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Siedlungsgeschichte der Przeworsk-Kultur bei Leimbach

Migration und Integration in der Eisenzeit

Mittwoch, 11. April 2018, 06:36 Uhr
Im Zeitraum 2010 bis 2014 wurden auf einem Feld bei Leimbach von Wissenschaftlern archäologische Grabungen vorgenommen, die von Grabungen seit den 1980er Jahren und von Mathias Seidels 2006 erschienenen Publikation „Das Südharzvorland von der vorrömischen Eisenzeit bis zur Völkerwanderungszeit“ angeregt wurden. Mit dabei war auch Björn Rauchfuß, der darüber in einer öffentlichen Veranstaltung des Nordhäuser Altertums- und Geschichtsvereins referierte...

Der Referent Björn Rauchfuß (Foto: Marie-Luis Zahradnik) Der Referent Björn Rauchfuß (Foto: Marie-Luis Zahradnik)
Vorab wurde bereits 1986 im Rahmen von Bauarbeiten eine Notgrabung vorgenommen, bei der nach Abschluss die Grabungsstelle wieder zugeschüttet wurde. Genau diese wurde bei der Flächenöffnung ab 2010 bei einer Gesamtfläche von 125.000 m² mitberücksichtigt.

Freilich wurde nicht willkürlich gegraben. Mit den Ergebnissen aus der zuvor vorgenommenen geomagnetischen Untersuchung wurde die Fläche, mit geradlinig verlaufenden Fundplätzen, festgelegt.

Das Team unter der Leitung von Michael Meyer hatte mithilfe von Fundstücken, wie Scherben, Abfällen und Knochen Besiedlungsphasen um die Zeit z. B. der keltischen Kultur, der Michelsberger Kultur und der mitteldeutschen Schnurkeramik und auch zur Eisenzeit belegen können. Auch für die Zeit der sogenannten Przeworsk-Kultur vor rund 2300 Jahren wurden Zeugnisse geborgen.

Bereits aus der Zeit vor der Przeworsk-Kultur wurden in der Siedlung typische Kegelstumpfgruben, die zur Aufbewahrung der Vorräte oder später als Abfallgrube von den Siedlern genutzt wurden, gefunden. Nördlich der Grabungsfläche befand sich eine Siedlungsbestattung, die Skelette von Verstorbenen jeden Alters aufwies. Auch Gräber von Tieren wurden freigelegt, bei denen die verstorbenen Hunde tlw. mit Grabbeilagen bestattet wurden.

Die zu untersuchende Zeit der Przeworsk-Kultur konnte anhand von Grubenkomplexen und Funden von Keramikgegenständen des alltäglichen Gebrauchs, die mit der Technik des Keramikherstellens, Gestaltens und Brennens dieser Zeit entsprach, dokumentiert werden. Auch handwerkliche Objekte wie ein würfelförmiger Spinnwirtel wurde anschaulich im Vortrag von Björn Rauchfuß dargestellt. Der Spinnwirtel war ein Werkzeug zum Spinnen für Frauen und wurde oft als Grabbeilage (als Attribut) der Verstorbenen beigelegt. Ein Gräberfeld dieser Zeit konnte jedoch nicht gefunden werden, denn ein Merkmal der eisenzeitlichen Kultur ist das Verbrennen der Toten mit anschließender Urnenbestattung.

Interessierte Zuhörerschaft (Foto: Marie-Luis Zahradnik) Interessierte Zuhörerschaft (Foto: Marie-Luis Zahradnik)
Nachdem ein von Schlacke umhüllter Fund von Restauratoren aus Weimar befreit wurde, führte die mitteldeutschen Korallenfibel zur Feststellung, dass die Bewohner der Siedlung bei Leimbach ein weites Netz an Kontakten und Handelsbeziehungen unterhielten.
Über die Erläuterung der Fundstücke und ihre Bedeutung hinaus wurde über die Motive der Ansiedlung bei Leimbach gesprochen. So hielt Björn Rauchfuß fest, dass die Siedler vor rund 2300 Jahren aus dem Raum des heutigen Polens sich nicht nur in Richtung des mitteldeutschen Raums, sondern sich auch zum Schwarzen Meer hin ausbreiteten, mit der Konsequenz, dass sich durch die Abwanderung innerhalb von rund 100 Jahren die einstige Besiedlung im polnischem Raum stark dezimierte.

Gründe dafür können hier zunächst nur vermutet werden. So waren damals wie heute die hervorgerufene Not durch klimatische Veränderungen und Nahrungsengpässe durch Überbevölkerung und schlechte Ernten ein Anlass für die Abwanderung. Männer, besonders Krieger, gingen voraus, um neue Siedlungsräume mit geeigneten Lebensbedingungen zu finden, in die dann die Familien nachziehen konnten. Bei der Wanderung wurden oft andere Kulturinseln durchquert, bei denen sich die einheimische Kultur mit der Neusiedlerkultur auch vermischen konnte. Als die Männer in das Gebiet um Leimbach kamen, müssen sie wohl eine eher sehr zerklüftete Landschaft mit Tal und Relief vorgefunden haben. Jedoch schreckte sie die Naturgegebenheit nicht ab, sich dort niederzulassen.

Wie der Grabungsraum bei Leimbach zeigt, gab es zwei Gehöfte mit etwa 40 bis 50 Personen, meist Großfamilien. Von den erstellten Siedlungsmustern her hatten sich die Siedler in eine bereits bestehende Siedlungskammer von Einheimischen um Leimbach niederlassen und integrierten sich. Die Siedlung muss rund 100 bis 125 Jahre bestanden haben, bevor sie aufgegeben wurde. Zwar konnte der Referent keine genauen Gründe für das Aufgeben der Siedlung nennen, doch ist von Seiten der archäologischen Funde her eine gewaltsame Auseinandersetzung als Grund auszuschließen.

Wer mehr über die Besiedlung in der Eisenzeit wissen möchte, kann in den Vorberichten aus der Zusammenarbeit von deutschen und polnischen Forschern vom Herbst 2017 darüber lesen und gegen Ende nächsten Jahres das Buch von Björn Rauchfuß käuflich erwerben.

Als Schlusswort möchten sich sowohl die Mitglieder des Nordhäuser Geschichts- und Altertumsvereins als auch die Gäste für den ausführlichen und wissenswerten Vortrag bedanken und wünschen Björn Rauchfuß weiterhin viel Erfolg für seine Forschung.

Am 8. Mai 2018, um 19.30 Uhr, lädt der Nordhäuser Geschichts- und Altertumsverein zum Vortag über die Orgelbauerfamilie Compenius in Nordhausen um 1600 von Prof. Dr. Gerd Aumüller in den Tabakspeicher Nordhausen recht herzlich ein. Zuvor findet am 12.04.2018 um 18.00 Uhr noch eine Führung über den jüdischen Friedhof statt. Treffpunkt ist an der Ecke Dr.-Silberborth-Straße/Ammerberg.
Marie-Luis Zahradnik
Autor: red

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