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Neues aus dem Geschichts- und Altertumsverein

Mit der Bahn kam die Wirtschaft

Mittwoch, 15. Mai 2019, 07:08 Uhr
Bereits 2011 erschien das Buch „Die Hauptbahn Nordhausen-Erfurt“ als wichtiger Beitrag zur regionalen Eisenbahn- und Verkehrsgeschichte. Im Rahmen einer Vortragsveranstaltung am gestrigen Dienstagabend bot sich für Eisenbahn- und Geschichtsinteressierte die Gelegenheit, nun über die Ergebnisse aus den umfangreichen Recherchearbeiten von Paul Lauerwald mehr zu erfahren und mit ihm ins Gespräch zu gehen...

Vortragsabend (Foto: privat) Vortragsabend (Foto: privat) Paul Lauerwald im Gespräch mit den Gästen

Als am 1. August 1869 die Strecke Nordheim-Nordhausen und am 17. August 1869 die Strecke Nordhausen-Erfurt eröffnet wurden, wurde Nordhausen zu einem Verkehrsknotenpunkt. Der Referent und Eisenbahnkenner Paul Lauerwald erklärte die Wahl des Streckennamens wie folgt: „Da die Kilometrierung in Nordhausen begann, erhielt die Strecke auch diesen Namen. Zudem verweist die Ersterwähnung der Stadt vor Erfurt auch, dass Nordhausen viel an dem Projekt gelegen war und Initiative zeigte.“

Die industrielle Entwicklung kam über die Schienen, die nun mit dem Zug eine schnellere und leichtere Zufuhr von Rohstoffen wie Kohle als wichtiger Energieträger für die produzierende Industrie ermöglichten. Dies bedeutete aber auch, dass das Fuhrwerk mit Karren und Zugtieren nun von der Eisenbahn zunehmend verdrängt wurde. Im Zuge der Entwicklung gab es Gewinner und Verlierer.

Zu den Gewinnern zählte wohl auch die Firma Wedemeyer, die Güterwagen herstellte, über die jedoch noch reichlich Forschungsbedarf besteht, so Paul Lauerwald. Bereits ein Jahr später folgten weitere Strecken wie Gotha-Leinefelde und Nordhausen-Sangerhausen. Da durch die Zuganbindung nun neue wirtschaftliche Zweige sich entwickelten und expandierten, überholte die Nordhäuser Wirtschaft die Mühlhäuser. Beide waren einstige Reichstädte mit Tradition.

Über die Schienen kamen nicht nur Rohstoffe, sondern auch Menschen als Arbeitskräfte oder als Reisende. Und mit ihnen wurden kleine gastronomische Einrichtungen an den Bahnhöfen entlang eröffnet. Im Spiegel der Zeit sehen wir nur noch wenige kleine Gaststätten mit charmantem Flair. Eher sind sie baufällige Rückbleibsel von stillgelegten Bahnhöfen, die heute nur noch erahnen lassen, dass dort einst Menschen sich ausruhten oder auf den Zug warteten.

Der Referent machte in seinem Vortrag deutlich, dass der Bau der Zugstrecken für die damalige Technik wohl eine Herausforderung war, da es galt, mögliche Erosionen zu verhindern und Steigungen baulich zu überwinden. Der Bau der Strecke Nordhausen-Erfurt ging durch zwei Staaten des Deutschen Bundes: durch Preußen und durch Schwarzburg-Sondershausen. Nur mit Konzessionen der herrschaftlichen Machtinhaber der beiden Gebiete vom April und Juni 1867 konnte der Bau der Strecke gesichert werden.

Nicht nur die rechtliche Seite spielte eine Rolle beim Bauvorhaben, auch die Finanzierung musste abgesichert sein. Zwei Arten von Aktien sollten den Bau finanzieren. Für die „normalen“ Aktionäre gab es eine Dividendenausschüttung nach Gewinn, dies betraf 12.500 Aktien. Auf 15.000 Aktien gab es eine garantierte Dividende. Diese erhielten nur staatliche Einrichtungen und Persönlichkeiten. Auch die Stadt war Aktionärin. Nachdem der Bau sich wegen Restarbeiten um einige Tage verschoben hatte, konnte am 12. August 1869 die Strecke eröffnet werden.

Bereits einige Jahre später wurde die Strecke Nordhausen-Erfurt dann von Preußen abgekauft und übernommen. Lauerwald hält im Rückblick fest, dass die Strecke in den ersten 10 Jahren keinen großer Ertrag brachte. Zwar blühnte Nordhausens Wirtschaft auf, jedoch waren die Frachtsätze zu gering und die Strecke verlief eher in Gebiete, wo sich zunächst wenig Industrie ansiedelte. Zudem kam hinzu, dass die Strecke zwar zweigleisig gekauft aber nur eingleisig gebaut wurde, sodass auch die Sicherheitstechnik für einen intensiveren Zugverkehr nicht ausreichte.

Ein besonderes Beispiel für damalige Sicherheit brachte der Referent, bei dem so mancher Zuhörer ins Schmunzeln kam. Da es auf dem Nordhäuser Bahnhof keine Unterführung gab, mussten die Reisenden über die Zuggleise gehen, um zum jeweiligen Gleis zu kommen. Wenn sich ein Zug näherte wurde dann eine Glocke geläutet und damit signalisiert, die Schienen freizumachen waren. Bis 1903 wurde die Glocke eingesetzt und dann ins städtische Museum übergeben.

Auch im nächsten Monat findet wieder ein Vortragsabend des Nordhäuser Geschichts- und Altertumsvereins im Tabakspeicher statt. Dann wird Dr. Marie-Luis Zahradnik über die Novemberrevolution 1918 in Nordhausen sprechen. Dem Vortrag ging bereits im Februar bis März 2019 eine Sonderausstellung „Revolution und Demokratie – Der Einzug der Moderne in die Provinz“ in der Flohburg | Das Nordhausen Museum voraus.

Zwar folgten rund 10.000 Nordhäuser am 11. November 1918 dem Aufruf des Arbeiter- und Soldatenrates zur Versammlung in der Grimmelallee vor dem Gasthaus „Drei Linden“, doch wurde die anfängliche Kraft von den Verantwortlichen des Rates als historische Chance für ein demokratisches Deutschland nicht genutzt. Also war es für die Nordhäuser Verhältnisse dann eher eine „Revolution der Besonnenen“? Interessierte, die mehr über die Ergebnisse der Novembertage des Jahres 1918 erfahren möchten, sind am 11. Juni 2019 um 19.30 Uhr recht herzlich, in den Tabakspeicher Nordhausen eingeladen. Der Eintritt ist frei.
Marie-Luis Zahradnik
Autor: red

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