nnz-online
Siegesmund in Ellrich

Kampf um das Biosphärenreservat

Dienstag, 30. Januar 2018, 23:19 Uhr
Einige der 250 Gäste hielten gelbe Fähnchen mit der Aufschrift „Biosphärenreservat. Nein Danke“ in den Händen. Es sollte nicht bei diesem leisen Protest in der voll besetzten Südharzhalle bleiben. Gut zwei Stunden mühte sich Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne), die vielen Zuhörer von der Idee „Unesco-Biosphärenreservates Südharz/Kyffhäuser“ zu überzeugen...

Rund 250 Zuhörer waren in die Südharzhalle gekommen. (Foto: Susanne Schedwill) Rund 250 Zuhörer waren in die Südharzhalle gekommen. (Foto: Susanne Schedwill)
„Wir können Ihnen nur ein Angebot machen, Sie entscheiden letztendlich darüber, ob Sie in Ihrer Region ein Biosphärenreservat haben wollen“, wiederholte die Umweltministerin mehrfach. Es war die zweite Veranstaltung eines einjährigen Moderationsprozesses, der im November vergangenen Jahres mit einer Eröffnungsveranstaltung in Nordhausen seinen Anfang genommen hatte. An dessen Ende soll eine Entscheidung stehen: Will die Region zwischen Südharz und Kyffhäuser das Biosphärenreservat oder aber nicht? Doch von einer Willensbekundung scheint die Region noch weit entfernt. „Es soll kein Jurassic Parc entstehen, es wird keinen Käseglockennaturschutz geben“, versuchte die Umweltministerin gleich zu Beginn der Veranstaltung Ängste zu zerstreuen.

Die Region sei vielmehr ein biologischer Hotspot und besonders schützenswert, so das Urteil des Bundesamtes für Naturschutz. 4,5 Millionen Euro stünden für das Biosphärenreservat bis ins Jahr 2023 zur Verfügung. Mit dem Geld könnte die touristische Infrastruktur ausgebaut, eine gemeinsame Marke entwickelt oder aber Landschaftspflegeverbände unterstützt werden, nannte Siegesmund einige Möglichkeiten.

Das von ihr initiierte Biosphärenreservat soll mindestens 30 000 Hektar umfassen, die in drei Zonen eingeteilt sind. Den Großteil, etwa 80 Prozent, würde die sogenannte Entwicklungszone umfassen, den Rest Pflege- und Kernzone. Wo diese Zonen sich letztendlich genau befinden, ist momentan noch nicht festgelegt. Aktuell gibt es nur einen sogenannten Suchraum; denn die Menschen in der Region sollen entscheiden, wo genau das Biosphärenreservat eingerichtet werden soll.

Was von der Ministerin als offenen Prozess beworben wird, bei dem „nicht über die Köpfe der Menschen entschieden wird“, ist den Zuhörern jedoch viel zu wenig konkret. Eine Karte, die zeigt, wo sich das Reservat befinden könnte, kann und will Siegesmund nicht präsentieren. Dass es eine Zustimmung aus der Region ohne Plan gebe, glaubt Niels Neu, Chef des Nordthüringer Unternehmerverbandes, unterdessen nicht. „Seien Sie ehrlich. Die Region will Sicherheit“, richtete sich Neu an Siegesmund und erhielt viel Applaus.

Deutlich wird an diesem Abend, die Ängste und Vorbehalte der Menschen sind groß: Wolfgang Jörgens aus Sophienhof will wissen, ob Planungsverfahren komplizierter werden. „Was ändert sich für die Menschen in der Region“, will Jörgens wissen. Landwirt Helmut Peix aus Harzungen hält nicht hinterm Berg, dass er von der Idee nicht viel hält. „Die Region lebt auch weiter, wenn wir kein Biosphärenreservat sind“, so Peix. Er fürchtet vor allem, dass landwirtschaftliche Flächen nicht oder nur noch eingeschränkt nutzbar sind. Um die Zuwegung in die besonders schützenswerte Kernregion des Reservats sorgt sich Forstwirt Michael Wienrich. Siegesmund versucht die Bedenken der Menschen zu zerstreuen. „Es geht darum, eine Modellregion für nachhaltiges Wirtschaften zu etablieren. Verstehen Sie das Biosphärenreservat als Chance für die Region. Niemand soll ausgeschlossen werden“, appellierte Siegesmund. Jeder Forstwirt, jeder Landwirt könne sein Land weiternutzen. Nutzungseinschränkungen soll es nicht geben.

Jürgen Weyand, Besitzer des Café Nikolai in Ellrich, machte den Zuhörern Mut. „Der Südharz hat Potenzial“, sagte der zugezogene Gastwirt. Und auch Heidi Schell, Vorsitzende des Kreisverbandes des BUND, appellierte an die Zuhörer auch das Positive zu sehen. Möglicherweise wäre es eine Chance für die Landwirte, sich von der konventionellen Landwirtschaft zu verabschieden. Landwirt Gerd Kaempffe von der Agrar GmbH Mauderode wollte dem nicht zustimmen. „Ich habe eher die Befürchtung, dass das Biosphärenreservat alles noch schwieriger macht“, so der Landwirt.

Unbeantwortet lies die Ministerin auch die Frage, ob das Reservat möglicherweise das Vehikel sein könnte, um weitere Gipsabbauflächen in der Region zu verhindern. Siegesmund verwies in die Rhön, auch dort könne trotz Biosphärenreservat weiter Basalt abgebaut werden. „Sicher ist das eine Frage, die es zu klären gibt und mit den Gipsunternehmen sind wir im Gespräch. Aber Sie haben in der Region auch andere Wirtschaftspotentiale, die bisher hinten runter fallen“, richtete sie sich an die Zuhörer.

Weitere Veranstaltungen im Rahmen des Moderationsprozesses sind geplant: Ab Februar werden die Land- und Forstwirte in Arbeitstreffen beraten. Am 3. Mai soll in einer öffentlichen Veranstaltung präsentiert werden, wie viele Arbeitsplätze und Einnahmen mit dem Biosphärenreservat zu erwarten sind.
Susanne Schedwill
Autor: sul

Drucken ...
Alle Texte, Bilder und Grafiken dieser Web-Site unterliegen dem Urherberrechtsschutz.
© 2021 nnz-online.de