nnz-online
NNZ-BETRACHTUNG:

Respekt, Jörg Prophet: Von Null auf Hundert

Mittwoch, 29. Mai 2019, 16:08 Uhr
Da staunten gestandene Kommunalpolitiker. Allesamt waren sie bekannte Persönlichkeiten. In der Stadt und im Landkreis: Ministerin Birgit Keller (Linke), die Durchsetzungsstarke; Landrat Matthias Jendricke (SPD), der Visionär; Egon Primas (CDU), das christdemokratische Urgestein; Oberbürgermeister Kai Buchmann (Bürgerliste), der Zurückhaltende – nur einer war es nicht: Jörg Prophet von der AfD. Wenn überhaupt, so war sein Name nur gelegentlich in dieser Zeitung vernehmbar...


Sie, die Repräsentativen, brachten ihre politischen Pfunde auf den Wahlzettel. Sie fuhren auch beachtliche Stimmzahlen für den Kreistag ein, auf die sich bauen lässt: Keller mit 3679 Kreuzen steht bei den Linken vorne an, Jendricke bei den Sozialdemokraten mit 4848, Primas bei den Christdemokraten mit 3113. Für Buchmann votierten 3420 Wähler, womit er auf der Bürgerliste den Ton angibt. Und doch stellte sie AfD-Mann Prophet alle in den Schatten: 10133 Personen kreuzten seinen Namen an. Rekord. Mit Abstand.

Die Alternative für Deutschland zieht auf Anhieb mit neun Mandaten in den Kreistag ein, ist der CDU (12) auf den Fersen und zweitstärkste Kraft. Im Stadtrat ist sie mit acht Mandaten vertreten, gleichauf mit CDU und Linken. Erstaunlich auch der Stimmenanteil anderer völlig "unbekannter" AfD-Leute, die mehr auf sich vereinten als so mancher lang gedienter Politiker von CDU, Linken oder SPD. Wie ist das möglich? Waren die, die jetzt für die Alternative in Stadt und Kreis mitmischen, die Lieblinge der Südharzer?

War es eine Frustwahl? Es war, wenn auch nicht so herb wie im Bund, eine Watschen für die, die sich Volksparteien nennen. Übertrafen sie sich doch schon vor vier Jahren gegenseitig mit Versprechungen, was alles zu tun sei. Zieht man Vergleiche, so ähnelten sich die Aussagen von damals und mit denen von heute: Ansiedlungen im Industriegebiet Goldene Aue; Sport- und Tourismusförderung, mehr Sozialwohnungen anstatt luxuriöser Villen, Ausbau des Personen-Nahverkehrs.

Unbestritten: Wir kamen ein gutes Stück des Weges voran. Stadtvillen in Nordhausen, Eigenheime am Rüdigsdorfer Weg. Sanierte Schulen, neue Sportstätten und der entstehende Neubau des Humboldt-Gymnasiums schlagen zu Buche. Was nicht so recht klappte, wurde wieder aufgewärmt. Jetzt will sich auch die AfD in die Kommunalpolitik einbringen. Bergauf soll es gehen. Ist sie eine Alternative?

Wie auch immer: Sie ist eine von Teilen des Volk gewählte Partei, mit der zu rechnen ist. Der Landrat war gut beraten, als er sich öffentlich äußerte, mit Herrn Prophet, den er als seriös einschätzt, zusammenarbeiten zu wollen. Ob andere Parteien schon zu dieser Erkenntnis gelangten, bleibt abzuwarten. Auch wenn die AfD über Themen spricht – Nachteile der "Asylflut", Sicherheit, Bedenken der Überfremdung - die andere lieber kleinreden oder unter den Teppich kehren wollen, so zu tun, als existiere diese Partei nicht, das war gestern.

Mit saloppen Sprüchen und wohlgeformten Wortmeldungen allein lässt sich freilich kein Staat machen. Folgen ihnen keine Taten, kein Programm, das allgemein Wohlwollen findet, dann könnte es am Ende heißen: Wie gekommen, so zerronnen. Herr Prophet weiß das nur zu gut. Grenzt er sich noch von gewissen Hardlinern innerhalb der Partei ab, die da bundesweit agieren, heimlich Wein trinken und öffentlich Wasser predigen, schärft hingegen das eigene Profil und bringt sich zielstrebig hierzulande ein, dann erhält seine Partei Bleiberecht. Auf Dauer. Die nächsten fünf Jahre werden es zeigen.
Kurt Frank
Autor: red

Drucken ...
Alle Texte, Bilder und Grafiken dieser Web-Site unterliegen dem Urherberrechtsschutz.
© 2021 nnz-online.de