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Bundespreis für Landschaftspflegeverband?

Freitag, 27. September 2019, 07:54 Uhr
Ein Preis wird üblicherweise zum Beispiel für die positiven Ergebnisse von Projekten verliehen. Wofür hat der Landschaftspflegeverband Südharz-Kyffhäuser den Titel „Ausgezeichnetes Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt“ erhalten?, fragt Bodo Schwarzberg...

Im gestrigen nnz-Beitrag gab es dazu leider keine konkreten Angaben. „Mit der Auszeichnung soll das Engagement des Landschaftspflegeverbandes Südharz/Kyffhäuser für den langfristigen Schutz und Erhalt der Artenvielfalt im Gipskarst Südharz geehrt werden“, hieß es gestern in der nnz.

Vielleicht wäre es möglich, die ersten, mit dem Preis gewürdigten Ergebnisse des mit 4,5 Mio. Euro vom deutschen Steuerzahler mitfinanzierten Hotspotprojekts, der Öffentlichkeit nachträglich zu präsentieren?

Wahrscheinlich ist das Bundesamt für Naturschutz über diese preiswürdigen Ergebnisse besser informiert.

Das Hauptziel der „UN-Dekade Biologische Vielfalt“ besteht darin, die Biodiversität der Erde, angesichts des galoppierenden Rückganges der Artenvielfalt, bis zum Jahre 2020 zu sichern.

Um die Ziele der „UN-Dekade Biologische Vielfalt“ bezogen auf das Territorium z.B. des Landkreises Nordhausen tatsächlich zu erreichen, sind jedoch zahlreiche Bedingungen nach wie vor nicht gegeben:

Der Feld-Enzian (Gentianella campestris) (Foto: Bodo Schwarzberg) Der Feld-Enzian (Gentianella campestris) (Foto: Bodo Schwarzberg)

Der Feld-Enzian (Gentianella campestris) verfügt in Thüringen nur noch über zwei bekannte Wuchsorte. Einer davon liegt im Landkreis Nordhausen: Ohne ehrenamtliche Pflegearbeit, den Aufbau von Kontakten zu Bewirtschaftern und Botanischen Gärten sowie zahllose Aufsuchungen der jeweiligen Wuchsorte würde die Art in der neuen Roten Liste Thüringen sehr sicher unter "ausgestorben oder verschollen" geführt werden. Um die Vorkommen bemerkenswerter Arten und die Erhaltung der jeweiligen Genotypen bemühen sich die verantwortlichen Insitutionen nach wie vor zu wenig.

So bestehen nach wie vor als naturschutzfachlich eindeutig nachteilig identifizierte Pflegedefizite in unseren Naturschutzgebieten: Erwiesen ist zum Beispiel, dass das in unseren Naturschutzgebieten nach wie vor praktizierte Mulchen von Trocken- und Halbtrockenrasen zu einem weiteren Rückgang naturschutzrelevanter Arten führt. Auf Landesebene sollte das Mulchen schnellstmöglich verboten und Landwirte für die Mahd naturschutzfachlich besonders wichtiger Flächen finanziell gefördert werden.

Dasselbe gilt für die Beweidung mit Rindern: Längst bekannt und von Experten unterstrichen, ist der dramatische Rückgang der zum Teil hochgradig gefährdeten Erdflechtenarten im Gebiet durch Rinderweide, aber auch deren nachteilige Wirkung auf viele höhere Pflanzenarten. Hierzu gibt es eindeutige Publikationen.

Bemängelt werden muss außerdem eine Diskontinuität bei der Bewirtschaftung wichtiger naturschutzrelevanter Flächen. Mehrere wurden in den vergangenen Jahren aufwändig entbuscht, ohne jedoch eine geeignete Folgepflege zu erreichen. Das betrifft zum Beispiel den Hasenwinkel bei Woffleben und ausgedehnte Halbtrockenrasen im Raum Niedersachwerfen. Auf diese Weise jedoch können gerade besonders vom Rückgang betroffene konkurrenzschwache, auf offene Bodenverhältnisse angewiesene Pflanzen- und damit auch viele Tierarten, kaum erhalten werden.

Für die Diskontinuität der Bewirtschaftung naturschutzfachlich wertvoller Flächen dürfte der Landschaftspflegeverband jedoch kaum allein die Verantwortung tragen: Wenn seitens des Landes und des Bundes zu wenig Mittel bereit gestellt werden, um beispielsweise einem hütenden Schäfer und seiner Herde das Überleben zu ermöglichen, sind viele landschaftspflegerische Projekte von vornherein zum Scheitern verurteilt. Hier müsste auch in Thüringen unter seiner grünen Umweltministerin noch viel mehr getan werden.

Zu kurz kommt auch die angemessene Förderung wuchsort- und artbezogener Landschaftspflege: Viele Arte sind durch jahrzehntelanges Unterlassen mittlerweile so selten geworden, dass sie nur noch durch eine auf ihren jeweiligen Wuchsort bezogene Biotopflege vielleicht erhalten werden können. Fehlende Entscheidungen oder weitere Fehlentscheidungen bezüglich Landbewirtschaftung führen schnell zu deren Verlust.

Der BUND-Kreisverband Nordhausen widmet sich genau diesen Beständen, mit mittlerweile 84 Einsätzen und mehr als 400 Einzelmaßnahmen. Auf mittlerweile rund 40 Flächen im Gebiet sind wir an den Brennpunkten der botanischen Vielfalt des Hotspots 18 mit Erfolg im Einsatz. Ehrenamtlich.

Ein von 2013 bis 2015 laufendes Projekt, genannt „Referenzprojekt Artenschutz“, gemeinsam mit dem LPV Südharz-Kyffhäuser e.V., mit dem Ergebnis positiver Entwicklungstendenzen bei einer ganzen Reihe bedrohter Arten und übrigens ganz im Sinne der UN-Dekade Biologische Vielfalt, wurde jedoch nicht verlängert. Das Land Thüringen und dessen Institutionen haben hier eine Chance vertan.

Desweiteren kommen die Auswirkungen des Klimawandels in den derzeitigen Diskussionen viel zu kurz. Dabei konnten allein durch die beiden Dürresommer 2018 und 2019 erschreckende Tendenzen bei den Beständen bemerkenswerter Pflanzenarten im Gebiet beobachtet werden.

Wir benötigen daher viel schnellere Entscheidungswege, etwa für die Kultur bedrohter Pflanzenarten in Erhaltungsgärten, übrigens in Übereinstimmung mit der Nationalen Biodiversitätsstrategie, wobei gerade die dezentrale Anlage von Erhaltungskulturen für bedrohte Arten, auch außerhalb der Botanischen Gärten ganz aktuell durch verschiedene Projekte angeschoben wird.

Unter dem Strich bleibt die Aufforderung an den Landschaftspflegeverband, den verliehenen Preis mit Leben zu erfüllen und alle lokalen Akteure und nicht nur die Landwirte einzubeziehen. Die Politik aber muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass gewährte Mittel sinnvoll für den Naturschutz eingesetzt, deren Einsatz kontrolliert und dass sie dort aufgestockt werden, wo sie tatsächlich im Sinne der UN-Dekade Biologische Vielfalt wirken können.

Es muss anhand von Bestandsentwicklungen bedrohter Arten messbar sein, in wie weit teure Naturschutzprojekte erfolgreich sind. Alles anderes ist Augenwischerei.
Bodo Schwarzberg
Anmerkung der Redaktion:
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Autor: red

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