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Interessanter Vortrag von Dr. Hannelore Pientka

Märchen und „Karat“ oder „Maffay“?

Sonnabend, 16. März 2019, 19:10 Uhr
Man musste nicht ‚über sieben Brücken gehen‘, um zur Auftaktveranstaltung der neuen Reihe „Kultur im Pfarrhaus“ zu gelangen, die auf Initiative des neuen Pfarrers Jochen Lenz und Familie Pientka ins Leben gerufen wurde. Doch kaum einer weiß, dass dieser Hit der Gruppe „KARAT“ oder nachgesungen von Peter Maffay sehr viel mit Märchen gemein hat, wenn man sich mit Inhalt und Gestehung dieses Liedes befasst...

Frau Dr. Hannelore Pientka (Foto: privat) Frau Dr. Hannelore Pientka (Foto: privat)
Genau dies benutzte Frau Dr. Pientka gewissermaßen als Anknüpfungspunkt, um die psychologischen und psychischen Aspekte der Märchen zu beleuchten. Schon die Zahl „Sieben“ spielt eine große Rolle in den frühen Mythen und den Märchen. Erinnert sei als Beispiel nur an die „sieben Geißlein“ oder die „sieben Zwerge“ oder die „sieben Raben“.

Wie heißt es in dem Lied „sieben dunkle Jahre musst Du überstehn“ bis „Du einmal auch der helle Schein wirst“. Dieses Bild in verschiedener Form begegnet uns auch im Märchen. Oft müssen Gefahren gemeistert werden wie im „Tapferen Schneiderlein“, eigentlich ein „Kraftzwerg mit großer Klappe“, der nach dem Erschlagen von sieben Fliegen sich gut vermarktet und dann mit sehr viel Pfiffigkeit und Chuzpe Abenteuer besteht und am Ende belohnt wird.

Oder denken wir an das „Aschenputtel“ – heute würde man sagen ‚eine graue Maus‘- die mehrfach „Linsen aus der Asche“ puhlen musste – ein Bild für die „dunklen Jahre“ – bis der Prinz sie heiratet, sie gewissermaßen der „helle Schein“ wird. Jetzt steht sie mit Schmuck und königlichem Kleid im Rampenlicht. Auch das Verlassen des Elternhauses, der Heimat – oft beinahe ein Trauma für den Betreffenden – findet man in vielen Märchen. Sie gehen oft unfreiwillig, mit Schmerzen, auch wenn sie nach bestandenen Abenteuern als „Sieger“ hervorgehen.

Auch hier finden sich wieder Parallelen zu dem Text der „Sieben Brücken“. Der Autor Helmut Richter musste mit 11 Jahren seine Heimat in den Sudeten verlassen, einer von geschätzten 12 Millionen, die im Ergebnis des 2. Weltkriegs in Richtung Westen zogen mit wenig Hoffnung auf einen neuen Anfang, aber viel Wehmut über das Zurückgelassene. Auch er „wünschte sich sein Schaukelpferd zurück“ – das er nicht mitnehmen konnte und das er noch im Alter von 42 Jahren, als er diesen Text schrieb, vermisste.

Frau Pientka brachte in ihren Ausführungen einen eindrucksvollen Beweis, dass Märchen auch in dieser schnelllebigen, von digitalen Medien beherrschten Zeit wichtig und vor allem aktuell sind. Auch heute erfahren Vertriebene, Migranten traumatische Erlebnisse und auch deren Kinder brauchen Geborgenheit und Hilfe in der Sozialisierung, im Bestehen und in der Integration in diese in Sprache und Kultur für sie fremde Welt.

Dass das Thema „Märchen in psychologischer Hinsicht“ aktuell ist, beweisen nicht nur die mehr als erwartete Anzahl an Interessenten und die anschließende Diskussion, sondern auch Bitten und Anfragen zu weiteren Vorträgen zu dieser Thematik. Insgesamt eine gelungene Auftaktveranstaltung zur Reihe „Kultur im Pfarrhaus“. Es sind vorerst monatlich verschiedene Veranstaltungen geplant – von Konzerten, Filmvorführungen, Vorträgen bis zu Galerien. Wie Pfarrer Lenz abschließend sagte, die Reihe wendet sich an alle Bürger und man ist für Ideen offen.
Dr. Wolfgang R. Pientka, für „Kultur im Pfarrhaus“ und „proKulturEllrich“
Autor: red

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