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Die Grünen sind farblos geworden

Sonnabend, 23. März 2019, 09:08 Uhr
Die Nordhäuser Grünen bereiten sich auf die kommenden Wahlen vor. Ob diese Partei noch grün ist, darüber macht sich Bodo Schwarzberg Gedanken...

Seit den 80er Jahren mischen die Grünen in der bundesdeutschen Politik mit. Sie sind Kinder u.a. des damaligen Waldsterbens und der Atomausstiegsdiskussion, auch des Nato-Doppelbeschlusses von 1979.

Und sie haben Erfolge vorzuweisen: Der Atomaustieg als Konsequenz aus dem ersten Supergau von Tschernobyl ist ein Erfolg grüner Politik und Standhaftigkeit.

Damals war die Partei nicht nur farblich sondern auch politisch grün und nicht machtkorrumpiert wie heute, und die Partei war eine Alternative zum genau besehen austauschbaren Konservativismus und Lobbyismus von SPD, FDP und CDU.

Mittlerweile sind die Grünen zur Wohlstandspartei mutiert, mit einer, glaubt man entsprechenden Analysen, vielfach überdurchschnittlich verdienenden, SUV-fahrenden Wählerklientel, welche sich den gewissensberuhigenden Einkauf im Bioladen leisten kann.

Eine grüne Politik, die aber auf derartige Wählerschichten setzen muss, ist verlogen. Verlogen sind die Grünen, weil sie spätestens seit ihrem Einzug in den Bundestag (ich glaube 1983) ihre ursprünglichen Werte zugunsten der Macht ausfransen ließen.

Die Werte von Pazifisten und Fundamentalökologen wie Gerd Bastian, Petra Kelly, Jutta Ditfurt (und anderen) haben dabei gestört, Machtziele zu erreichen. Sie gingen freiwillig oder wurden Opfer zermürbender Richtungskämpfe.

Inhaltliche Ziele traten für die Grünen zunehmend in den Hintergrund. Unbequeme geradlinige, kritische Grüne, wie Hans-Christian Ströbele mit seinem berühmten Wahlkreis Berlin Kreuzberg-Friedrichshain konnten sich nach der Wende in der Bundesspitze nur noch mittels hart erkämpfter Direktmandate behaupten.

Die Dekadenz dieser einstigen, plötzlich aber mitregierenden "Pazifisten"partei zeigt sich nicht nur in ihrer förderlichen Rolle beim Einsatz der Bundeswehr im Kosovo-Krieg (den z.B. der Ländle-Grüne Rezzo Schlauch als gut für den Frieden zu rechtfertigen suchte) und beim Befürworten der Erweiterung des Tagebaus Hambach, bekannt geworden durch die Besetzung der letzten Reste des Hambacher Forsts in 2018 NRW.

Ausgerechnet das größte deutsche Kohlekraftwerk in Hamburg Moorburg wäre wohl 2008 ohne die wohlwollende Entscheidung des (man bedenke) schwarz-grünen Hamburger Senats nicht möglich gewesen. 2008 wussten die Grünen aber bereits vom Klimawandel.

Und beim Durchstöbern des Netzes las ich, dass der Baden-Württemberger Grüne (und einstige Günstling des grünen Bundesaußenministers Fischer) Rezzo Schlauch anlässlich einer 400-köpfigen Geburtstagsparty zu seinem 70. Geburtsages die hochrangigen Gäste aus der Wirtschaft im Vorfeld der Party bat, sich doch an dieser mit einem eigenen Obulus zu beteiligen - bei entsprechender Gegenleistung versteht sich. Selbstverständlich habe der Wirtschaftsanwalt Schlauch davon nichts gewusst.

Was macht da die Grünen heute noch unverwechselbar, außer ihr Name?

Die Grünen haben sich dem Establishment angepasst, was sich wohl kaum deutlicher als im erzkonservativen Baden-Württemberg erkennen lässt.

Man muss sich das einmal vorstellen: Grüne stellen ausgerechnet in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten. Wer hat sich da wohl an wen angepasst? Die Baden-Württeberger Wähler an die Grünen oder die Grünen an die Baden-Württemberger?

In Zeiten einer erneut zunehmenden West-Ost-Konfrontation hätte ich mir auch eine ausgleichende Rolle der Grünen gegenüber der seit fast 20 Jahren anhaltenden NATO-Expansionspolitik gegenüber Russland gewünscht. Stattdessen gerieren sich grüne Politiker wie Annalena Baerbock geradezu als Sachwalter einer harten Haltung gegenüber Moskau. Was ist da noch übrig von der einstigen Pazifistenpartei? Der INF-Vertrag wurde einseitig von den USA gekündigt und Atomwaffen sind die größte Bedrohung für die Ökologie.

Baerbock aber verteidigte die deutschen Sanktionen gegenüber Russland wegen der Ukraine- und Krimkrise - entgegen dem Wunsch ostdeutscher Bundesländer - und vor allem gegen jegliche Vernunft. Sie unterschlägt dabei, dass der Westen Russland mit seiner einseitigen, aggressiven Politik geradezu provoziert hat, lange bevor Russland auf der Krim und in der Ukraine aktiv wurde.

In einer Welt, die von existenziellen Problemen und vor allem von deren Verdrängung geradezu heimgesucht wird, haben sich die Grünen nach wie vor nicht auf ihre erfolgreichen Grundwerte und Ursprünge besonnen. Sie haben das alte Verkrustete nicht aufgebrochen, sondern sie tragen es wohlwollend mit. Wirkliche Veränderungen sind ihnen fremd geworden. Aus Machtmotiven heraus. Klimawandel hin und Klimawandel her. Greta Thunberg sagt den Grünen am besten, wie sie einst waren.

So aber sind sie keine wirkliche Alternative mehr für all Jene, die sich Sorgen um die Zukunft unserer Existenz machen, eine Zukunft, die schnelle, faktenbasierte Entscheidungen, öffentliche Bekundungen, aber kein Machtkalkül braucht.
Bodo Schwarzberg
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Autor: red

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