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Nationales Naturmonument für die Nachwelt

Grünes Band entlang des Todesstreifens

Sonnabend, 12. Januar 2019, 09:10 Uhr
Am Landkreis Nordhausen verliefen vor der Wiedervereinigung 36 km der früheren innerdeutschen Grenze. Während des Kalten Krieges zwischen Ost und West durchschnitt der Eiserne Vorhang auf knapp 1 400 km Länge das geteilte Deutschland. Vor der Wende ein Todesstreifen, seither eine grüne Lebensader...

Der ehemalige Verlauf der innerdeutschen Grenze von der Thüringer Warte gesehen, zu erkennen als helleres Laubwaldband (Foto: Martin Geisler) Der ehemalige Verlauf der innerdeutschen Grenze von der Thüringer Warte gesehen, zu erkennen als helleres Laubwaldband (Foto: Martin Geisler) Der ehemalige Verlauf der innerdeutschen Grenze von der Thüringer Warte gesehen, zu erkennen als helleres Laubwaldband

„Das Grüne Band ist ein Symbol für ein geeintes, zusammenwachsendes Europa“, erklärte Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne), als sie im vorigen Sommer auf einem Teilabschnitt wanderte. „Wir wollen daran erinnern, was einst hier geschah und zugleich den europaweit einzigartigen Biotop-Verbundcharakter der Landschaft erhalten. Die Biotope sind die Perlen, und der Kolonnenweg (der ehemaligen Grenztruppen der DDR die Red.) ist die Schnur, die sie verbindet.“

Es war am 26. Mai 1952, als die sowjetische Besatzungsmacht in Mitteldeutschland die vormalige Zonengrenze zur Bundesrepublik abriegelte. Die Volkspolizei der DDR richtete am folgenden Tage eine fünf km breite Sperrzone ein, und kurz darauf begann die Zwangsaussiedlung von Bewohnern dieses Grenzbereichs. „Aktion Ungeziefer“ – diesen menschenverachtenden Vermerk schrieb der damalige Thüringer Innenminister (SED) auf eine Namensliste.

Heute wuchert Gras und Ginster entlang des einstigen Todesstreifens, stehen Haselnussbüsche sowie Buchen und Eichen an der Grenze zwischen Thüringen und Niedersachsen. Auf Thüringen entfällt mit 763 km die längste Strecke der früheren Trennlinie zwischen den Großmächten USA und Sowjetunion.

Die Landesregierung in Erfurt geht jetzt daran, den Grenzstreifen als Nationalles Naturmonument zu schützen. Der Bundestag hatte 2010 beschlossen, solche Reservate im Einklang von Natur, Geschichte und Kultur zu schaffen. Bald 30 Jahre nach der Grenzöffnung verschwindet stellenweise der Kolonnenweg aus Betonplatten. „Wenn wir noch zehn Jahre warten, werden wir dem Weg nicht mehr folgen können“, gab Anja Siegesmund zu bedenken.

Das Vorhaben Nationales Naturmonument betrifft 88 Kommunen sowie zahlreiche Privateigentümer. Der Bund bringt dazu 6 500 Hektar Fläche ein. Auf dem Kutschenberg im Eichsfeld steht nun ein „West-Östliches Tor“, das Michael Gorbatschow als Schirmherr für das Grüne Band im Jahre 2002 einweihte. „Das Grüne Band ist kein steinerner Zeigefinger, sondern ein lebendes Monument“, erklärte Burkhard Vogel vom Thüringer Bund für Umwelt und Naturschutz. „Es ist wichtig, dass diese Lebenslinie nicht zerreißt.“

Die Verbindung verschiedener Biotope mit Resten der alten Grenzbefestigungen sollten für die Nachwelt erhalten bleiben. „Ich bin kein Verfechter des Käseglocken-Naturschutzes“, beschwichtigte Siegesmund private wie kommunale Eigentümer, „Sie alle haben Bestandschutz.“

Schon Ende 1989 wurde damit begonnen, die Grenzanlagen der DDR zu beseitigen. „Alle wollten nur, dass das endlich verschwindet“, erinnert sich Stefan Heuckeroth-Hartmann. Mit Mitstreitern erwarb er für mehrere tausend DM einen Grenzturm, ein Stück Zaun, Schlagbaum und Schilder sowie Armeefahrzeuge der Grenztruppen. Heute befinden manchmal Besucher: „Na, so schlimm kann es doch nicht gewesen sein.“ Aber Bewohner des Grenzgebietes hätten noch Jahre vor Minen Angst gehabt.

Unterdessen warnt der Ellricher Bürgerneister Henry Pasenow (CDU): „Wir müssen prüfen, ob die Veränderungsgebote im neuen Gesetz mit der Praxis in der Forstwirtschaft in Einklang zu bringen sind.“ Im Bereich des Grünen Bandes dürfen keine neuen Baumarten gepflanzt werden. „Wir wollen einen gesunden Mischwald. Dazu gehören auch neuere Arten wie Douglasie und Weißtanne.“ Flachwurzler wie die Tanne würden bei starken Stürmen einfach umgeworfen. Das treffe auch auf den Ellricher Stadtwald zu. Bildquelle: Geisler Martin [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], von Wikimedia Commons
Martin Roland
Autor: red

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