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SEIN ERSTER PATIENT WAR EINE KATZE

Der Doktor und die vielen Tiere

Sonntag, 23. September 2018, 08:00 Uhr
Dr. Martin Glatz erinnert sich: Es war der 1. Februar 2002. Voller Erwartung betrat er die Praxis. Was werde ihm dort, an seinem ersten Arbeitstag, erwarten? Was werde man ihm an Patienten bringen? Welche Behandlungen würden es werden? Diese Gedanken gingen dem jungen Veterinärmediziner durch den Kopf...

Dr. Martin Glatz (Foto: Kurt Frank) Dr. Martin Glatz (Foto: Kurt Frank) Zu seinen Patienten gehören zahlreich Hunde und Katzen, sagt Dr. Martin Glatz und zeigt auf eine Informationstafel.

Nordhausen. Dann brachte man ihm seinen ersten Patienten: eine Katze. Ein Verband war zu wechseln. Er habe mit einer dafür ungeeigneten Schere hantiert, was eine leichte Verletzung des Tieres zur Folge hatte. Um eine Erfahrung klüger geworden, sei ihm das seitdem nicht mehr passiert.

Gelernt hat Martin Glatz Sattler. Nach der Wende sah er für diesen Beruf keine Zukunft mehr. Er sattelte um. Seine Entscheidung, Tiermedizin zu studieren, beflügelte ein bekannter und beliebter Tierarzt: sein Vater. Heute ist für Dr. Martin Glatz in seiner Praxis am August-Bebel-Platz kein Tag wie der andere. Hunde verschiedener Arten und Größen, Katzen, Meerschweinchen, Hamster, Reptilien, Igel, Kaninchen, Wellensittiche und andere Gefiederten – bunt wie das Laub im Herbst sind seine Patienten.

An die 30 zu behandelnden Fälle sind es Tag für Tag in seiner Praxis: Chirurgische Eingriffe, Kastrationen, gebrochene Gliedmaßen richten und schienen, neuen Verband anlegen, Zahnsteine entfernen, Impfungen, Notfälle. Vor Überraschungen sind der Arzt und sein Team nicht sicher. Verletzte Verkehrsopfer, ob Hund oder Stubentiger, die Hilfe benötigen und in die Praxis gebracht werden. Oder ein noch flugunfähiger Vogel, der aus dem Nest fiel.

Die Diagnostik eines Tierarztes ähnelte der in der Humanmedizin. Moderne technische Geräte stehen zur Verfügung. 60 Prozent seiner tierischen Patienten machten kleinere Vierbeiner aus. Überwiegend Hunde und Katzen. Aber auch Pferde, Kühe und Schafe behandelt der Doktor. Dann fährt er übers Land, um zu schauen, was ihnen fehlt. Bei bestimmten Erkrankungen oder notwendigen Operationen, die er selbst nicht durchführen kann, rät er zu einer Überweisung in eine Tierklinik.

Die Therapie des Tieres gehe über den jeweiligen Besitzer, betont Tierarzt Glatz. Von ihm hänge die Art der Behandlung ab. Nicht alle Zweibeiner, die mit ihren Schützlingen in seine Praxis kämen, seien pflegeleicht. So lehne schon mal der eine oder andere eine empfohlene Behandlung ab. Überwiegend aus Kostengründen.

Dann werde überlegt und beraten, wie zu verfahren ist, um das Leid des Tieres zu lindern und sein weiteres Leben auch mit eingeschränkter Therapie erträglich zu halten. Helfe alle medizinische Kunst nicht mehr, sei es ratsam, den Vierbeiner einzuschläfern, um dem Tier quälende Schmerzen zu ersparen. In diesem Fall kullerten dann auch Tränen bei Herrschen oder Frauchen.

Was er an seinem Beruf liebe und ihn freue? Wie aus der Pistole geschossen die Antwort: Die Vielseitigkeit. Der Umgang mit Menschen und Tieren. Die Kommunikation. Auch mit dem Tier. Ruhe und Souveränität ihm gegenüber sei für eine Behandlung unerlässlich. Er freue sich über jede erfolgreiche Behandlung. Als Tierarzt stehe er in der Pflicht, sich Tag für Tag um die Gesundheit eines Tieres intensiv zu bemühen. 14 bis 16 Stunden tägliche Arbeitszeit wären die Regel.

Alles in Butter? Das wäre zu schön, sagt er. Die Bürokratie nehme ungeahnte Ausmaße an: Tierärztliche Hausapothekenverordnung, Strahlenschutzordnung, Gesundheits- und Brandschutzordnung, Datenschutzgrundverordnung. Es wimmele nur so von Verordnungen. Wenn seine Frau sich nicht mit um die Buchhaltung kümmern würde, wäre der Aufwand nicht zu schaffen. Zu Zeiten seines Vaters sei das alles noch viel einfacher gewesen.

Dennoch sei er mit Herz und Leidenschaft Tierarzt. Das werde auch so bleiben. Trotz eines so langen Arbeitstages. Trotz nächtlicher Anrufe. Er würde, stünde er vor der Wahl, diesen Beruf wieder wählen. Ob alle seine Kollegen dieser Meinung in einer ausuferten Bürokratie sind, da hab er so seine Zweifel.
Kurt Frank
Autor: red

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