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„Frei(T)räume III“ im Nordhäuser Theater unterm Dach

Bilder aus Körpern

Donnerstag, 30. Mai 2019, 14:56 Uhr
Sehr geehrte Damen und Herren der nnz-Redaktion,
Am Samstag wird es im Nordhäuser Theater die letzte Vorstellung der Kammertanz-Produktion Frei(T)räume III" geben. Dazu Anmerkungen von Julia Weber...

Bilder aus Körpern (Foto: M. Kneise) Bilder aus Körpern (Foto: M. Kneise)
Konzentriert stehen vier Menschen im fahlen Scheinwerferlicht. Der ohnehin schon dunkle Raum wird mit schwarzen Vorhängen verhüllt, die geringe Beleuchtung reißt kaum Kontur aus der Finsternis. Im Lichtschein gehen, bewegen, tanzen Körper. Aus einem Solo wird ein Part de Deux. Anziehen, Festhalten, Abstoßen. Auflösen, Fallen, Auffangen.

So beginnt der Kammertanzabend „Frei(T)räume III“ im Theater unterm Dach in der Choreographie von Ruan Martins. Es ist eine schöne Tradition, den Tänzern der Ballettcompagnie tnlos! die Möglichkeit zu geben, abseits der Großen Bühne die Seiten tauschen und selbst choreographieren zu können. Es entstand ein Abend aus fünf wortlosen Erzählungen mit fünf Handschriften und fünf Blicken auf Beziehungen und Bewegungen, auf Emotionen, auf Bilder und Geschichten.

Eine Nackte, die mit den Kleidern anderer bedeckt wird, die sich hierdurch selbst entblößen.

Zu erzählen haben sie alle etwas, die fünf Choreographen. Sie erschaffen mit Körpern Bilder, die manchmal existentiell sind und manchmal einfach nur schön. Vier Arme, gemeinsam fliegend zum Schlag eines Herzens.

Eine gleichgeschaltete Gesellschaft zeigt David Nigro zu Anfang seines Stückes. Vier Personen in Perfektion, welche die fünfte, neue, argwöhnisch begutachten, untersuchen, verletzen und dann doch (er)tragen, bringt der vormalige Störfaktor sie doch dazu, sich selbst zu hinterfragen.

Körper im nachtblauen Schein, aufbrechende Synchronität, Demontage und Neuzusammensetzen.

Ihr Licht unter den Scheffel stellt Keiko Okawa, wenn sie sagt, ihre Choreographie sei allein zum Genießen schöner Bilder. Man sieht viel im kurzen Stück ihres Paares im modernen Spitzentanz; so viel, dass man sich gewünscht hätte, noch mehr zu sehen von der Beziehung dieser Frau und dieses Mannes.

Ein Paar im Gleichklang, in Harmonie, als Einheit, sich dennoch gegenseitig Raum gebend und gerade deshalb immer wieder zu sich findend.

Geboren wird eine verletzliche junge Frau in Andrea Zinnatos Choreographie, lernt aufrecht stehen, aufrecht gehen, wandelt und verwandelt sich und entschwindet in der Dunkelheit.

"Sie steht im Mondlicht, während Musik ihren Körper umspült.", sagt die Musik, und so ist es.

Dominic Bisson choreographiert einen Zauberwürfel zu David Nigros Musik – es ist spannend zu sehen, welche Farben sich zu welchen Bewegungsabläufen begegnen und wieder verlieren.

Ein Kanon im Quadrat wird zum Kreis wird zum Dreieck wird zum alle Farben auflösenden Neonlicht.

Auch wenn die Rezensentin Gabriela Finardis Solo als am Bewegendsten mit sich nimmt, scheint einen Favoriten des Abends zu küren fast unmöglich. Die Zuschauer im Theater unterm Dach empfinden wohl ebenso, als nach fünfzig Minuten nicht enden wollender Applaus ertönt.

Schwer atmend, glücklich und stolz stehen zehn Menschen im hellen Scheinwerferlicht.
Julia Weber
Autor: red

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