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Ende des Naturgipsabbaus?

Sonntag, 18. November 2018, 08:41 Uhr
Zu den Beiträgen von Dr. Christian Marx und Wolfgang Jörgens gibt es eine weitere Wortmeldung im Forum dieser Zeitung...


Das ist die Frage: Wenn die Marktwirtschaft "selbst bei der Gefahr des Galgens" (laut Herrn Jörgens nach Karl Marx) weiter so macht, wie bisher, so werden wir alle dafür büßen, das heißt, die Marktwirtschaft, so wie wir sie kennen, muss die Verantwortung für Millionenfache Not und Millionenfachen Tod durch die Zerstörung der Grundlagen des Lebens auf der Erde übernehmen.

Das haben wir in der "Politischen Ökonomie des Kapitalismus" vor 1990 gelernt, Engels beschrieb die langfristigen Folgen des Raubbaus treffend kurz in seiner berühmten Arbeit "Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen", und wir finden das von ihm Ausgesagte überall bestätigt.

Wir wissen auch alle, dass sich der heutige materielle Wohlstand von uns Wenigen auf der Basis dieses weltweiten Raubbaus nicht aufrechterhalten lässt. Schon heute verbraucht die Menschheit pro Jahr eineinhalbmal so viel an Ressourcen, wie die irdischen Ökosysteme regenerieren können. Wir sehen die Folgen. Aber die Politik tut nichts, um ihre Untertanen vom Irrglauben des "Immer weiter so" abzubringen.

Der Rückzug zumindest der naturgipsabbauenden und -verarbeitenden Form der Gipsindustrie aus unserer Region könnte ein regionales Beispiel für den Erhaltungswillen der menschlichen Gesellschaft sein. Denn nur dann, wenn es der gesellschaftlichen Mehrheit gelingt, jede zumindest zerstörerische "Inwertsetzung" von natürlichen Ressourcen im Sinne der derzeit agierenden Wirtschaft zu verhindern, hat die Menschheit eine Chance, zu überleben. Das wissen wir nicht erst durch den Club of Rome oder durch Stephen Hawkins.

In diesem Sinne hat die Diskussion um den Regionalplanentwurf eine sehr zukunftsträchtige und weit überregionale, zeitgemäße Dimension.

Natürlich müsste der Gipswirtschaft im Falle einer mittelfristigen Aufgabe des Gipsabbaus bei uns, gerade auf Grund des eben Geschriebenen, genau auf die Finger geschaut werden: Es ist niemandem geholfen, wenn sie ihre Abbautätigkeit hernach in bettelarme Entwicklungsländer verlagert (im Spiegel drohte der Chef einer regionalen Gipsfirma damit) und ihre Naturzerstörungen dort anrichtet. Der globale Anspruch der modernen Zeit erfordert es in allen Ländern, Zerstörungen naturnaher Landschaften zu verhindern. Das ist eine Form von Entwicklungshilfe, die letztlich uns allen zugute kommt.

Spinnen wir diesen Faden aber weiter, so stoßen wir auf die Frage nach unseren ureigensten Ansprüchen: Sind wir im "Extremfall" bereit, auf etwas Materielles zugunsten der Erhaltung unserer Lebensgrundlagen, und damit von uns selbst, zu verzichten? Zum Beispiel auf Gipskartonplatten aus Naturgips?

Wie Dr. C. Marx in seinem jüngsten Beitrag sinngemäß kritisierte: Die Gipsindustrie ist am Zuge, wenn sie dauerhaft zu uns gehören will: Sie muss beweisen, dass das abgedroschene Wort Nachhaltigkeit von ihr umgesetzt wird. Ansonsten scheinen ihr die gern vorgeschobenen Arbeitsplätze möglicherweise doch nicht so viel zu bedeuten.

An derartigen Fragen, die sich in der "Puppenstube" Landkreis Nordhausen gerade stellen, und die von renommierten Zukunftsforschern in ähnlicher Weise für den gesamten Planeten immer wieder gestellt werden, wird sich (spätestens!) in den nächsten fünf bis zehn Jahren entscheiden, ob wir als Homo sapiens doch noch eine Weile überleben könnten und mit uns Millionen Tier- und Pflanzenarten zwischen Hochgebirge und Tiefsee.
Bodo Schwarzberg
Anmerkung der Redaktion:
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Autor: red

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