nnz-online
Berichte aus den Hotspots der Artenvielfalt 18 und 19

Die Feuerflechte vor dem Aussterben retten

Dienstag, 12. März 2019, 06:47 Uhr
In englischsprachigen Ländern heißt sie „Scrambled-egg lichen“, also die Rührei-Flechte, die Botaniker gaben ihr den Namen Fulgensia fulgens (lat. Fulgens=hell) und auf Deutsch wird sie „Gewöhnliche Feuerflechte“ genannt. Sie ist damit wohl eine der ganz wenigen Flechten, die sich mit einer deutschen Bezeichnung schmücken können...

Feuerflechte (Foto: B. Schwarzberg) Feuerflechte (Foto: B. Schwarzberg) Die vom Aussterben bedrohte Gewöhnliche Feuerflechte, vor wenigen Tagen im Landkreis Nordhausen fotografiert. Noch ist sie Teil des "Hotspots 18 der Artenvielfalt".

Doch obwohl diese Worte durchaus ein auffälliges Aussehen suggerieren, übersieht man die Gewöhnliche Feuerflechte leicht. Kleine gelbe Flecken auf kargem, kalkhaltigem Boden, die sich wegen ihrer geringen Höhe gerade einmal mit den Fingerkuppen erfühlen lassen.

Immerhin: Fulgensia fulgens, die zu den Krustenflechten zählt, ist auffälliger, als viele andere Vertreter dieser großen Artengruppe, da sie sich, nicht selten steingrau oder braun, farblich oft ausgezeichnet ihrer Unterlage anpassen. Trotz ihrer Unscheinbarkeit sind Flechten ein biologisches und chemisches Wunderwerk, dem man ob seiner oft vorhandenen Fähigkeit, selbst extreme Bedingungen über Jahrhunderte zu überstehen, Demut zollen sollte.

Denn in Flechten sind Pilze und Grünalgen oder Cyanobakterien miteinander in Symbiose getreten; sie versorgen sich gegenseitig mit den Nähr- und Betriebsstoffen, die der jeweils andere Partner besser produzieren kann. Eine echte Lebensgemeinschaft also. Extreme Sonneneinstrahlung oder extreme Kälte, monatelange oder gar jahrelange Trockenheit, all dies können manche Arten problemlos überstehen.

Nicht überstehen können viele, meist sehr, sehr langsam wachsende Flechten jedoch menschgemachte Umweltbelastungen. In den Zeiten des (Schwefeldioxid-)sauren Regens während der 70er und 80er Jahre setzte ein regelrechtes Flechtensterben ein. Einige Arten haben sich davon wieder erholt.

Die an Gips-, Kalk oder Lössunterlage gebundene Feuerflechte jedoch hat davon nicht profitiert. Sie gehört zu den lang- und auch kurzfristig stark zurückgehenden Arten. Mittlerweile ist sie so selten geworden, dass sie in der aktuellen Roten Liste der gefährdeten Flechten Deutschlands in der Kategorie 1 (vom Aussterben bedroht) geführt wird. In Thüringen gilt sie noch als stark gefährdet, was leider auch für die meisten ihrer Begleiter, gern zusammengefasst als „Bunten Erdflechten“, zutrifft.

Bunte Erdflechengesellschaft (Foto: B. Schwarzberg) Bunte Erdflechengesellschaft (Foto: B. Schwarzberg) Ein Stück "Bunte Erdflechtengesellschfaft". Sie prägte einst viele kleine Lücken in unseren Halbtrocken- und Trockenrasen. Heute sind diese großflächig verschwunden.

Dass sie von der Bryologisch-lichenologische Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa 2011 sogar zur Flechte des Jahres erklärt wurde, hat ihren Rückgang bisher nicht gebremst: Die Vernichtung kleinflächiger Sonderstandorte durch eine zunehmend uniforme Nutzung der Landschaft, insbesondere aber der sich fortsetzende Verlust wärme- und trockenheitsbegünstigte, magerer Rasengesellschaften, auch genannt Trocken- und Halbtrockenrasen, setzen ihren letzten Beständen zu. Auch im Landkreis Nordhausen gingen viele magere und lückige Trocken- und Halbtrockenrasen durch Verbuschung, Aufforstung, fehlende oder zu intensive Bewirtschaftung verloren. Hinzu kommt der enorme Eintrag von Stickoxiden und Nitraten über die Luft und das Regenwasser. Die Quellen, Verbrennungsprozesse und Landwirtschaft, sind bekannt.

Durch die so herbeigeführte permanente Düngung werden höhere, schattengebende Pflanzenarten gefördert und die konkurrenzschwachen Erdflechten indirekt oder auch direkt durch die Schadstoffe, vernichtet.

Mitunter gesellt sich auch noch ein nicht immer artenschutzgerechtes Beweidungsregime hinzu, selbst in Naturschutzgebieten: Ein einziger Kuhfladen oder auch große Ansammlungen von Schafkot durch Koppelhaltung können in kürzester Zeit ganze Erdflechtenbestände vernichten.

Die deutschlandweit vom Aussterben bedrohte Fulgensia fulgens hat im Raum Nordhausen tatsächlich noch mindestens einen Wuchsort, vielleicht zwei Wuchsorte. Ein Flechtenexperte hat die Identität der Art für eine Fundstelle jüngst bestätigt. Alle beide liegen sie auf Flächen, die von Mitstreitern des BUND-Kreisverbandes Nordhausen bei entsprechenden Einsätzen gemäht bzw. entbuscht werden, an einem Wuchsort geschieht dies im Anschluss an eine kurzzeitige Rinderbeweidung. Durch die Mahd konnte die für die Feuerflechte lebensnotwendige Magerkeit und Lückigkeit bisher erhalten, ja sogar verbessert werden. Rinderbeweidung und Mahd ergänzen sich in diesem Sinne gut.

Recht wahrscheinlich wäre zumindest einer der beiden Feuerflechtenbestände ohne die zusätzliche Mahd nicht mehr existent. Glücklicherweise haben die Rinder hier bisher auch keine potenziell tödlichen Kuhfladen abgesetzt. Bei stärkerer Hangneigung, wie in diesem Fall gegeben, ist diese Gefahr auch etwas geringer.

Extensive Schafbeweidung hingegen ist kein Problem: Im Gegenteil: über derartige Flächen getriebene Schafe schaffen viele erdflechtengenehme kleine Bodenverwundungen.

In engem Kontakt mit der Unteren Naturschutzbehörde, dem besonders dem Hotspot 18 verpflichteten Landschaftspflegeverband, den Pächtern und Flechtenspezialisten werden wir vom BUND-Kreisverband versuchen, eine Lösung zu erreichen, die die Gefahr der Zerstörung der beiden eventuell sogar letzten Feuerflechtenbestände im Raum Nordhausen verringern können. Dies trifft insbesondere auf einen Bestand im Naturschutzgebiet Alter Stolberg zu.

Dies wäre ganz im Sinne vieler Regelungen und Beschlüsse, die sich, in Deutschland leider nicht immer wirksam umgesetzt, auch der Erhaltung der letzten Reste unserer regionalen Biodiversität, widmen.
Bodo Schwarzberg
Autor: red

Drucken ...
Alle Texte, Bilder und Grafiken dieser Web-Site unterliegen dem Urherberrechtsschutz.
© 2021 nnz-online.de