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Geht auf die Straße - aber bitte friedlich!

Sonntag, 18. Februar 2018, 10:56 Uhr
Eine Nordhäuserin schildert im Forum der nnz ihre Erlebnisse des gestrigen Samstages...


Gestern kam ich aus Magdeburg, um meine Eltern zu besuchen. Als ich hörte, dass ein Aufmarsch der rechtsextremen Partei „Der Dritte Weg“ stattfinden sollte, war ich froh, mich der Gegendemonstration des Bündnisses gegen Rechtsextremismus anschließen zu können.

Ich kann nicht verstehen, warum es immer wieder Menschen gibt, die infrage stellen wollen, was durch die Macht des Naziregimes für Leid über die Menschen in unserem Land und in anderen Ländern gebracht wurde.

Der Kriegsopfer zu gedenken ist das eine, die Geschichte zu fälschen und das Naziregime zu verherrlichen, das andere. Auch meine Familie leidet noch heute an den Schrecken des Nationalsozialismus, und egal, was gerade anliegt: Der Verherrlichung von Macht und Gewalt und dem Schüren von Fremdenhass und Misstrauen dürfen wir keinen Raum mehr geben!

Was ich heute in Nordhausen erlebt habe, hat mich tief erschüttert. 14 Uhr versammelte sich eine für meine Begriffe recht kleine Schar am Bahnhof, im Zentrum stand eine Gruppe von schwarz gekleideten primär jungen Menschen, dann gab es eine buntgekleidete Trommelgruppe, die eine gute Stimmung verbreitete und etliche normal gekleidete Menschen aller Altersgruppen. Alle waren friedlich versammelt, die Stimmung wirkte auf mich eher positiv und ruhig.

Die Polizei war zahlreich in der Nähe vertreten, was ich positiv registrierte, weil so ja der Schutz gewährleistet werden sollte, falls es zu Ausschreitungen kommen sollte. Plötzlich bewegte sich eine Menge der schwarzgekleideten Menschen mit lauten aggressiven Rufen in eine Richtung. Offenbar war direkt an der Gegendemonstration vorbei eine Gruppe rechtsextremer Personen gegangen und die Polizei hatte nicht für die nötige Distanz gesorgt. Ich war erschrocken über die Aggressivität, die von der – ich vermute – autonomen Gruppe ausging und suchte das Gespräch.

Die Argumentationen überzeugten mich nicht und während die Gegendemonstration sich auf den Weg machte, versuchte ich immer wieder, mich für eine friedliche Haltung stark zu machen. Ich finde es wichtig und gut, dass die autonome Gruppe auf die drohende Gefahr lautstark aufmerksam macht. Ich möchte auch ein Zeichen setzen, meine Stimme erheben, mich einsetzen für eine friedliche Welt, in der alle Menschen sich mit Toleranz und Respekt begegnen, aber mit dieser in meiner Wahrnehmung aggressiven Stimmung konnte ich mich nicht identifizieren und verließ die Gegendemonstration an der Weberstraße.

Um 18 Uhr ging ich dann gemeinsam mit meinen Eltern zum Friedensgebet in die Blasii-Kirche. Als wir dort ankamen, waren einige friedliche junge Menschen bei dem Denkmal der zerstörten Synagoge versammelt, wir stellten ein paar Kerzen auf und legten Blumen nieder und gingen gerade über die Straße zur Kirche, als die Situation eskalierte. Ein paar autonome Demonstranten hatten eine Sitzblockade auf der Straße gebildet und die Polizei – ich kann es nicht anders beschreiben – ging mit erschreckender Aggressivität vor, die friedlich sitzenden Menschen dort wegzuschaffen.

Ich war entsetzt und wollte meine Stimme dagegen erheben, der Polizei bewusst machen, wie aggressiv sie agierte, aber da war schon ein großer Tumult im Gang. Wo ich hinschaute, waren Polizisten mit aggressivem Gesichtsausdruck dabei, Menschen anzugreifen, zu schubsen und anzuschreien, Menschen, die in meiner Wahrnehmung vor allem versuchten, den Platz auf der Straße einzunehmen, um den Weg des Aufmarsches zu blockieren.

Ich war außer mir, bei dem, was ich erlebte und musste erstmal in der Kirche wieder zu Atem kommen. Das Friedensgebet war eine große Hilfe, um sich auf die gute Kraft zu besinnen und um den Mut und die Kraft zu bitten, sich gegen diese Gewalt zu stellen. Danach gingen wir mit Kerzen auf die Straße – im richtigen Augenblick, denn jetzt bewegte sich der rechtsextreme Aufmarsch an uns vorbei. Eine stille bedrohliche Masse von Menschen verschiedenster Altersgruppen mit Fahnen und Trommeln und Särgen.

Ich kann verstehen, dass die autonomen Demonstranten versuchen wollten, sich dieser Macht in den Weg zu stellen, ihnen nicht den Raum zu geben, diese finsteren Zeiten wieder aufleben zu lassen und ich fragte mich und frage mich immer noch: Wieso lassen wir das zu!? Warum haben wir keine Möglichkeiten, dieser finsteren Macht Einhalt zu gebieten. Am liebsten hätte ich mich selbst davor gestellt und die Menschen gefragt, ob sie wirklich wissen und wollen, wofür sie da eintreten! Menschen, wie Du und ich mit freundlichen Gesichtern und dem Ausdruck, als fänden sie es wirklich in Ordnung, was sie da tun. Ich kann das nicht begreifen!

Heute erst habe ich erfasst, wie bedrohlich groß die Gefahr geworden ist, dass Hass und Gewalt die Oberhand gewinnen. Während sich die Polizei mit autonomen Widerständlern herumschlägt, wird die rechte Macht immer größer. Das darf nicht passieren! Bitte, geht auf die Straße, tretet ein für Frieden und Gerechtigkeit, für Toleranz und Freiheit! Seid präsent auf der Straße mit Kerzen, friedlichen Parolen und Liedern, tretet wie 1989 friedlich für unserer aller Freiheit und für die Menschenrechte ein! Erinnern wir uns an unsere Kraft!
Dorothea Hartmann, Nordhausen
Anmerkung der Redaktion:
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Autor: red

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