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Schöpfer des Neptunbrunnens

Der Bildhauer Ernst Rietschel und Nordhausen

Sonntag, 01. Juli 2018, 15:53 Uhr
Vor 190 Jahren, am 2. Juli 1828, wurde die große Figur eines aus Eisenguss bestehenden Neptuns in das Becken einer alten Wasserkunst von 1699 vor der nördlichen Häuserfront des Kornmarktes aufgestellt. Mit ihrem Schöpfer und seinem Wirken in Nordhausen hat sich Heidelore Kneffel ausgiebig befasst...

Sie zeigt sich in einer imposanten Höhe von 2,67 m. Die Bürgerinnen und Bürger haben allen Grund, sich diesem Meeresgott gewogen zu fühlen. Er wirkt in Größe und Form einladend und ist das Erstlingswerk eines jungen Mannes, dessen große Karriere als Bildhauer damals allerdings noch in den Sternen stand, Ernst Friedrich August Rietschel. Wir besitzen in Nordhausen ein Bild des Künstlers Wilhelm Eichler, 1801-1872, von 1828/32 als erste Darstellung des neuen Brunnens. Das Kunstwerk wird im stadtgeschichtlichen Museum Flohburg in der Dauerausstellung gezeigt.

W. Eichler, „Der Kornmarkt zu Nordhausen“, Reproduktion M. Veit (Foto: Heidelore Kneffel) W. Eichler, „Der Kornmarkt zu Nordhausen“, Reproduktion M. Veit (Foto: Heidelore Kneffel)

W. Eichler, „Der Kornmarkt zu Nordhausen“, Reproduktion M. Veit

Wie kam es dazu, dass dieses imposante Kunstwerk von Dresden in die Kleinstadt Nordhausen kam? Das ist einem Nordhäuser Bürger zu verdanken - auf der Widmungstafel des Brunnens steht „C.C.A. Bötticher seiner Vaterstadt 1828.“ Dahinter verbirgt sich Christian Carl August Bötticher. In seiner Todesanzeige von 1824 steht, das er ein „ Oeconom und Brennberechtigter“ war und 64 Jahre wurde. Im Testament verfügte er, dass seine Erbin „zu einer in der Wasserkunst auf dem hiesigen Kornmarkte zu errichtenden Statue 500 Rthlr.... an die Kämmerei des hiesigen Wohllöblichen Magistrats zahlen“ sollte. Er wünschte sich den Meeresgott Neptun.

Von Rietschel sind Jugenderinnerungen überliefert, in denen er auch über die Herstellung des Neptuns anschaulich berichtet: „Ich hatte beinah ein Jahr mit dieser trostlosen Arbeit zugebracht, die ich wie einen Sisyphusstein immer von Neuem wälzen mußte...“ Das klingt ja nicht gerade euphorisch. Bevor wir das Geheimnis dieser Äußerung lüften, wollen wir diesen Künstler in gebotener Kürze vorstellen.

Selbstbildnis des jungen Erns Rietschel, Rietschel Archiv Remscheid  (Foto: Heidelore Kneffel) Selbstbildnis des jungen Erns Rietschel, Rietschel Archiv Remscheid (Foto: Heidelore Kneffel)

Selbstbildnis des jungen Erns Rietschel, Rietschel Archiv Remscheid

Geboren wurde er am 15.12.1804 in der Lebkuchenstadt Pulsnitz in Sachsen. Seit 1820 studierte der Jüngling an der Königlichen Kunstakademie in Dresden. Seine künstlerische Begabung war deutlich erkennbar, sodass der sächsische Minister Detlev Graf von Einsiedel ihm 1823 anbot, auf seine Kosten die Bildhauerei zu erlernen und dann als Modelleur für sein Eisenwerk in Lauchhammer tätig zu sein. So begann der junge Mann eine Grundausbildung bei dem Hofbildhauer Franz Pettrich, der allerdings mit Großplastiken keine Erfahrung besaß.

Den Auftrag für die Nordhäuser Statue des antiken Meeresgottes bekam er 1825 aus Lauchhammer, veranlasst durch den Magistrat von Nordhausen, 1826 entstand das Gipsmodells des Neptuns, das in Dresden die Schrecken des 2. Weltkrieges überstand und sich sich in der Abguss-Sammlung des Albertinums befindet. Zwei antike Poseidonskulpturen in den Dresdner Kunstsammlungen sind es gewesen, die Rietschel als Vorbild für seine Brunnenfigur gedient haben. Der wurde nach der unter Schwierigkeiten beendeten Figur des Wassergottes Anfang November 1826 Schüler des berühmten Bildhauers Christian Daniel Rauch in Berlin. 1832 wurde er zum Professor für Bildhauerei an die Kunstakademie in Dresden berufen und sein Ruhmeszug als Bildhauer nahm seinen Lauf. Auf der Brühlschen Terrasse in Dresden, dort, wo einst sein Atelier war, steht sein Denkmal, geschaffen von seinem Schüler Johannes Schilling.

Wie erging es dem Neptun in Nordhausen? 1893 bekam der ein polygonales Becken, wurde um 90 Grad gedreht und an die Nordwestseite vor das Hotel „Römischer Kaiser“ versetzt.

Am 4. November 1935 wurde der Brunnen in die Promenade umgesetzt. Er müsse dem gesteigerten Verkehrsaufkommen weichen, so die Begründung des Magistrats.

Neptunbrunnen in der Promenade (Foto: Heidelore Kneffel) Neptunbrunnen in der Promenade (Foto: Heidelore Kneffel)

Neptunbrunnen in der Promenade, Foto Kneffel

1828, als der Neptun in der Wasserkunst in Nordhausen seinen Platz fand, besuchte der junge Bildhauer Weimar. Glückliche Umstände ergaben, dass er Goethe begegnete. Ein zweiter Besuch erfolgte 1829 mit seinem Lehrer Rauch. Des Dichters Person prägte sich Rietschel deutlich ein. Deshalb wirkt in der berühmten Doppelgruppe der Dichter vor dem Nationaltheater in Weimar, die 1857 enthüllt wurde und in aller Welt bekannt ist, Goethe realistischer dargestellt als Schiller.
Heidelore Kneffel
PS.: Zur Zeit ist das Haupt des Neptuns weiß, die Vögel lieben es.
Autor: red

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