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Schon wieder Gips!

Ramelow plädiert für Forschungszentrum in Nordhausen

Mittwoch, 18. September 2019, 13:38 Uhr
Nach der Diskussions-Veranstaltung zum Thema Gips am Montag dieser Woche im Nordhäuser Bürgerhaus, hatte Ministerpräsident Bodo Ramelow heute in die Hochschule der Rolandstadt zum ersten Thüringer Gips-Dialog eingeladen…

Bodo Ramelow plädiert für Forschungszentrum in Nordhausen (Foto: nnz) Bodo Ramelow plädiert für Forschungszentrum in Nordhausen (Foto: nnz)
Der eröffnete mit einem Statement zu seinen Motiven der Einladung das Forum. Man müsse miteinander- und nicht gegeneinander dieses emotionsbeladene Thema bereden, müsse den Dialog suchen und führen.

Statement Bodo Ramelow
Der Zusammenhang zwischen dem Abschalten der Kohlekraftwerke und dem „Hunger“ der Bauindustrie nach Gipsprodukten war es, der Bodo Ramelow bewegte, genau diesen Dialog zu führen und möglichst - als Ziel - gemeinsame Antworten zu finden.

Wenn sechs Millionen Tonnen REA-Gips einfach nicht mehr da sind, dann müssen sie – Stand der Wissenschaft und Technik heute – zu 90 Prozent durch Naturgips ersetzt werden. Der bescheidene Rest ist Gips aus Recycling, sogenannter RC-Gips. Simple Mathematik.

Und hier käme die Hochschule Nordhausen, gemeinsam mit der Uni in Weimar, ins „Geschäft“. Der Forschung und Wissenschaft komme es anheim, Lösungen zu suchen, zu finden und sie praktikabel zu machen. Und weil der Südharz die Haupt-Last eines erhöhten Naturgipsabbaus praktisch und emotional tragen werde, müsse in Nordhausen ein Forschungs- und Kompetenzzentrum angesiedelt werden. Dafür werde er sich einsetzen, auch mit dem Blick in das Industriegebiet in der Goldenen Aue, wo die Ergebnisse der Forschungsarbeit im Idealfall praktisch umgesetzt werden können.

Ramelow (Foto: nnz) Ramelow (Foto: nnz)
Nach dem MP stellte Lars Kothe, der Sprecher der AG Harzer Gipsunternehmen, die Zukunft des Gipsabbaus aus Sicht der drei Abbau- und Verarbeitungsunternehmen dar. Kothe plädierte dafür, dass der Nordthüringer Unternehmerverband bei der Fortsetzung des Dialogs unbedingt mit ins „Boot“ zu nehmen sei. Leider hatte der seitens der Staatskanzlei keine Einladung erhalten, wie die nnz erfuhr.

Holger Ortleb, der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Gipsindustrie, wiederholte heute seinen Vortrag vom Montag im Bürgerhaus. Allerdings gab er ein Bekenntnis der Gipsindustrie ab: „Wir beteiligen uns auf jeden Fall an der Forschung und Entwicklung neuer Prozesse und Technologien.“ Matthias Andres, ein Arbeitnehmer-Vertreter der drei Unternehmen, die im Südharz Gips abbauen und verarbeiten, berichtete von vielen Familien, die bereits in der zweiten oder dritten Generation in Walkenried, Ellrich und Rottleberode arbeiten. Viele Mitarbeiter seien jedoch beunruhigt, dass immer mehr Flächen als Naturschutzgebiete ausgewiesen werden.

Danach stellte mit Dr. Friedhart Knolle ein Vertreter des niedersächsischen Heimatbundes sein Statement zur Diskussion. Der begann mit einer geologischen Einleitung, die jegliche Renaturierungsbestrebungen von vornherein ab absurdum führt, machte zwischendurch bei der weltweiten Einmaligkeit des Südharzer Karst Station und forderte danach ein länderübergreifendes Biosphärenreservat, denn: "es gibt diese angebliche Gipslücke nicht."

Ron Hoffmann, der Landesvorsitzende des Thüringer BUND, wies auf die Bedeutung der Südharz-Landschaft als Hotspot-Region hin. Es dürfe nicht mehr Landschaft verschwinden, die Region habe innerhalb der großen Konzerne lediglich die Bedeutung eines Kolonialgebietes, das Rohstoffe zu liefern habe, deren Wertschöpfung jedoch woanders stattfinde. Fazit: Der BUND fordert den Ausstieg aus dem Naturgipsabbau, statt dessen sollte über Alternativen nachgedacht werden.

Nach dem Pro und Kontra zum Naturgips stellten der Nordhäuser Oberbürgermeister und Vize-Landrat Stefan Nüßle die Bedeutung des Gipsabbaus für den Landkreis und die Stadt Nordhausen vor. Der OB sprach von
  • einer Zerstörung der Kulturlandschaft
  • einer unmittelbaren Belastung für 3.200 Einwohner (Lärm, Staub, Erschütterung)
  • dem Verlust von Naherholungsgebieten
  • zerstörten Verkehrswege
  • keine direkten Arbeitsplätze, keine Steuereinnahmen
  • viel Ärger, Kosten, Rechtsstreite...
Aber: „wir sind bereit zum Dialog!“ Der OB will über eine Kompensation reden und will die Förderabgabe für Naturgips erhöht haben, denn „scheinbar ist Abbau von Gips immer noch zu billig.“ Schließlich "drangsalieren" die großen Laster die Menschen an den Straßen. Fazit aus Sicht einiger Zuhörer: Die Stadt will Geld für weiteren Naturgipsabbau.

Vize-Landrat Nüßle kam moderater daher und plädierte erneut für eine Kompromisslösung, um eine Lösung herbeizuführen. Nüßle: „Wir haben Menschen, die in den Werken arbeiten und in Nordhausen wohnen, wir haben Dienstleister, die von den Aufträgen der Gipsunternehmen profitieren.“ Aber auch für Nüßle muss es einen Preis für den Kohleausstieg und den Auswirkungen des wegfallenden REA-Gipses geben. Denn von dem profitieren in erster Linie die Menschen in den Ballungszentren. So sei zumindest das Gefühl des überwiegenden Teils der Menschen im Südharz.

In der weiteren Folge kamen Hochschulpräsident Prof. Wagner und Vertreter zweier Thüringer Ministerien zur Sprache.

In Fortsetzung des NUV-Gesprächs vom Montag war dieser Dialog ein weiterer Baustein des Aufeinanderzugehens zwischen Industrie, Politik und der Südharz-Region. Dieser Dialog sollte fortgesetzt werden, auch nach der Landtagswahl Ende Oktober.
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

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