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Betrachtet

Der ‚schöne Sensenmann‘ in Realität und Kunst

Mittwoch, 14. März 2018, 15:03 Uhr
Verfolgt man die Einträge in den sozialen Netzwerken, kennt die Bilder, beispielsweise „Schädel auf Papierstapel“ von Gerd Mackensen, dann kann man den Eindruck gewinnen, dass Tod eben nicht nur düster oder wie bei Barlach und Kollwitz meist sehr dunkel, abschreckend dargestellt ist...


Oft in der Kunst explodierend farbig oder in Pastelltönen daherkommend oder mit Musikgruppen, die dem Leichenzug vorausziehen wie beispielsweise in New Orleans. Vielfältig sind die Formen und Vorgehensweisen beim Abschiednehmen. Doch faszinierend, wie ein Eintrag in einem sozialen Netzwerk lautet?

Im Frühjahr 2018 kann man sich an mehrere Ereignisse der Menschheitsgeschichte erinnern, die vor genau 100 Jahren millionenfach mit Tod einhergehen. Auch ein faszinierendes Jubiläum? In dem auf die Oktoberrevolution folgenden Russischen Bürgerkrieg, der im Frühjahr 1918 begann, verloren 8 bis 10 Millionen Menschen ihr Leben. Am 21. März 1918 begann an der Westfront die Frühjahrsoffensive, dem letzten Versuch der deutschen Führung an dieser Front die Oberhand zu gewinnen.

In den fünf Teiloffensiven mit solch markigen Namen wie „Gneisenau“ oder „Blücher-York“ betrugen die Verluste mehr als eine halbe Million – allein auf deutscher Seite. Die Spanische Grippe kam mit den amerikanischen Truppen im Frühjahr 1918 nach Europa und forderte in den folgenden zwei Jahren weltweit 50 bis 100 Millionen Menschenleben. Anlässlich des 100. Jahrestages dieser Pandemie ist das sehr lesenswerte, vor allem aber informative Buch „1918 – Die Welt im Fieber“ erschienen.

Auf die Millionen Opfer durch Hunger, Unterernährung und Tuberkulose soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Zu jedem dieser Toten gehören Angehörige, die trauern. Wer seine Mutter und Vater in der Endphase der Demenz hat sterben gesehen, die Tochter oder Sohn nicht mehr erkennend, dem fehlt jegliche Faszination am Tod! Und die Mutter, die nachts am Bett ihres Kindes saß und Stunden, oft Tage der Angst durchlitt, hoffte, dass ihr Kind überleben würde, die denkt auch mit anderen Gefühlen zurück an diese Traumata der Vergangenheit. Umso mehr ist es notwendig, sich dem Thema „Tod in der Kunst“ zuzuwenden.

Mit dem Begriff ‚Sensenmann‘ hat man schon in früheren Zeiten Tod und Sterben beschrieben - Themen, die noch heute tabuisiert sind. Der ‚Sensenmann‘ ist gerade in den Gemälden der Renaissance und des Barocks ein häufig zu findendes Motiv. Der Tod und damit der Sensenmann steht aber immer auch für einen Neuanfang – sowohl im christlichen Glauben als auch im ewigen Lebenszyklus. In diesem Zusammenhang kann der Titel der Ausstellung „Der schöne Sensenmann“ verstanden werden.

In der Traumdeutung steht der Sensenmann für fehlendes Leben in zwischenmenschlichen Beziehungen, für erkaltete Gefühle. Auch dieser Aspekt sollte beim Besuch der Ausstellung ab kommendem Wochenende im Kunsthaus Meyenburg Beachtung finden. Lohnenswert ist diese Schau allemal und so ist dem Kunsthaus bei all dem Tod an den Wänden viel Leben durch die Besucher zu wünschen. Ob der Tod aber faszinierend ist, das mag jeder für sich entscheiden!
Dr. Wolfgang R. Pientka
Autor: red

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