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Demonstrationszug durch Nordhausen

Wir stehen mit dem Rücken an der Wand

Freitag, 28. Juni 2019, 17:00 Uhr
Auf dem Rathausplatz kam heute wieder die "Fridays for Future" Bewegung zusammen. Die Demonstration war eine von 55 Veranstaltungen, die heute allein in Deutschland stattgefunden haben. Im Zentrum standen der Kampf gegen den Klimawandel, aber auch regionale Themen und die kleinen Dinge des Alltags...

Fridays for Future Demonstration in Nordhausen (Foto: Angelo Glashagel) Fridays for Future Demonstration in Nordhausen (Foto: Angelo Glashagel)

Am 2. August geht die Welt wieder über ihre Grenzen, der "Earth Overshoot Day" markiert den Tag, an dem die Erdenbewohner ökologisch über ihre Verhältnisse hinaus Ressourcen verbrauchen. Das heißt zwischen Januar und August hat die Menschheit soviel verbraucht, wie die Erde im ganzen Jahr erneuern kann. Danach wird zuviel gefischt, zu viel abgeholzt und mehr CO2 ausgestoßen, als Wälder und Ozeane aufnehmen können. Als das "Global Footprint Network" seine Berechnungen 1971 zum ersten mal veröffentlichte, lag das Datum noch beim 21. Dezember. Folgt man den Betrachtungen, bräuchte die Menschheit heute 1,7 Erden, um ihren Ressourcenhunger nachhaltig zu stillen.

Der "Erdüberlastungstag" ist nur einer von vielen Markern, die Menschen weltweit sorgenvoll in die Zukunft blicken lassen. In Nordhausen kamen heute rund 120 Personen zusammen, um auf die brisante Thematik aufmerksam zu machen. Dabei war man nicht allein, die Proteste der "Fridays for future" Bewegung fanden an diesem Freitag wieder weltweit statt, allein in Deutschland sind 55 Veranstaltungen gelistet.

"Diejenigen, die heute den Klimawandel vorantreiben, sind nicht diejenigen, die die Folgen ausbaden werden", sagt Jerome Lulaj am Nachmittag auf dem Rathausplatz, wenn man etwas bewegen wolle, müsse man solidarisch zusammenstehen und auch im Alltag mit gutem Beispiel vorangehen.

Verhindern könne man den Klimawandel nicht mehr, meinte Hauke Zierfaß vom Aktionsbündnis Südharz, nur eindämmen, um die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen zu sichern. Die Zeit für Kompromisse habe man 40 Jahre lang gehabt, nun befinde man sich in einer historisch einmaligen Situation und stehe mit dem Rücken zur Wand. Die Demokratie sei von "Wirtschaftsextremisten" unterwandert und schaffe es immer wieder, ihre Vorgaben eins zu eins im Text der Gesetze unterzubringen. Bleibt man tatenlos, werde das Leben auf der Erde, wie wir es kennen, an sein Ende kommen. "Alles hat seine Würde, nicht nur der Mensch. Doch diese Würde, die Würde der Tiere, der Wälder und der Ozeane, ist problemlos antastbar. Der Mensch hebt sich selbst aus der Kette des Seins und sieht sich nicht als Glied des Ganzen", sagt Zierfaß, man müsse deswegen anfangen global zu denken und regional zu handeln.

Ganz konkret am morgigen Samstag in Ellrich, wenn die Firma CASEA 150 Jahre Gipsabbau im Südharz feiert. Das Aktionsbündnis hat zusammen mit dem BUND zu einer entsprechenden Demonstration aufgerufen.

Fridays for Future Demonstration in Nordhausen (Foto: Angelo Glashagel) Fridays for Future Demonstration in Nordhausen (Foto: Angelo Glashagel)

Das Demonstrationen alleine den Planeten nicht retten werden, meint auch Daniel Krieg. Der Student sitzt inzwischen für die Grünen im Nordhäuser Stadtrat, will seine Äußerungen am Nachmittag aber vor allem als Student der regenerativen Energietechnik verstanden wissen. Er befasse sich seit zehn Jahren intensiv mit dem Thema, sagte Krieg, manchmal sei das deprimierend gewesen. Die Zusammenkünfte in Nordhausen und anderswo machten aber Hoffnung.

Wenn man die Erwärmung der Erde in den nächsten Jahre nicht begrenze, dann drohten Kettenreaktionen, die nicht mehr einzufangen seien. "Tauen die Permafrostböden auf, wird viel Methan frei. Dann reden wir nicht mehr über eine Erwärmung um drei Grad, sondern von sechs Grad und mehr. Was das für die weitere Entwicklung bedeuten würde, ist nicht abzuschätzen, auch nicht von der Wissenschaft, zumindest nicht der seriösen", sagt Krieg.

Angesichts anhaltender Katastrophenmeldungen dürfe man nicht in "Schockstarre" fallen oder sich durch "Unkenrufe" in den Kommentarspalten entmutigen lassen, führte Krieg weiter aus, noch sei es nicht zu spät, dem Einhalt zu gebieten. Reparieren statt wegwerfen, Urlaub vor der eigenen Haustür, weniger Fleischkonsum - man könne in jedem Moment des Lebens Entscheidungen fällen, kleine Schritte tun und Gewohnheiten ändern. Ressourcenhunger und Klimawandel zu begegnen sei die größte Herausforderung, der sich die Spezies Mensch je gegenüber gesehen habe, eine gesellschaftliche Aufgabe, an der alle partizipieren müssten.
Angelo Glashagel
Autor: red

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