breite erreichen. Wir gaben und geben Antworten auf Fragen, die nicht nur die Gesellschaft allgemein, sondern die junge Menschen ebenso tangieren wie Rentner, Unternehmer oder Arbeitnehmer, Männer oder Frauen. Für mich ist es wichtig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, nicht nur im Wahlkampf, ich will mit ihnen diskutieren. Auch kontrovers, aber sachlich und mit dem nötigen Respekt. Wissen Sie, niemand ist perfekt. Ich nicht, auch meine Partei nicht. Sie hat in den zurückliegenden Jahren neben vielen Erfolgen natürlich auch Fehler gemacht. Was ich im Nachhinein vermisse ist jedoch, diese Fehler auch zu benennen und die Menschen beim notwendigen Umsteuern mitzunehmen. Das muss sich unbedingt ändern.

nnz: Wo würden Sie sich innerhalb der CDU einordnen?

C. Gerbothe: Ich stehe für christlich-humanistische Werte und bringe sie ein, sei es im Beruf oder in der Poltik. Ich persönlich sehe mich in der Mitte der CDU verankert, frage mich aber zunehmend, warum “konservativ sein” in letzter Zeit einen so negativen Touch bekommen hat. Gleiches gilt für den Begriff der Heimat, der kann doch nicht negativ besetzt sein, jedenfalls nicht für mich. Heimat ist doch da, wo wir herkommen, Heimat ist das, was ich durch politische Arbeit gestalten, also verändern will. Ich werde den Begriff der Heimat nie infrage stellen. Dafür sind mir meine Wurzeln einfach zu wichtig.

nnz: Seit vier Jahren sind Sie Mitglied der CDU, das ist für eine politische Karriere eine sehr kurze Zeit. Und doch soll es gleich in den Landtag gehen. Ist das nicht eine Nummer zu groß?

C. Gerbothe: Ich bin jetzt 27 und ich denke schon, dass meine Generation bei der Ausgestaltung von Politik und Zukunft dazu gehört. Schon nach den Kommunalwahlen in diesem Frühjahr wurden die Gemeinde- und Ortsteilräte bunt gemischt, viele junge Menschen haben sich auf den Weg in die Politik gemacht. Ich denke, dass meine Generation ihr etwas anderes Denken gut in die Politik einbringen kann, weil es dort auch dringend gebraucht wird. Das merkt man schon am Wahlkampf, bei dem ich eingetretene Pfade - auch innerhalb meiner Partei - verlassen habe. Und dieses Andere soll nach dem 27. Oktober auch nicht aufhören. Wir müssen auch in meiner Partei endlich dazu übergehen, politische Arbeit als Dienstleistung für die Gesellschaft zu sehen. Wir bekommen vom Wähler einen Auftrag, den wir umzusetzen haben, über den wir berichten, diskutieren und den wir - wenn notwendig - auch korrigieren müssen. Ich bin CDU-Mitglied aus Überzeugung, bin aber auch stets kritisch meiner Partei gegenüber.

Will in den Landtag: Carolin Gerbothe (CDU)
nnz: Stellen Sie sich vor: Sie hätten fünf Bausteine mit Politikfeldern: Wirtschaft - Soziales/Bildung - Tourismus - Kultur - Sport. In welcher Rang- und Reihenfolge würden Sie die Themen platzieren?

C. Gerbothe: Angeführt würde bei mir diese Liste von “Bildung und Soziales” werden, danach folgen Wirtschaft, Sport, Kultur und Tourismus.

nnz: Wenn Sie Ihr Wahlprogramm Revue passieren lassen und jetzt vielleicht schon nach vorn blicken - welcher Punkt hätte da die besten Chancen auf Umsetzung?

C. Gerbothe: Wir müssen alles dafür tun, dass der ländliche Raum nicht weiter abgehängt wird. Das fängt beim Breitbandausbau an und hört beim ÖPNV auf. Und mittendrin, weil enorm wichtig, sind die Bildungs- und Betreuungsangebote. Möglichst den Kindergarten und die Schule auf dem Dorf erhalten. Für die Jüngsten muss sich die Qualität der Betreuung nicht nur stabilisieren, sondern weiter verbessern und - wenn wir mal ehrlich sind - das geht nicht zum Null-Tarif. Weiterhin ist es mir wichtig, dass die Kinder am Ende ihrer Grundschulzeit rechnen, schreiben und lesen können. Nicht immer ist dann der Weg auf das Gymnasium auch das, was dem jeweiligen Kind gerecht wird. Wir müssen die Ausbildung stärken und das Handwerk attraktiv machen. Das Azubiticket ist hier vielleicht ein Anfang, aber was nutzt es jungen Menschen vom Dorf, wenn tatsächlich kaum ein Bus fährt. Wäre meine kleine Schwester in ihrer Ausbildungszeit nur auf den Bus angewiesen, würden manche Arbeits- und Schultage fast doppelt so lang andauern. Da muss man einfach mal auf den Fahrplan schauen um zu erkennen, dass der ländliche Raum enormen Nachholebedarf hat.

nnz: Wir bleiben auf dem Dorf. Seit Jahren wird über den Breitbandausbau fabuliert, getan hat sich wenig. Wie können Sie das verändern?

C. Gerbothe: In dem ich mich - so ich denn gewählt bin - für eine Entbürokratisierung einsetzen will. Es kann nicht sein, dass einerseits Geld für den Ausbau vorhanden ist, andererseits aber Heerscharen von Menschen mit den Antrags- und Ausschreibungsformalitäten beschäftigt sind. Da gehen mitunter Jahre ins Land und die Technologie, die dann einst ausgeschrieben wurde, ist mittlerweile schon wieder längst überholt. Es ist simpel, junge Menschen wird es nicht auf dem oder im Dorf halten, wenn sie nicht an der Bushaltestelle die neuesten Videos austauschen können. Das klingt banal, aber das ist die Realität. Die sind dann einfach mal weg.

Kann auch mit schweren Maschinen umgehen (Foto: privat) Kann auch mit schweren Maschinen umgehen (Foto: privat) Wenn es die Zeit zulässt, dann hilft die 27jährige im elterlichen Betrieb mit
nnz: Thema Gips!

C. Gerbothe: Bergbau gehörte schon immer zum Landkreis Nordhausen. Der Rohstoffabbau war und ist ein wichtiger Arbeitgeber und ich kann mir zum Beispiel in den kommenden Jahrzehnten die Bauindustrie ohne Gipsprodukte nicht vorstellen. Worauf wir bei allen Diskussionen und künftigen Raumordnungsplänen achten sollten, das ist die Verhältnismäßigkeit der Abbaugröße und dass wir größeres Augenmerk auf die Renaturierung legen. Der Gipsabbau muss im Landkreis Nordhausen eine Zukunft haben, er sichert der Region Arbeitsplätze, und bringt damit Steuern. Bezugnehmend auf die Steuern, würde ich mir wünschen, dass auch die Regionen, welche vom Abbau betroffen sind, in Zukunft mehr Berücksichtigung finden. Mitunter erwecken die emotional geführten Diskussionen den Eindruck, dass der halbe Landkreis weggebaggert werden soll. Das aber ist bei Weitem nicht so, vielmehr vertraue ich auch bei zukünftigen Genehmigungsverfahren der Arbeit der Behörden und letztlich - wenn es nicht anders geht - auch der Urteilsfindung von Gerichten. Aber soweit muss es nicht kommen, ich plädiere für eine sachliche, möglichst ideologiefreie Diskussion in der Region, denn die und ihre Menschen müssen mit den Ergebnissen und Kompromissen zurecht kommen - so oder so.

nnz: Auch an Sie die Frage: Wenn Sie Aladins Wunderlampe für kurze Zeit besitzen würden und hätten einen einzigen politischen Wunsch frei, den Ihnen der Dschinn erfüllen könnte, welcher wäre das?

Carolin Gerbothe: Ich möchte die Frage nicht auf den „politischen“ Wunsch runterbrechen. Für die Welt wünsche ich mir Frieden. In Bezug auf Thüringen und vor allem den Landkreis Nordhausen wünsche ich mir, dass wir in Zukunft über einen demografischen Wandel sprechen, der geprägt ist von einem Geburtenanstieg sowie von Zuzug statt Abwanderung. Und dass sich die Rahmenbedingung vor Ort, sei es im sozialen Bereich oder in der Infrastruktur, dran anpassen.

Das Gespräch führte Peter-Stefan Greiner
Autor: red

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