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Allein Stellungs Merkmale

Montag, 29. April 2019, 08:00 Uhr
In den zurückliegenden Wochen wurde lokal und überregional zur Zukunft der Museen diskutiert. In Nordhausen braucht man dazu eine Konzeption, so wie für fast alles andere auch. Dabei ist es ganz einfach - oder eben auch nicht. Ein Versuch...

Besuch auch im Kohnstein (Foto: nnz) Besuch auch im Kohnstein (Foto: nnz) Im August vergangenen Jahres besuchte ein ehemaliger GI die Gedenkstätte Mittelbau-Dora und wurde von einem Filmteam aus den USA begleitet.

Auf den Seiten des Thüringer Museumsverbandes sind die aktuellen Besucherzahlen der Museen derzeit nur "sehr schwer" zu finden. Der Grund, warum die entsprechende Seite nicht erreichbar ist, wird nicht erläutert.

Museen, so sehen es die Handlungsempfehlungen der Landesregierung vor, seien ein unabdingbarer Bestandteil des Tourismus und der kommt nicht so recht aus den Pötten, vor allem im Südharz. Die nnz hatte das immer mal wieder an Hand von statistischen Angaben thematisiert.

Da bemüht sich zwar ein Qualitätsmanager, finanziert von der Thüringer Aufbaubank, den Anbietern nahe zu legen, dass Qualität und Besucher- oder Gästezahlen in einem Zusammenhang zu sehen sind, doch am eigentlichen Problem geht es vorbei. Meiner bescheidenen Meinung nach, eher der Erfahrung und dem Resultat über Jahre hinweg geführter Gespräche geschuldet, sind es die Alleinstellungsmerkmale einer Region, die sie für Gäste aus "aller Welt" interessant machen.

Und diese Alleinstellungsmerkmale sind nicht die mitunter schlecht ausgeschilderten Rad- und Wanderwege oder das nicht mehr zu beobachtende Rotwild, das sind vielleicht der Roland oder die Traditionsbrennerei. Die aber reichen nicht und haben nicht die Strahlkraft, um Menschen aus aller Herren Länder nach Nordhausen zu locken. Selbst nicht aus Flensburg oder München.

Für mich Exil-Mansfelder gibt es nach 27 Jahren im Südharz zwei Alleinstellungsmerkmale - die Harzer Schmalspurbahnen als "Größte unter den Kleinen" und die Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Womit ich auch schon beim Knackpunkt bin. Sicher, die Gedenkstätte gehört mit zu den am meisten besuchten Einrichtungen in der Region, doch das, was immer noch im Kohnstein verborgen ist, das hat auch immer noch Potenzial.

In den zurückliegenden Wochen gab es erste öffentliche Versuche von Menschen, das Thema Industrie, Luft- und Raumfahrt in die Öffentlichkeit zu bringen. Sie trauen sich, eine Debatte darüber anzufangen. Sie mischen sich ein. Und - das will ich hier gleich unterstreichen - sie sind wahrlich keine Nazis.

Ich stelle mir vor, man könne, intensiver als bisher, die technischen Komponenten dessen, was in der Nordhäuser Region in den Jahren 1943 bis weit in die 1950er Jahre von statten ging, historisch und wissenschaftlich aufarbeiten. Wie viele verrückte Amis, Chinesen oder Japaner würden gern die Wiege dessen "beschnuppern", was letztlich zu Sputnik 1, zum Mond oder zur Internationalen Raumstation ISS führte.

Vielleicht bietet sich der Kohnstein dazu mit den beiden Fahrstollen an. Einer für die technische Seite dieses Geschichtsabschnittes, der andere für die Unmenschlichkeit eines totalitären Systems, für die Vernichtung Zehntausender Menschen durch Arbeit, durch Folter und Krankheit. Beides gehört in Dora zusammen und muss auch so dargestellt und immer wieder verknüpft werden. So wird es eventuell auch möglich sein, all denen zu zeigen, die da meinen, die V2 sei allein das Ergebnis intelligenter Arbeit, deutscher Ingenieurskunst und humaner Arbeitsbedingungen. Wie vielen Gästen aus dem internationalen Ausland könnte das Ausmaß der Vernichtung der Humanität, historisch aufbereitet, nahegebracht werden.

Ich bin mir sicher, ein großer Teil dieser Besucher wird die Nordhäuser Region wesentlich nachdenklicher verlassen, als das bei der Ankunft der Fall war.

Ich bin mir aber auch sicher, dass diese Zeilen nur ein kleiner Anstoß sein können, dessen Ursprung eben in den vielen Gesprächen mit Menschen aus der Kultur, der Wirtschaft und der Politik zu sehen ist, die darüber eher in kleinen Zirkeln reden. Das ist nicht der richtige Weg, eine Diskussion muss möglich sein und sie muss auch mal wehtun. Für wen auch immer. Und am Ende der Diskussion muss ein Ergebnis stehen, dass von der Mehrheit aller getragen und vertreten werden kann. Nicht nur von Wissenschaftlern, nicht nur von Historikern und nicht nur von Technikern.
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

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