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BUND-Kreisverband Nordhausen

Steile Hügel und vermeidbare Artenverluste

Montag, 14. Oktober 2019, 09:54 Uhr
Fast ist das offizielle Mahdprogramm des BUND-Kreisverbandes Nordhausen für dieses Jahr beendet. Noch zwei größere Einsätze, dann sind zumindest die vertraglich vereinbarten Flächen bis auf Reste gemäht. In der Rüdigsdorfer Schweiz fanden sich drei Mitstreiter kurzfristig zu einem außerplanmäßigen Artenschutzeinsatz zusammen und mähten besonders steile Hügel.

Federgras (Foto: Bodo Schwarzberg) Federgras (Foto: Bodo Schwarzberg)
Echtes Federgras mit reifen Früchten: Ohne die ehrenamtlichen Pflegeeinsätze des BUND-Kreisverbandes Nordhausen wären die pflanzengeografisch bedeutsamen Vorkommen von Stipa pennata in der Rüdigsdorfer Schweiz wahrscheinlich längst verschwunden.

Diese gehören zu den wenigen ausschließlich gemähten und nicht beweideten Reliktflächen im Naturschutzgebiet. Sie sind ein Refugium vor allem für beweidungsempfindliche, konkurrenzschwache Pflanzenarten, die ansonsten kaum eine Überlebenschance hätten. Von denen sind insbesondere die überwiegend stark gefährdeten Erdflechten zu erwähnen.

Ein Grund für die Übernahme der Flächenpflege durch den BUND-Kreisverband waren die beiden Vorkommen des Gewöhnlichen Federgrases (Stipa pennata), da diese auf ihrem Breitengrad die westlichsten Bestände Deutschlands und recht wahrscheinlich Europas sind (siehe www.deutschlandflora.de). Als pflanzengeografisch bedeutsam schützen wir sie vor Verbuschung und ungeeigneter Bewirtschaftung.

Durch die einschürige Mahd gelang es den Mitgliedern und Freunden des BUND-Kreisverbandes bisher aber auch, die Bestände der auf Weideland fast verschwundenen, in Thüringen stark gefährdeten Arten Asperula tinctoria (Färber-Meier) und Einfache Wiesenraute (Thalictrum simplex ssp. tenuifolium) auf niedrigem Niveau zu stabilisieren. Beide sind laut der aktuellen Roten Liste von Deutschland auch bundesweit selten, bzw. sehr selten.

Die von uns seit Jahren über Verträge mit dem Landesverwaltungsamt über den Landschaftspflegeverband Südharz-Kyffhäuser e.V. gemähten Flächen haben ähnlich wie die meisten anderen unserer Vertragsflächen eine große Bedeutung für die Umsetzung des so genannten Verschlechterungsverbotes der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU und zur Umsetzung der Ziele der Nationalen Biodiversitätsstrategie, ja, für die Erhaltung des Arteninventars im Hotspot 18 der Artenvielfalt.

blauweiderich (Foto: Bodo Schwarzberg) blauweiderich (Foto: Bodo Schwarzberg)

Es gab Alternativen: Der in Thüringen stark gefährdete Ährige Blauweiderich (Veronica spicata) ist in der Rüdigsdorfer Schweiz wahrscheinlich für immer verschwunden.

Andererseits wurden beim gestrigen Einsatz auch die Auswirkungen der vielen zurückliegenden Dürremonate deutlich: Noch immer sind einige Teile der einst mit Gräsern der Halbtrockenrasengesellschaften relativ dicht bewachsenen, besonders erhaltenswerten mageren Gipshügel fast vegetationslos. Exemplare einiger Arten, die selbst trocken-heiße Teilflächen seit Jahrhunderten prägten, sind vertrocknet und scheinen trotz der jüngsten Regenfälle nur ganz geringfügig ins Leben zurückzukehren.

Wenigstens werden die entstandenen Lücken allmählich von noch trockenheitstoleranteren Kräutern, wie Rispiger Flockenblume (Centaurea stoebe), Skabiosen-Flockenblume (Centaurea scabiosa) oder auch dem sonst seltenen Ebensträußigen Gipskraut (Gypsophila fastigiata) eingenommen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die urspünglichen, besonders deckungsstarken Gräser doch noch einmal etablieren können.

Was angesichts des uns alle bedrohenden Klimawandels als lokales Detail einer global dramatischen Entwicklung zu betrachten ist, ist zugleich wissenschaftlich hoch interessant. Denn nicht nur in unseren Wäldern steht die Frage, welche Arten auf welchen Standorten wenigstens zeitweise noch lebensfähig sind.

Versuche ehrenamtlicher Artenrettung im Naturschutzgebiet
Zu Dritt waren wir auf drei Teilflächen im Naturschutzgebiet Rüdigsdorfer Schweiz im Einsatz, wobei auf einer Fläche die Förderung des in Thüringen ebenfalls stark gefährdeten Steppen-Sesels (Seseli annuum) im Mittelpunkt unserer Bemühungen steht. Von einst bis zu 150 blühenden Exemplaren der Jahre um 2005 sind nach Einbeziehung der betreffenden Fläche in die Rinderbeweidung heute noch durchschnittlich zehn bis 20 übrig geblieben, die alljährlich zur Blüte kommen. Durch die Mahd soll die frühere Lückigkeit und Magerkeit des Standorts möglichst wieder erreicht werden. Einst sollte sie, als Ergebnis einer Begehung mit der Unteren Naturschutzbehörde und dem Pächter, zur Rettung der Art für das NSG ausgekoppelt werden. Ob es gelingt, den Steppen-Sesel für das Naturschutzgebiet trotz der gegenwärtigen Verhältnisse zu erhalten, muss abgewartet werden. Eventuell führt das Nacheinander von Rinderweide und ehrenamtlicher Mahd zu positiven Ergebnissen, zumal die Rinder die seltene Art nicht zu fressen scheinen. Das werden die kommenden Vegetationsperioden zeigen.

Eine weitere in Thüringen stark gefährdete Art, jedenfalls hat möglicherweise nicht überlebt: Der letzte NSG-Bestand des Ährigen Blauweiderichs (Veronica spicata), übrigens auf derselben Fläche, wie eben beschrieben, ist vermutlich der Wühl- und Suhltätigkeit von Rindern zum Opfer gefallen. Darauf weisen auch Spuren an umstehenden Bäumen hin. Dies wurde einer Mitarbeiterin des Landschaftspflegeverbandes Südharz-Kyffhäuser e.V. anlässlich einer Exkursion vor wenigen Wochen gezeigt.

Dabei heißt es in der Schutzgebietsverordnung zum NSG von 1996:
Zweck der Festsetzung als Naturschutzgebiet ist es...

6. Kalkhalbtrockenrasen, Kalktrockenrasen und Kalkfelsfluren mit in Thüringen gefährdeten
Pflanzengesellschaften wie Roßschweif-Federgras-Halbtrockenrasen, Blaugrasrasen und Enzian-Schillergrasrasen zu schützen und zu pflegen,
7. die hohe Anzahl der im Gebiet lebenden Tier- und Pflanzenarten, darunter viele seltene, gefährdete oder
vom Aussterben bedrohte sowie geschützte Arten in ihren Biotopen und Lebensgemeinschaften zu schützen,

Damit könnte der Hotspot 18 der Artenvielfalt zumindest außerhalb des Kyffhäusergebietes erneut um eine Art ärmer geworden sein, da der Ährige Blauweiderich außerhalb des Kyffhäusergebietes nur noch in der Rüdigsdorfer Schweiz über zwei uns bekannte Wuchsorte verfügte (siehe u.a. KORSCH et al.(2002): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Thüringens). Der zweite Wuchsort der Rüdigsdorfer Schweiz fiel vor ca. fünf Jahren vermutlich einer zu diskontinuierlichen Nutzung bzw. Nutzungsaufgabe zum Opfer.
Bei der Mahd vom gestrigen Donnerstag war Kondition gefragt. Zumindest eine der drei gemähten Flächen weist Steilhangbereiche von geschätzt bis zu 45 Grad auf. Mit dem schweren Freischneider an der Hüfte ist da ein guter Gleichgewichtssinn gefragt. Diesen Freischneider sowie mehrere andere Geräte haben wir der Thüringer Naturstiftung David zu verdanken.Ohne deren wohlwollende Unterstützung hätten wir uns das für den aktiven Artenschutz unverzichtbare Gerät nicht leisten können.

Die nächsten Einsätze des BUND-Kreisverbandes Nordhausen sind für den 19.10. und 02.11. vorgesehen.
Bodo Schwarzberg
Autor: red

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