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Breitbandausbau im Landkreis

Im Schneckentempo auf der Überholspur

Montag, 12. März 2018, 14:00 Uhr
Unterhaltung, Kommunikation, Handel, das gesammelte Wissen der Welt, das alles ist heute nur ein paar Klicks entfernt. Der digitale Wandel schreitet rasend schnell voran. Es sei denn man lebt in einer gewissen wohlhabenden Industrienation im Herzen Europas. Dann ist der Wandel eher ein gemütlicher Spaziergang mit gelegentlicher Rast. Langsam und teuer, das ist das digitale Deutschland heute. Auch der Südharz bildet da keine Ausnahme...


Quelle: pixabay.com
Irgendwann ist einfach Schluss. Kein Netz mehr. Liegt es am Router? Oder an der Leitung? Der Kundenservice kann bestimmt schnell helfen. Nach nur sechs Woche hat man endlich wieder Internet in den eigenen vier Wänden und weiß nun auch das die Leitung der Deutschen Telekom gehört, die Technik am anderen Ende Vodafone und das Gesamtpaket vom eigenen Anbieter gemietet wurde. Der Zuständige ist: der jeweils andere.

Nur eine Anekdote aus dem digitalen Deutschland des Jahres 2018. Aktuell in den Nachrichten: in Nordrhein-Westfalen kündigt der Konzern mit dem großen T "schnelle" 50 mbit Verbindungen und stuft Anschlüsse auf komfortable 16 mbit zurück weil man sich mit einem Drittanbieter nicht einigen kann. Womöglich sind bis zu 30.000 Kunden betroffen.

Nun macht ja nix, wozu gibt es Smartphones? Mit denen kann man schließlich auch mobil online sein. In Deutschland sollte der Geldbeutel da aber lieber etwas dicker sein. Während man in einigen EU-Ländern Mobilfunktarife mit unbegrenztem Datenvolumen für 30 Euro oder weniger bekommt, zahlt man in Deutschland für unbegrenztes Mobilsurfen, und jetzt bitte festhalten, günstige 199,95 Euro. Oder man gibt sich mit weniger Datenvolumen zufrieden. Wenn das aufgebraucht ist? Na dann ist Internet auf dem Smartphone bis zum neuen Monat wieder wie Internet anno domini 1998. Unsere Zeit ist ja ohnehin so schrecklich schnelllebig, da kann ein bisschen Entschleunigung doch nur im Sinne des Kunden sein.

Es regnet Geld

Aber nicht verzagen, lieber Bürger, kompetente Fachleute in den Ministerien haben das Problem identifiziert und die Lösung gefunden: Geld. Viel Geld. Vier Milliarden Euro immerhin.

Nur dem Magenta-Konzern mit Bundesbeteiligung sollte beim wackeren Schritt in die Zukunft bitte nicht zu sehr auf die Füße getreten werden. Dem gehört das profitable Kupfernetz durch die sich unsere Daten zwängen. Also lieber die alte Technik mittels "Brückentechnologie" noch etwas länger am Leben halten anstatt teuer Glasfaser zu verlegen. Das sogenannte "Vectoring" ermöglicht immerhin Geschwindigkeiten von bis zum 100 mbit im Download.

Der Geldsegen will indes nicht wirklich Linderung bringen: im Bundeshaushalt des vergangenen Jahres waren immerhin mehr als 689 Millionen für den Ausbau eingestellt. Abgeflossen sind aber nur magere 22 Millionen Euro. Für die Fachpresse eine desaströse Bilanz. Das manch "Experte" meint das 100 mbit eigentlich das untere Ende der Skala sein sollten und das Ende der Kupfertechnik schon vor zehn Jahren hätte eingeläutet werden sollen, sei's drum, der Bund schreitet mutig voran, den digitalen Rollator aus dem vergangenen Jahrhundert trotzig vor sich herschiebend.

Weiße Flecken auf der Karte

Und im Südharz? Mit der aufgestockten Förderung im Rücken tourte auch Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) durch den Freistaat und stellte die Segnungen des digitalen Wandels in Aussicht. Die Ziele seien "ehrgeizig", meinte der Minister, mit sechs Millionen Fördergeldern sei der Kyffhäuserkreis bereits auf dem Weg zur "digitalen Überholspur", Nordhausen folge direkt dahinter. Das war im September 2016. Bis zum Jahr 2018 würden die meisten Haushalte die Möglichkeit haben mit 50 mbit pro Sekunde Inhalten aus dem Netz zu laden, so das angepeilte Ziel.

Nun ist das Jahr 2018 auf uns gekommen. Was also ist geschehen? Im Landratsamt hat man es geschafft eine Ausschreibung auf den Weg zu bringen. Und man hat beim Ausbau in Kommunen wie Nordhausen, Werther und anderen Orten "koordinierende Aufgaben" übernommen.

Es gebe noch "viele weiße Flecken", heißt es aus dem Landratsamt, von 43.000 Privathaushalten im Landkreis seien 4.634 Haushalte mit einer Geschwindigkeit von unter 30 Mbit/s unterversorgt, dazu zählten auch circa 500 Unternehmen sowie rund 60 öffentliche Einrichtungen. Mehr als 60% der unterversorgten Anschlüsse im Projektgebiet sollen nach Ende der Baumaßnahme mit mindestens 100 Mbit/s versorgt sein, versichert man im Landratsamt.

Nachdem Ministerbesuch im September gab es den Bescheid für das erste Geld im März 2017, die Kofinanzierung des Landes wurde rund einen Monat später zugesagt. Nun, am 5. Februar 2018, wurde "der vorgeschaltete Teilnahmewettbewerb" gestartet. Seitdem sei "der Antrags-, Ausschreibungs- und Vergabeprozess zu den Beratungsförderungen sowie die gesamte technische und rechtliche Vorbereitung auf die europaweite Ausschreibung" vollzogen worden, erklärte das Landratsamt weiter. Die Einarbeitung der Schulen habe zusätzlich viel Zeit in Anspruch genommen und man habe "höchste Rechtssicherheit" herstellen müssen.
Der Freistaat habe zudem "im Interesse einer sinnvollen Staffelung der Ausschreibungen für Beratungsleistungen und den Ausbau zwecks Koordinierung der Kapazitäten im Tiefbau" den Kreisen nicht erlaubt ihre Anträge zeitgleich zu stellen.

Ab auf die Überholspur

Anders ausgedrückt: auf dem Weg zur "Überholspur" wurde der Südharz in Reihe drei des Starterfeldes gesetzt. Der Zeitplan werde sich "um einige Monate" nach hinten verschieben, der Kreis halte jedoch an seine Zielen fest, erklärt das Landratsamt weiter. Vorgesehen ist die Versorgung der Haushalte, Unternehmen mit mindestens 50 Mbit/s sowie der Schulen und Gewerbegebiete mit Gigabitanbindung. Für die kommenden Monate plant man die weiteren Schritte in der Vergabe, im September soll der Zuschlag erteilt und Verträge abgeschlossen werden.

Der Motor des 21. Jahrhunderts, des Datenzeitalters, wird also noch eine Weile brauchen bis er auch im Südharz anspringt. Und ob der dann auch mit voller Glasfaserkraft läuft oder sich doch nur durch mit letzter Kraft durch das alte Kupfer presst, das bleibt fraglich. Die Ausschreibung zum Breitbandausbau jedenfalls ist "technologieneutral" erfolgt. Man könne derzeit keine konkrete Aussage zur anzuwendenden Technologie machen, es komme auf die Angebote der Ausbau-Unternehmen an, welche Technik letztendlich wo verlegt wird, heißt es aus dem Landratsamt, aber man präferiere den Glasfaserausbau.
Immerhin, ein Lichtblick.
Angelo Glashagel
Autor: red

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