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Neues aus dem Geschichts- und Altertumsverein

Die Geschichte eines Tunnels

Mittwoch, 11. Juli 2018, 06:47 Uhr
Im nächsten Jahr wird die Eisenbahnstrecke Northeim – Nordhausen bereits 150 Jahre alt. Im Vorfeld der geplanten Jubiläumsfeierlichkeiten 2019 hatten sich die Nordhäuser Geschichtsfreunde Michael Reinboth aus Walkenried eingeladen. Er gilt als profunder Kenner der Eisenbahngeschichte im Südharz. Mit im „Gepäck“ hatte er an diesem Abend einen spannenden Vortrag…

Interessierte Zuhörer (Foto: Hans-Georg Backhaus) Interessierte Zuhörer (Foto: Hans-Georg Backhaus)
„150 Jahre Walkenrieder Tunnel und die Entdeckung der Himmelreichhöhle“ - so lautete der Titel seiner mit zahlreichen historischen Aufnahmen untersetzten und über weite Strecken amüsant vorgetragenen Ausführungen. Der Bau der besagten Eisenbahnlinie war bereits voll im Gange, als in der Phase des Tunnelbaus zwischen Ellrich und Walkenried eine Höhle gewaltigen Ausmaßes entdeckt wurde.

Arbeiter waren nämlich beim Durchstoßen des Gipsmassivs in einen bis dahin nicht bekannten gewaltigen Hohlraum vorgedrungen. Eine riesenhafte Höhle war aufgeschlossen worden. Das war genau am 10. Juli 1868. Alsbald erhielt sie die Bezeichnung „Himmelreichhöhle“ und ist Deutschlands größte bekannte Gipshöhle.

Anfangs erhoffte man sich sowohl von der Ellricher wie auch von der Walkenrieder Seite einen boomenden Tourismus, träumten die Verantwortlichen doch von einer Schauhöhle. Doch diese Träume zerplatzten alsbald, denn sie war dafür aus unterschiedlichen Gründen nicht geeignet. Die Höhle bildet eine riesige Halle von etwa 170 Meter Länge, ist um die 80 Meter breit und ihre Höhe misst zwischen 15 und 35 Meter.

Das besondere an der Himmelreichhöhle ist, dass seit 1869 ein 268 Meter langer Eisenbahntunnel die Höhle durchquert und dass permanent eine Umwandlung von Anhydrit in Gips stattfindet. Mitunter hat das zur Folge, dass von der Decke immer mal wieder auch größere – teils tonnenschwere – Gesteinsbrocken herabstürzen. Aus diesem Grunde ist das Betreten der Höhle lebensgefährlich. Kurz nach Entdeckung der Höhle kam es beim Weiterbau des Tunnels zu einem schweren Unglück, bei dem drei Arbeiter ihr Leben verloren und weitere teils schwer verletzt wurden.

Nach Inbetriebnahme des Eisenbahntunnels 1869 kam es immer wieder zu Problemen, u.a. bedingt durch Wassereinbrüche und Wegbrechen von Gleisanlagen. Dem wurde schließlich durch den Vortrieb eines Entwässerungsstollens Einhalt geboten, sodass künftig die Züge den Tunnel gefahrlos durchqueren konnten.

Früher war es die Deutsche Bundesbahn, heute ist es die Deutsche Bahn AG, die in bestimmten Abständen Inspektionen unternimmt, um möglichen Gefahren rechtzeitig entgegenwirken zu können. Immerhin funktioniert bis heute auch das System Itelteich – unterirdischer Bachhlauf – Pontelteich.

Am Ende seines Vortrages machte Michael Reinboth noch auf ein Kuriosum der Deutschen Bahn aufmerksam. Die Initiative „Höchste Eisenbahnahn“, in der er aktiv mitarbeitet, konnte nach langem Kampf erreichen, dass demnächst ab Bahnhof Walkenried bereits um 5 Uhr morgens ein Zug für Pendler nach Göttingen fährt, damit diese pünktlich zur Arbeit kommen. Dieser Zug wird aber in Nordhausen eingesetzt, fährt in der Rolandstadt um 4.30 Uhr ab – darf aber von Thüringer Fahrgästen nicht benutzt werden!

Das kommt daher, weil der Regionalverkehr von den Bundesländern bestellt wird, Thüringen aber in diesem Fall nicht mitmacht. Da fallen vor fast drei Jahrzehnten Mauer und Stacheldraht – und insgeheim werden heute neue Grenzen gezogen. Nur dass diesmal Verantwortliche in den Bundesländern für derlei „Grenzziehung“ sorgen...

Beim nächsten Vereinsabend am 14. August haben die Geschichtsfreunde Benjamin Rudolph aus Erfurt zu Gast. Er referiert zum Thema “Die Stadtmauer in Nordhausen“. Veranstaltungsort ist wieder der Nordhäuser Tabakspeicher. Der Vereinsabend beginnt zur gewohnten Zeit um 19.30 Uhr. Gäste sind sehr willkommen und der Eintritt ist frei.
Hans-Georg Backhaus
Autor: red

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