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Pflegedienste:

Die Nummer 1 bei Betrügereien

Sonntag, 14. April 2019, 11:21 Uhr
364 neue Betrugsfälle hat die KKH Kaufmännische Krankenkasse im vergangenen Jahr bundesweit aufgedeckt und damit rund 100 Fälle mehr als 2018. Der Gesamtschaden, den gefälschte Rezepte, Abrechnungen frei erfundener Leistungen und andere Betrügereien für die KKH bundesweit verursacht haben, belief sich auf rund eine halbe Million Euro allein in 2018. In zehn Fällen stellte das Ermittlerteam Strafanzeige...


„Die neu aufgedeckten Fälle erstrecken sich über nahezu alle Leistungsbereiche des Gesundheitswesens“, sagt KKH-Chefermittlerin Dina Michels. Auf Platz 1 der Täter-Liste von Abrechnungsbetrug stehen ambulante Pflegedienste mit insgesamt 182 Fällen. Sie machen exakt 50 Prozent aller bei der KKH in 2018 ermittelten Betrugsdelikte aus. Es folgen Ärzte mit 63 Fällen, Krankengymnasten und Physiotherapeuten mit 39 sowie Apotheker mit elf Fällen.

„In allen Branchen handelt es sich um einige wenige schwarze Schafe“, betont Dina Michels. „Doch deren kriminelle Energie kennt kaum Grenzen.“ Zu groß scheint die Verlockung, vom großen Topf der gesetzlichen Krankenversicherung mit über 234 Milliarden Euro Umsatz im vergangenen Jahr illegal etwas abzuzweigen. „Dass die dringend benötigten Gelder bei der Versorgung kranker Menschen fehlen, nehmen die Verursacher billigend in Kauf, ebenso, dass auf ihre Branche ein dunkler Schatten fällt“, sagt Michels.

Spitzenreiter bei der Schadenssumme sind erneut die Apotheken. Hier konnte die KKH 2018 Forderungen in Höhe von insgesamt 161.000 Euro geltend machen. Beispielsweise belieferte ein Apotheker Arztpraxen mit Medikamenten, obwohl keine ärztliche Verordnung vorlag. Später eingereichte Rezepte rechnete er mit den Krankenkassen ab. Da er damit gegen geltendes Sozialrecht verstieß, forderten die Kassen die Gelder zurück die KKH allein 155.000 Euro.

Die zweithöchste Schadenssumme verzeichnete die KKH im vergangenen Jahr im Bereich orthopädische Hilfsmittel mit gut 69.000 Euro. Platz 3 nehmen ambulante Pflegedienste mit knapp 66.000 Euro Gesamtschadenhöhe ein. Hier hatte unter anderem ein Dienstleister lebenswichtige Intensiv- und Beatmungspflege bei Patienten einer Wohngruppe von unqualifiziertem Personal ausführen lassen. Der Schaden allein für die KKH beläuft sich auf fast 30.000 Euro.

Um den Druck auf Betrüger zu erhöhen, erhofft sich Juristin Michels künftig bundesweit mehr spezialisierte Strafverfolgungsbehörden. „Es sollte mehr personell gut ausgestattete Staatsanwaltschaften geben, die Straftaten im Gesundheitswesen konsequent verfolgen. Das gleiche gilt für die hochmotivierten, aber oft schlecht aufgestellten Kriminalbeamten. Hier fehlen Manpower und Spezialkenntnisse gleichermaßen. Der medizinische Dienst der Krankenversicherung könnte bei seinen Prüfungen noch stärker auf bewusste Falschabrechnungen achten und diese auch so benennen.“ Die KKH konnte 624.000 Euro aus vergangenen Betrugsfällen zurückholen.

Die TOP VIER Tatverdächtigen der Betrugsfälle 2018 (Fallzahlen in Klammern):

Ambulante Pflege (182)
Ärzte (63)
Krankengymnasten/Physiotherapeuten (39)
Apotheker (11)

Die TOP VIER Bereiche nach Schadenssumme (Betrag in Klammern gerundet in Euro):

Arzneimittel (161.200)
Orthopädische Hilfsmittel/Sanitätshäuser (69.400)
Ambulante Pflege (65.600)
Krankengeld (58.500)

Die TOP VIER Bundesländer der 364 Neufälle (Fallzahlen in Klammern):
Sachsen-Anhalt (85)
Bayern (68)
Nordrhein-Westfalen (63)
Niedersachsen (33)

Die TOP VIER Beispiele für aufgedeckte Betrugsfälle 2018:
  • Ein Apotheker belieferte Arztpraxen mit Medikamenten für Augenoperationen generell ohne vorliegende Verordnung. Erst im Nachhinein erhielt er die Rezepte, die er mit den Krankenkassen abrechnete. Wegen dieses rechtswidrigen Vorgehens entfiel sein Vergütungsanspruch. Die Krankenkassen forderten die Gelder zurück, die KKH allein 155.000 Euro.
  • Eine Zahnärztin rechnete Leistungen ab, die sie nie erbrachte. Schaden bei der KKH: rund 32.000 Euro.
  • Ein Pflegedienst für Intensiv- und Beatmungspflege ließ Patienten einer Wohngruppe von unqualifiziertem Personal behandeln. Die Folge: schwere pflegerische Mängel und Körperverletzungen. Der Betrieb wurde geschlossen. Schaden für die KKH: fast 30.000 Euro.
  • Eine Kindertagesstätte beantragte wegen angeblicher Krankheit von Mitarbeitern Entgeltfortzahlung nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG). Bisher festgestellter Schaden bei der KKH für eine bei ihr versicherte Mitarbeiterin: 13.600 Euro. Der Schaden für alle Krankenkassen wird wohl auf eine 6-stellige Höhe ansteigen. Denn die Ermittlungsbehörden haben auch zu Lasten der KKH weitere vergleichbare Fälle festgestellt.
Autor: red

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