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Kino im Jahr 2019

Geht eine Ära dem Ende entgegen?

Dienstag, 12. Februar 2019, 10:56 Uhr
Also: prickelnd ist das Angebot des Nordhäuser Lichtspieltheaters in diesen Tagen nicht gerade. Aber: das ist Geschmackssache. Doch: die Kino-Giganten am deutschen Flimmer-Himmel haben Probleme, die haus- und zeitgemacht sind...

Stehen die Kino-Ampel tatsächlich auf Rot? (Foto: nnz) Stehen die Kino-Ampel tatsächlich auf Rot? (Foto: nnz)
Schaut man sich online das heutige Programm des Nordhäuser Filmtheaters an, dann kann der geneigte Besucher aus neun Filmen wählen. Es reicht von "Immenhof" über "Plötzlich Familie" bis hin zu vier animierten Streifen und in der vierten Woche den Thriller "Glass".

Wer heute Abend zur 19.45 Uhr-Vorstellung sich "Glass" ansehen will, der hat (Stand 9 Uhr) noch jede Platzwahl. Fast jede, denn immerhin sind bereits 10 Plätze im Kino mit der Nummer 1 vergeben. Wenn heute also Papa oder Mamma, Freund oder Freundin sich den Genuss einer Comic-Verfilmung ansehen wollen, dann müssen sie für den "guten" Platz knapp 20 Euro hinblättern. Doch meist bleibt es dabei nicht, da ein Getränk und Popcorn in beliebiger Größe meist zum Kino-Muss dazu gehören. Es kommen also mindestens 30 Euro für das Paar zusammen.

In wenigen Tagen wird das Teil bei Amazon zu sehen sein. Kostenpunkt 11.95 Euro. Und das Muster-Paar kann dann für rund 12 Euro Freunde, Bekannte zum gemein- oder zweisamen Kinogenuss einladen. Getränke und Knusperverpflegung werden beim Discounter eingekauft. Keine Fahrt mit Auto oder ÖPNV, keine Menschen in den Nachbarsesseln, die sich vielleicht nicht so benehmen, wie es beim Gemeinschaftssehen sein sollte.

Für mich - also immer schön subjektiv betrachtet - fällt da die Wahl leicht. Ich habe mich schon vor langer Zeit für Prime entschieden. Nicht etwa, weil ich immer mit dem Zeit- oder anderen Geistern im Gleichschritt marschieren will, nein, weil es zu mir, zu meiner Familie, vielleicht zur Einteilung des Tages passt. Wenn ich Bock auf Kino habe, dann ist Prime das passende Angebot oder irgendeine öffentlich-rechtliche Mediathek. Wann und wo ich will.

Klar, dass passt der Kino-Branche nicht in den Kram und die hat jetzt - eben passend zur Berlinale - den Erzfind wieder mal in die Öffentlichkeit gezerrt. Netflix. Der Gigant von "übern großen Teich" erdreistet sich, Filme, die er selbst produziert hat, eine Woche nach dem Kinostart in das eigene Programm zu nehmen. "Roma" zum Beispiel.

Bislang gab und gibt es vielleicht für die Kinobetreiber ein viermonatiges Erstverwertungsrecht von Neuerscheinungen auf dem Markt. Erst dann konnten die Streamingdienste zulangen. Dieses Recht stammt aus den Zeiten, da es vermutlich noch kein Internet gab. Trotz aller Kino-Proteste zum Trotz, Internet gibt es nunmal und das wird auch nicht mehr verschwinden.

Netzflix und Co. sind nicht nur deshalb so erfolgreich, weil sie Investoren hinter sich wissen, die sich die PR für "Roma" bei den Filmfestspielen in Venedig einen zweitstelligen Millionen-Betrag kosten ließen, sondern weil es die Nutzer, auch die einstigen Kino-Gänger so annehmen. Sei es aus Zeitgründen, aus Faulheit oder...

Nun sehen die deutschen Filmtheater den "Kulturort" Kino gefährdet und schreiben der Kulturstaatssekretärin Monika Grütters. Es sind wohl eher die Umsätze und die zurückgehenden Besucherzahlen, die den Eignern Angst und Bange machen. Es ist vermutlich auch der Blick in die Zukunft von Streaming und Kino. Und damit der Blick auf die Alterstruktur der Kinogänger. Laut Statista lag der Anteil der Altersgruppe zwischen 15 und 29 Jahre 2012 bei 11 Prozent, der Altersgruppe zwischen 20 und 24 Jahre bei 12 Prozent. Nur fünf Jahre später sank dieser auf neun beziehungsweise auf acht Prozent. Gestiegen ist der Anteil der Generation 60+.

Wenn sich die Branche vor allem in Richtung der beiden jüngeren Altersgruppen nichts einfallen lässt, dann wird das Problem für die Kino-Giganten vermutlich nicht kleiner. Dass sie über ihre Lobby laut auf die Situation aufmerksam machen, ist ihr gutes Recht. Nur: wer hat sich darüber beklagt, dass es nahezu keine Videotheken mehr gibt...
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

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