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Demonstration auf dem Rathausplatz

Freitags für die Zukunft

Dienstag, 12. März 2019, 09:45 Uhr
Angefangen hat alles mit einem jungen Mädchen, das an einem Freitag im August des vergangenen Jahres begann vor dem schwedischen Parlament zu demonstrieren. Sie ist nicht mehr allein, am kommenden Freitag sind Demonstrationen in über 50 Ländern geplant. Auch in Nordhausen hat sich eine Gruppe Schüler daran gemacht, für ihre Zukunft auf die Straße zu gehen...

v.l.: Karl, Konstantin, Josefine, Jan-Niklas, Hendrik und Richard (Foto: Angelo Glashagel) v.l.: Karl, Konstantin, Josefine, Jan-Niklas, Hendrik und Richard (Foto: Angelo Glashagel)

"Fridays for Future" - Freitags für die Zukunft, nennt sich die inzwischen globale Bewegung, die dem Beispiel der jungen Schwedin Greta Thunberg folgt. Weil die schwedische Regierung ihre eigenen, im Pariser Klima-Abkommen festgehaltenen Ziele zur CO2 Reduzierung nicht erreicht, begann die damals 15jährige vor dem schwedischen Parlament zu demonstrieren. Allein mit einem selbstgebastelten Plakat. Einen "Schulstreik für das Klima" nannte die junge Dame das und fand Nachahmer und Unterstützer in Schweden und bald auch in anderen Ländern Europas.

Die bis dato größte Welle an Protesten wird für den kommenden Freitag erwartet, in 50 Ländern weltweit und auf (fast) allen Kontinenten, soll dann demonstriert werden. Allein in Deutschland sind mindestens 150 große und kleine Demonstrationen angemeldet, auch in Nordhausen.

Eine handvoll Schüler des Humboldt-Gymnasiums haben den Stein ins Rollen gebracht. "Für uns hat das eigentlich mit einem Witz auf dem Schulhof angefangen", sagt Jan-Niklas, der die Demo zusammen mit seinen Freunden Karl, Konstantin, Richard, Josefine und Hendrik seit knapp zwei Wochen plant. "Aus dem Spaß ist dann später eine ernste Diskussion geworden, wir interessieren uns für das Thema Klimawandel und sind damit nicht allein, wir haben lange geredet und schließlich entschieden das selber zu organisieren, haben eine Facebook-Seite und eine WhatsApp-Gruppe erstellt und mit Freunden, Verwandten und Bekannten geredet."

Es ist unsere Zukunft

Es geht um ihre Zukunft und es ist an der Zeit, mehr dafür zu tun, das ist die Kernbotschaft der jungen Demonstranten. "In der Politik wird zu vielem "ja" gesagt und es werden Pläne geschmiedet, aber am Ende ändert sich wenig. Geht es an die Umsetzung, steht meist doch wieder die Wirtschaft und nicht der Mensch und die Umwelt im Vordergrund", sagt Richard, das Ziel des Pariser Klimaabkommens die Erwärmung des Planeten nicht über 2 Grad Celsius steigen zu lassen müsste überhaupt erst einmal eingehalten werden, bisher sehe es nicht danach aus, dass dies gelingen würde und Deutschland stehe in seiner Bilanz sogar noch schlechter da als Schweden.

Ein paar Lösungsansätze, wie dem CO2-Ausstoß weiter beizukommen wäre, haben die Schüler auch parat, etwa die Besteuerung von Flugreisen und Kerosin. Es könne nicht sein, dass man für zehn Euro nach London fliegen könne, die Bahn als Alternative aber immer teurer würde. Zudem bedürfe es einer allgemein klimafreundlicheren Ernährung, also: weniger Fleischkonsum. Auch hier könne die Besteuerung als Hebel dienen. "Außerdem muss die Wegwerfmentalität endlich ein Ende haben. Klimaschutz ist immer auch Umweltschutz und es gibt da viele Entwicklungen, die in die richtige Richtung gehen, etwa bei der Verbreitung von Plastiktüten, aber es reicht nicht. Wir müssen uns trauen diese Dinge neu zu denken und alte Ideen wie das Pfandsystem auszuweiten und zu verbessern", sagt Jan-Niklas.

Allein bei den globalen Themen will man am kommenden Freitag nicht bleiben, sondern auch vor Ort sehen, wie ein umweltfreundlicheres Nordhausen aussehen könnte. Vielfach dürften die Jungen bei manch "Alten" da offene Türen einrennen: auf der Agenda der Schülerinnen und Schüler steht die Ablehnung der Neuverritzung im Südharzer Gipskarst genauso wie der Ausbau der Radwege, des klimaneutralen Verkehrs und des ÖPNV. "Wenn ich mit der Straßenbahn für drei Haltestellen 1,70 Euro zahle, dann ist das einfach zu teuer, da kann die Bahn mit dem Auto nicht mithalten. Mehr als ein Euro sollte es nicht sein. Außerdem müssten die Taktzeiten am Wochenende erhöht werden.", meint Straßenbahnenthusiast Hendrik, man könne auch die Linie 10 voll elektrifizieren und dafür sorgen das die Straßenbahn mit Ökostrom aus der Region laufe. "Über so etwas muss gemeinsam nachgedacht werden, es kann nicht sein das solche Diskussionen schon im Vorfeld von einer Seite abgelehnt werden.", sagt der Schüler.

Negatives im Netz, positives "iRL"

Das alles, die globale Idee vom Einstehen für die Zukunft und das Engagement vor der eigenen Haustür, hat schnell viel Anklang gefunden, weit mehr als die Schüler erwartet hatten. "Wir haben diese WhatsApp-Gruppe aufgemacht, mit freiem Zugang und dachten da kommen vielleicht 20 Leute rein. Nach zwei Stunden waren es 40 und noch ein paar Stunden später 80, dann 100. Wir mussten das dann mehr moderieren und den freien Zugang schließen weil sich leider auch ein paar Trolle unter die Leute gemischt hatten und ein paar sehr unschöne Sachen geschrieben haben, aber insgesamt hat uns das große Interesse voll überrascht.", erzählt Jan-Niklas. Interessante Erfahrungen habe man auch online machen dürfen, während man gerade auf Facebook viele negative Kommentare bekommen hätte, habe man von den meisten Leuten, mit denen man "in der Realität" gesprochen habe, positive Resonanz zum Anliegen und ihrem Engagement erhalten.

Jugendliche könnten sich sehr wohl für Politik interessieren und sich auch fundiert dazu äußern, meinen die Schüler. "Uns betrifft die Zukunft noch am länsten und wir sollten ein Mitspracherecht haben, wenn es darum geht wie sie gestaltet wird, politisches Engagement ist nicht altersabhängig", meint Josefine, das Wahlrecht ab 16 Jahren sei ein Weg dem mehr Gewicht zu verleihen, allein bei den Kommunalwahlen wählen zu dürfen reiche aber noch nicht.

Protestieren statt pauken

Der kommenden Freitag ist an vielen Nordhäuser Schulen ein freier Brückentag, an dem der Unterricht ohnehin ausfällt. Einem allgemeinen Kritikpunkt können die Schülerdemonstranten so umschiffen, aber man will nicht davon absehen, auch in der regulären Schulzeit zu demonstrieren. "Wir halten es da mit Greta Thunberg: "Warum für eine Zukunft lernen, die es so nicht mehr geben wird", sagt Jan-Niklas, man werde auch an anderen Freitagen zur Demonstrationen aufrufen, diese dann aber möglichst so gestalten, das nicht mehr als ein oder zwei Schulstunden verloren gehen. "Das man bewusst die Schule ausfallen lässt, um von seinem demokratischen Recht Gebrauch zu machen, das baut auch einen gewissen Druck auf und zeigt das es uns ernst ist".

Darüber hinaus werde man versuchen sich auch anderweitig ins Gespräch zu bringen, etwa im Stadtrat oder dem Kreistag, in der Freizeit und am Wochenende, vielleicht mit einem gemeinsamen Frühjahrsputz und anderen Aktionen. Konkretes weiß man noch nicht, Ziel Nummer eins heißt erst einmal die Demonstration durchziehen.

"Egal was am Freitag herauskommt. Eines haben wir jetzt schon erreicht: ein ganzer Haufen Leute redet über den Klimawandel, die sich sonst nur selten oder nie damit befassen.", sagt Jan-Niklas. Mit knapp 100 Teilnehmern rechnen die jungen Klima-Revoluzzer mindestens, wenn es am Freitag um 13 Uhr auf dem Rathausplatz mit einer Kundgebung losgeht. Vielleicht werden es auch ein paar mehr. Das globale Interesse scheint in jedem Fall vorhanden zu sein und es gibt keinen Grund anzunehmen, das der Südharz hier eine Ausnahme bilden sollte.
Angelo Glashagel
Autor: red

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