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wie die Ebersburg aus dem Dornröschenschlaf erwachte

Lang lebe der König

Freitag, 27. April 2018, 14:30 Uhr
Vor knapp zwanzig Jahren wusste bis auf ein paar historisch Interessierte Zeitgenossen wohl die wenigsten auch nur von der Existenz der Ebersburg. Seitdem wurde das alte Gemäuer von einer Gruppe engagierter Mittelalterfreunde aus dem Dornrösschenschlaf geweckt und ist heute wieder ein beliebtes Ausflugsziel...

Hannelore und Wolfgang Müller, in Nordhausen besser bekannt als Heinrich und Mathilde (Foto: Angelo Glashagel) Hannelore und Wolfgang Müller, in Nordhausen besser bekannt als Heinrich und Mathilde (Foto: Angelo Glashagel)

Hannelore Müller erinnert sich noch wie sie in jungen Jahren einmal die Ebersburg über Hermannsacker erkundet hat. Damals war von der Anlage nicht viel zu sehen, wer bis zum Hauptturm vordringen wollte der musste sich durch allerlei Gestrüpp kämpfen, erzählt sie.

Frau Müller dürfte heute den meisten Nordhäusern als das Gesicht der Königin Mathilde bekannt sein, einer der beiden zentralen Gründerfiguren der Stadt. Die zweite ist König Heinrich I., genannt der "Vogler", erster "deutscher" König und Stammvater der Ottonen, der ersten Kaiser des alten Reiches. Gespielt wird der hohe Herr von "Mathildes" echtem Ehemann Wolfgang Müller. Auf Stadtfesten und zu passenden Anlässen ist das Königspaar mitsamt Gefolge inzwischen ein wohl bekannter Anblick. Und die alte Ebersburg ist heute so etwas wie ihre zweite Heimat geworden.

Wie die Existenz der kleinen Festung am Harzrand war die Geschichte um den Vogler, die Entstehung der Burg Nordhausen und um Mathilde und ihren "Damenstift" anno domini 1999 wohl nur Eingeweihten geläufig. Ein halbes Jahrhundert lang hatte war auf die ältere Vergangenheit nicht viel Wert gelegt worden.

Besuchermagnet Ebersburg, Kinderwalpurgis 2017 (Foto: Angelo Glashagel) Besuchermagnet Ebersburg, Kinderwalpurgis 2017 (Foto: Angelo Glashagel)

Ihren Besuch aus Jugendtagen hatte "Mathilde" lange vergessen, als sie Anfang der 2000er Jahre mit ein paar Gleichgesinnten im Schlepptau zurückkehrte. Aus dem sporadischen Hobby war da schon Berufung geworden. Den "Verein für lebendiges Mittelalter" hatte man noch 1999 gegründet, im Festumzug zum Rolandsfest hatte man auf sich Aufmerksam gemacht und eins führte zum anderen. Doch bald schon will man mehr tun als nur auf Mittelaltermärkten aufzutreten. "Fürs Spaß haben auch noch bezahlt werden, das war fantastisch. Aber wir haben uns gefragt, was von dem bleibt was wir tun. Wie können wir selbst Spuren im Sand der Zeit hinterlassen", erzählt Müller. An einem geselligen Abend kam schließlich die Idee auf doch selbst eine Burg zu übernehmen.

2006 erhielt man aus den Händen des damaligen Landrates Claus einen Nutzungsvertrag für die Ebersburg, eine Ruine um die sich niemand kümmerte und die keiner kannte. "Als wir das erste mal oben waren dachte ich "Oh mein Gott, das ist Arbeit für Generationen". Aber wir haben es dann einfach angepackt." Mit tatkräftiger Hilfe aus Herrmannsacker und mit der Unterstützung der Feuerwehr konnte man mehrere Bäume fällen, man brachte den Weg zur Festung wieder auf Vordermann, beräumte Steine und bald war die Sicht auf die Burg wieder frei.

Heute fließen fast alle Einnahmen des Vereins in die Burg und ihren Erhalt. An Ostern lädt man zur Eiersuche, im Herbst wartet die magische Feenwanderung im nächtlichen Wald und kurz vor dem hohen Fest lädt man zur "Burgweihnacht" mit Wichtelabend. Als Ausflugsziel ist die Ebersburg wieder ein fester Begriff geworden, auch außerhalb der Veranstaltungen des Vereins.

Blick von der Burg  (Foto: Angelo Glashagel) Blick von der Burg (Foto: Angelo Glashagel)

Den Mittelalterfreunden geht es dabei nicht allein um die Bespaßung ihrer Gäste. Den Leuten würde es nicht immer nach "Action" verlangen, sagt Hannelore "Mathilde" Müller, oft könnte man die Menschen schon in staunen versetzen wenn man einfach nur aus der Vergangenheit berichte. In Sachen historischer Authentizität könne man nicht "päpstlicher als der Papst sein", ein bisschen Interpretation fließe immer mit ein. Neben eigenen Recherchen kann man auch auf die tatkräftige Hilfe lokaler Historiker, wie der hiesigen Mathilden-Expertin, Heidelore Kneffel, vertrauen. Die ist inzwischen Ehrenmitgleid des Vereins und hat dem Königspaar gerade in den Anfangstagen viel geholfen.

Und man kann sich auch auf wissenschaftliche Forschung stützen. 2010 wurden Ausgrabungen auf dem Burggelände durchgeführt, die viele neue Erkenntnisse gebracht hätten, sagt Müller. 2012 musste die Erforschung der Burg wegen Eigentumsfragen leider eingestellt werden. "Wie sich herausgestellt hat ist ein Teil der Burg immer noch in Fürstenbesitz. Nur die innere Burg gehört dem Landkreis", erklärt Müller, seit Jahren kämpfe man darum das der Kreis auch den Rest des Geländes erwirbt, bisher ohne Erfolg. Dabei gehe es nicht nur um die Fortsetzung der Forschungsarbeit sondern auch um den Erhalt der Burg, die Außenmauer müsste dringend saniert werden.

Rund 50.000 Arbeitsstunden haben die Vereinsmitglieder seit 2006 in die Burg gesteckt, schätzt Müller. Neben dem Engagement auf der Burg und den Veranstaltungen und Auftritten versuche man auch Aufklärungsarbeit zu leisten um den Missbrauch der Geschichte zu verhindern. Bei nur 21 Mitgliedern bliebe irgendwann auch etwas auf der Strecke. "Wir sind ein Verein bei dem man richtig mit anpacken muss, sonst geht es nicht", sagt Müller, man kämpfe "um jede Seele" und freue sich über jedes neue Mitglied, auch über stille Förderer.

Die nächste Möglichkeit sich die Arbeit des Vereins und die Ebersburg aus der Nähe anzusehen ist schon am kommenden Montag. Im Burghof lädt man ab 14 Uhr zur Kinderwalpurgis. Der Sohn des Teufels und die Hexe Hexcentra Burgi werden Schauergeschichten erzählen, ein Maultrommelmusiker sorgt für Stimmung und am Rost stehen fromme Brüder die Pilger mit Froschkuss, Fledermausbiss und Zaubertrank zu versorgen.
Angelo Glashagel
Autor: red

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