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SPD-Landtagskandidatin Dagmar Becker im Interview

Wir brauchen eine Neuausrichtung

Mittwoch, 16. Oktober 2019, 15:00 Uhr
In unserer Reihe mit Landtagskandidaten stellen wir Ihnen heute die SPD-Abgeordnete Dagmar Becker vor. Sie strebt zum fünften male den Einzug in einen Thüringer Landtag an. Olaf Schulze unterhielt sich mit ihr zu den brennenden Fragen im Wahlkampf...


Lange Jahre war Dagmar Becker SPD-Kreisvorsitzende und ist heute Fraktionsvorsitzende im Kreistag, dem sie seit 1999 angehört. Ab 1994 sitzt sie (mit einer Unterbrechung) im Thüringer Landtag. Seit November 2012 ist sie Beisitzerin im Bundesvorstand des BUND und im Vorstand des Thüringer Landesverbands. Außerdem ist sie Ortsteilbürgermeisterin ihres Heimatortes Wülfingerode. Im Landtag ist sie Sprecherin ihrer Fraktion für die Themen Landwirtschaft und Forsten sowie Umwelt und Naturschutz. Sie ist Mitglied der Ausschüsse für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten sowie für Umwelt, Energie und Naturschutz.

Dagmar Becker (Foto: SPD) Dagmar Becker (Foto: SPD)

nnz: Frau Becker, Sie können auf eine lange Karriere im Kreis- und Landesparlament zurückschauen und haben schon viel erlebt. Welche Zeitspanne nach der Wende 1989 würden Sie als die dramatischste beschreiben?

Dagmar Becker:
Ganz klar die ersten Jahre nach dem Herbst ’89 bis 1991/92. In dieser Zeit konnten wir direkt etwas verändern und bestimmen. Es war die entscheidende Zeit und für mich persönlich auch die großer Veränderungen in meinem Leben.

Seit vielen Jahren engagieren Sie sich intensiv für den Naturschutz und sind Mitglied im Bundesvorstand des BUND. Wie nehmen Sie die derzeitige Klimadiskussion wahr und welche Maßnahmen sind im Südharz zu ergreifen?

Dagmar Becker:
Wir müssen da mit Augenmaß herangehen und dürfen nicht so tun, als wollten wir nur immer bestimmen. Einige uns lieb gewordene Standards des täglichen Lebens werden zukünftig so nicht zu halten sein. Jeder sollte sich selbst hinterfragen. Beispielsweise Plaste lässt sich leicht vermeiden. Es ist einfach, mal darüber nachdenken, was man persönlich tun kann. Im Landkreis sind wir da auch schon aktiv, ich denke da beispielsweise an die E-Busse.

Besonders der Wald ist schwer gezeichnet von Dürre und Borkenkäfern und präsentiert sich in einem schlechten Zustand. Wie kann da Abhilfe geschaffen werden?

Dagmar Becker:
Kurzfristige Maßnahmen helfen dem Wald nicht, die Forstanstalt muss weiter gestärkt werden. Es muss mehr Geld zur Verfügung gestellt werden um zu eruieren, wo konkret was getan werden muss. Da ist etwa die Buche eine große Gefahr weil sie von der Krone her abstirbt und Totholz auch Wanderer gefährden kann. Bis 2017 haben wir Personal in den Forsten abgebaut. Das war falsch und nun sind neue Forstarbeiter nötig. Im Sommer hat die Landesregierung dafür schon 4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt und wir brauchen noch mehr Geld.

Ist eine größere wirtschaftliche Entwicklung im Landkreis Nordhausen überhaupt möglich und welche Rolle sollte der Tourismus dabei spielen?

Dagmar Becker:
Ich setze ganz bewusst auf den Tourismus auch als Wirtschaftsfaktor. Das geht allerdings nicht von heute auf morgen. Im Landkreis machen wir mit unserer Zusammenarbeit mit dem Kyffhäuserkreis schon sehr viel richtig. Und ich vertrete klar den Standpunkt, dass ein Biosphärenreservat den Tourismus beflügeln wird, weil es dabei auch immer um die Menschen und die wirtschaftlichen Möglichkeiten geht.

Ihre Partei befindet sich momentan auf Bundesebene in einer Findungsphase. Welchen Ratschlag können Sie den Genossen in Berlin von hier aus mit auf den Weg geben?

Dagmar Becker:
Die Fehler liegen in der Vergangenheit, die Partei hat nicht mehr gefühlt, was den Menschen wichtig war und hat die Arbeiter als Wähler verloren. Wir brauchen da eine komplette Neuausrichtung der Politik. Entscheidend ist auch die Frage, ob es sinnvoll ist, im Bund weiter in der großen Koalition zu bleiben. Aber diese Frage kann ich nicht beantworten.

Viel Aufregung gab es zuletzt im Kreistag um die zentrale Unterbringung einiger Asylsuchender. Wie ist Ihre Position in dieser Frage?

Dagmar Becker:
Wir brauchen die zentrale Unterbringung am Anfang zur Erfassung. Dann müssen die Menschen aber schnell in eigene Wohnungen kommen, damit sie eine Chance haben, sich in der neuen Heimat zum integrieren. Kriminell auffällig werdende Asylbewerber gehören abgeschoben, das ist keine Frage. Ich fand den Antrag nur unglücklich formuliert und das zu einer für die Sache unglücklichen Zeit. Einen so allgemein formulierten Antrag werde ich nicht mittragen. Familien müssen weiterhin dezentral untergebracht werden können.

Die SPD hat in den letzten Wahlen im Landkreis Verluste hinnehmen müssen. Was macht Sie optimistisch für die Zukunft und wie soll sie gestaltet werden?

Dagmar Becker:
Das ist eine schwierige Frage, zumal die Parteizugehörigkeit in der regionalen Arbeit gar nicht so eine entscheidende Rolle spielt. Es liegt auch immer an den handelnden Personen und wie wichtige Themen wahrgenommen werden. Aber wenn wir es schaffen, bei den Fragen wie Ausgestaltung des ÖPNV oder Größe der einzusetzenden Busse oder flexiblere Taktungen die Bürger wieder mitzunehmen, dann wird auch die Akzeptanz der SPD wieder größer. Wichtig ist es vorrangig, im Kreistag mit den anderen Volksvertretern gemeinsame Politik für die Region und ihre Bürger zu betreiben.

Sie sind Mitglied des derzeitigen Landtages und wollen das gerne bleiben. Glauben Sie, dass die Koalition nach dem Urnengang Ende Oktober ihre Arbeit fortsetzen kann?

Dagmar Becker:
Ich hoffe, dass Rot-Rot-Grün an der Macht bleibt und einen deutlicheren Vorsprung als nur eine Stimme bekommt, so wie es derzeit der Fall ist. Das war schon anstrengend in dieser Legislaturperiode. Da kommt es natürlich auch auf die SPD und ihre Wähler an. Wir müssen unseren Beitrag leisten und mindestens die 10% erreichen. Dann ist die Fortsetzung der Koalition auch machbar.

Welche anderen Konstellationen sind für Sie vorstellbar?

Dagmar Becker:
Alles andere wird sehr schwierig. Deshalb kämpfen wir darum, dass die Regierungszusammensetzung so bleibt wie bisher. Über etwas anderes möchte ich hier auch gar nicht spekulieren.
Das Gespräch führte Olaf Schulze
Autor: red

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