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Hitlergruß vorm Supermarkt

Mittwoch, 09. Oktober 2019, 13:20 Uhr
Ein klares Bekenntnis zum Nationalsozialismus, offen ausgesprochen am hellerlichten Tag in aller Öffentlichkeit - was vor ein paar Jahren kaum denkbar schien hat eine nnz-Leserin jetzt direkt erlebt, hat dagegen gesprochen und Konsequenzen zu tragen gehabt. "Wehret den Anfängen" - ist es dafür schon zu spät?

Nach der Arbeit fuhr ich vor ein paar Wochen mit meinem Rad noch einmal nach Ost in einen Lebensmittelmarkt, um etwas einzukaufen. Als ich an den Fahrradständer heranfuhr, um mein Fahrrad abzustellen, stand ein Mann Anfang 30 mit seinem Einkaufswagen hinter der Abstellmöglichkeit. Er telefonierte. Zunächst im ruhigeren Ton, später lauter werdend, fordernd und zum Teil beleidigend gegenüber einem Dritten. Er lief etwas auf und ab und schien mit einem Freund oder Bekannten zu telefonieren. „Den rücke ich mir auch noch zurecht“ oder „Das wird er schon noch merken“ sagte er eindringlich ins Telefon.

Ich schloss währenddessen mein Fahrrad an und betrachtete den Mann im Augenwinkel. Er kam auf mich zu, stellte sich an seinen Einkaufswagen und verabschiedete sich laut mit den Worten „Heil Hitler“ von seinem Gesprächspartner. Völlig erstarrt stand ich an meinem Fahrrad – hin und her gerissen, ob ich etwas sagen sollte oder nicht. Zunächst haderte ich – konnte es jedoch nicht fassen, wie hemmungslos und völlig normal dieser Mann diesen Gruß mitten in der Öffentlichkeit vor einem Supermarkt aussprach. Also schaute ich ihn an, während er langsam seine Sachen in den Rucksack packte und sagte: „Dieser Spruch ist verboten.“ Er drehte sich zu mir um und redete etwas mürrisch vor sich hin. Dann sah er mich an und sagte: „Und, wen interessiert das?“ Ich darauf: „Na mich.“ Er schaute mich nun etwas verwirrt und entgeistert an.

Ich drehte mich um und ging mit nervösem Herzschlag in den Supermarkt hinein. Meine Gedanken kreisten – ob er wohl auf mich warten würde draußen, bis ich wieder rauskam? Ich wurde mutiger und dachte: die Öffentlichkeit schützt mich, ich bin nicht allein auf diesem Parkplatz. Also erledigte ich meinen kleinen Einkauf. Als ich wieder zu meinem Fahrrad zurückkam, war der Mann weg. Ich atmete auf, schaute mich aber dennoch etwas unsicher um. Ich schloss mein Fahrrad ab und bemerkte: es hatte einen Platten. Das Ventil war sichtbar aufgedreht. Na toll dachte ich, und das zu einer Zeit, als die Straßenbahn gerade nicht überall in der Stadt fuhr. Ich musste also fast den ganzen Weg durch die Stadt mein Fahrrad schieben. Zu Hause bemerkte ich dann, dass mein Ventil kaputt war – es wurde mit einem spitzen Gegenstand durchstochen. Der Mann schien das also nicht zum ersten Mal gemacht zu haben.

So sah er also aus, mein Preis der Zivilcourage. Ich bin ehrlich: ich finde es schlimm genug, wenn Menschen die Nazizeit verherrlichen. Aber noch schlimmer finde ich ist es, wenn sie das Gefühl haben sie könnten dies in der Öffentlichkeit tun, ohne dass es Gegenstimmen gibt. Solche Vorkommnisse zu verschweigen oder einfach so hinzunehmen, weil man denkt das würde solchen Gesinnten den Gar ausmachen ist meiner Ansicht nach falsch. Wenn es keine Gegenstimmen gibt, dann empfinden diese Menschen ihre Gedanken als normal und tragen sie immer öfter in die Öffentlichkeit mit immer härteren Bandagen. Leider sind wir schon über den Punkt hinaus diesen Leserbrief mit „Wehret den Anfängen“ schließen zu können, denn die Anfänge sind schon längst gemacht.

Anm. d. Red.: Der Name der Autorin ist der Redaktion bekannt

Anmerkung der Redaktion:
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Autor: red

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