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Stadthistoriker luden ein

Schiedunger Geschichten im Tabakspeicher

Mittwoch, 10. Juli 2019, 12:16 Uhr
In der Julizusammenkunft der Südharzer Geschichtsfreunde ging es diesmal um das kleine Dorf Schiedungen während der Zeit der napoleonischen Modellstaatsgründung von 1807 bis 1813 und folgender Jahre. Dazu referierte der in Wipperdorf beheimatete Andreas Scholz vor weit über 60 interessierten Hobbyhistorikern und zahlreichen Gästen...

Hauptsächlich ging es in dem Vortrag um einen Teich und wie dieser aufgrund politischer, rechtlicher sowie verkehrsbedingter Veränderungen schließlich zu einem „Garten“ bzw. zu einer Weide wurde. Es ist nicht bekannt, wann der Teich in Betrieb genommen wurde. Die Ortschaft Schiedungen gehörte zum Amtsvorwerk und hatte zur Blütezeit der Fischzucht und Teichwirtschaft 22 Teiche. Fünf von ihnen gehörten den Einwohnern, 17 dem Amtsvorwerk.

Die Teiche waren allerdings sehr schadanfällig, ihre Wartung sehr kostenintensiv. Zudem war die Bewirtschaftung abhängig von Umwelteinflüssen. Streit blieb da auf Dauer nicht aus. Strenge Winter zur damaligen Zeit brachten die Teiche des öfteren zum Einfrieren, Verlanden oder auch Überschwemmen. Zudem sorgte schwerer Wagenverkehr, der über den Damm führte, für fortdauernde Schäden.

Des öfteren mussten daher Einwohner umliegender Ortschaften zwangsweise zu Ausbesserungsarbeiten an der Straße herangezogen. Zwar waren die Amtsdörfer immer in der Pflicht, Risse am Damm durch Rasen und Steinfuhren zu beseitigen, nicht aber die Wege darüber auszubessern. So kam es – bedingt durch unterschiedliche Rechtsauffassung – immer mal zu Prozessen, aus denen die Schiedunger stets als Verlierer hervorgingen.

Aus den unterschiedlichsten Gründen wurde der Schiedunger Teich im Laufe der Zeit nicht nur als Segen angesehen. Hauptproblem waren immer häufiger auftretende Dammbrüche, die mitunter bis Nordhausen zu spüren waren. Auch wechselnde Verwalter trugen nicht gerade zur sorgfältigen Bewirtschaftung des Teiches bei. Immer wieder kam es zur Verschlammung. Deshalb wurden der Teich immer häufiger als Weide benutzt.

Nach Ende der preußischen Herrschaft führte die neue französische Übergangsregierung am 15. Dezember 1807 die erste geschriebene Verfassung auf dem Gebiet der deutschen Fürstenstaaten ein (Königreich Westphalen). Dazu gehörte auch die hiesige Region, die nun auch vom neuen bürgerlichen Recht profitierte. Dies hatte auch eine radikale Umgestaltung der Verwaltungsorganisation zur Folge.


Das neue bürgerliche Recht garantierte die Freiheit des Eigentums, was viele Grundherren ermutigte, ihre Wirtschaft eigenmächtig und unabhängig von der Gemeinde zuführen, in deren Folge Streitereien und zahlreiche Prozesse nicht ausblieben. In der ehemaligen Grafschaft Hohnstein gab es beispielsweise von 1808 bis 1812 insgesamt 24 Weidegerechtigkeitsklagen.

Im Rechtsstreit (Schiedunger Domänenprozess) zwischen der Gemeinde Schiedungen und dem Teich-Pächter von Schmidt stand immer wieder das Gewohnheitsrecht im Mittelpunkt der Argumentation und wurde von den Streitparteien jeweils zum eigenen Gunsten ausgelegt.

Mitunter waren Prozesse wie eben auch der Domänenprozess im Lichte länger zurückliegender Konflikte aus der Feudalzeit zu sehen. Die Gemeinden waren auf der Suche nach mitunter auch fragwürdigen Dokumenten, um ihre (verbrieften) Rechte als Beweise anführen zu können. Im Jahre 1812 schließlich wurden die Streitenden zur Klage zugelassen.

Der Prozess fand 1815 vor der neuen preußischen Verwaltung sein Fortsetzung und ging 1820 mit einem Urteil zu Ungunsten der Gemeinde Schiedungen aus. Unabhängig vom Ausgang des Prozesses ging es auch darum, die allmähliche „Verbesserung der landwirtschaftlichen Ökonomie mit allen Teilen der Ortsbevölkerung abzustimmen“, wie der Referent betonte.

Und fügte abschließend hinzu: „Die Verteidigung alter Rechte war eine Verteidigung sozialer Absicherungsmechanismen einer relativ besitzlosen Masse an Einwohnern gegen zu starke Alleingänge und Privatisierungsbestrebungen einzelner wohlhabender Grundbesitzer. Diese Masse an Anwohnern stärkte sich gegenseitig in der Institution einer politischen Gemeinde, die erst in westphälischer Zeit ihren Ursprung hatte. Durch die wurde ihnen die rechtliche Vertretung und damit die Mitsprache bei der Umsetzung von Reformen möglich.“

Der nächste Vereinsabend der Südharzer Geschichtsfreunde findet am Dienstag, 13. August, statt. Michael Reinboth aus Walkenried spricht im Nordhäuser Museum Tabakspeicher über „150 Jahre Eisenbahn Nordhausen – Northeim“. Beginn ist wieder um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei und Gäste sind sehr willkommen.
Hans-Georg Backhaus
Autor: red

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