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Hotel Fürstenhof weckt bei Martin Roland Erinnerungen

Im Intershop war immer Weihnachten

Sonnabend, 17. August 2019, 15:45 Uhr
Ein echter Nordhäuser erinnert sichim nnz-Forum angesichts der Wiedereröffnung des Hotels in der Bahnhofstraße an längst vergangene Zeiten.

Bei Besuchen in Nordhausen während der bedrückend tristen DDR-Jahre waren zwei Anlaufstellen unumgänglich: Das Meldeamt der Volkspolizei an der Ecke Pferdemarkt (heute Marktpassage) und der Intershop im früheren Hotel HO-Handelshof in der unteren Bahnhofstrasse.

Die Wiedereröffnung als Fürstenhof – so der ursprüngliche Name - nach Umbauten weckt heute die Erinnerung an die Zeit, als dort ein Intershop war. Für Einheimische war es immer wie „Weihnachten“, wenn sie dort mit ihren Verwandten aus dem Westen den Kaffee-Duft schnuppern konnten. Oft steuerten sie zielstrebig auf bestimmte Produkte zu, die sie aus dem Werbefernsehen des Klassenfeindes kannten.

Um die Kaufkraft von DDR-Bürgern abzuschöpfen, die keine Zuwendungen von Verwandten aus dem Westen erhielten, wurden zwei Ladenketten eingeführt: Exquisit-Filialen für hochwertige Bekleidung, Schuhe und Kosmetik sowie Delikat-Geschäfte für Feinkost. Das Personal im Intershop durfte kein Trinkgeld annehmen, bekam aber einen Teil des Lohnes in Westgeld. Die Verlockung zu Überfällen auf Intershops war groß, aber was nicht sein durfte, kam in der gelenkten Presse auch nicht vor.

Nach der Einführung der Forum-Schecks sank der Intershop-Umsatz. Ab Mitte der achtziger Jahre wurde mehr als eine Milliarde DM umgesetzt. Die Auslandsschulden der DDR betrugen damals 26,5 Milliarden US-Dollar. An Guthaben und Forderungen standen nur 15,7 Milliarden U-Dollar zu Buche. Die Wirtschaft war nicht nur marode, sondern stand vor dem finanziellen Bankrott, als die friedliche Revolution den Umschwung brachte.

„Diese Läden sind selbstverständlich kein ständiger Begleiter des Sozialismus. Wir können aber nicht an der Tatsache vorbeigehen, dass besonders der große Besucherstrom viel mehr Devisen unter die Leute bringt als das früher der Fall war. Bekanntlich kommen zu uns im Jahr etwa 6,5 Millionen Gäste aus kapitalistischen Ländern, die bei uns essen, zum großen Teil übernachten und selbstverständlich Geld in den Taschen haben. Durch die Intershop-Läden haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass diese Devisen bei uns im Lande bleiben.“ Originalton Erich Honecker in 1978, oberster SED-Funktionär.

Bereits Anfang 1974 war DDR-Bürgern durch eine Änderung der Devisen-Bestimmungen zugestanden worden, über Zahlungsmittel frei konvertierbarer Währungen zu verfügen. Von nun an konnten auch sie das Warenangebot in den Intershops nutzen. Durch zunehmende Verwandten-Besuche war für manchen DDR-Bürger die Chance gestiegen, in den Besitz von Westgeld zu gelangen. Jedoch vom 16. April 1979 an mussten Devisen in Forum-Schecks umgetauscht werden – statt Wechselgeld gab es Bonbons.

Die Stasi in Nordhausen unterhielt „operative Betten“ im HO-Hotel Handelshof, um westdeutsche Monteure und Touristen aus dem Ausland abzuhören. Der Leiter war 1977 als Inoffizieller Mitarbeiter angeworben worden. „Seine Schlüsselposition ermöglichte es ihm, sowohl das Personal als auch die Gäste unter Kontrolle zu halten“, heißt es in einer wissenschaftlichen Dokumentation über die Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit im Kreis Nordhausen.

Der IM im Handelshof habe mündlich wie auch schriftlich umfangreiche Berichte geliefert. „Seine Zuträgerschaft wurde vom MfS geschätzt, da er nicht nur als zuverlässig galt, sondern auch sein konspiratives Verhalten hervorgehoben wurde.“ So erfuhr die Stasi von einer Lehrerin, die mit westdeutschen Besuchern verkehrte.
Roland Martin
Autor: red

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