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An Weihnachten wird Sehnsucht Möglichkeit

Freitag, 22. Dezember 2017, 11:00 Uhr
Das Jahr geht zu Ende, Weihnachten steht vor der Tür und es ist Zeit für ein wenig Besinnlichkeit und den Blick auf das vergangenen Jahr. Für die evangelische Kirche waren es aufregende zwölf Monate, das große Reformationsjahr bestimmte den Kalender. Mit Superintendent Andreas Schwarze hat die nnz über die Erfahrungen aus dem 500. Jubiläum der Reformation, den Platz der Kirche in der Gesellschaft und natürlich über Weihnachten gesprochen...

Weihnachtsinterview (Foto: Angelo Glashagel) Weihnachtsinterview (Foto: Angelo Glashagel)

nnz: Herr Schwarze, das Kirchenjahr ist bereits vorüber. Ist bei Ihnen schon Feiertagsruhe eingekehrt?

Andreas Schwarze: Noch ist reger Betrieb, auch im Kirchenkreis müssen noch viele Dinge zum Jahresabschluss gebracht werden.

nnz: Der Kirchenkreis hatte viel zu tun im großen Reformationsjahr

Schwarze: Wir haben viele Früchte geerntet, um ein biblisches Bild zu nutzen. Es gab viele Highlights wie den Kreiskirchentag oder die „12 Schritte zum Reformationsjubiläum“ in verschiedenen Gemeinden. Dabei ging es nicht allein darum zu feiern, sondern auch um einen Mehrwert für die Menschen und Gemeinden zu schaffen. Wir sind als Kirche nicht unter uns geblieben, sondern haben gemeinsame Ereignisse geschaffen, gesellschaftliche Momente, für das ganze Dorf, für Groß und Klein, ob man nun zur Kirche gehört oder nicht.

nnz: Die Enthüllung des Lutherdenkmals hat noch einmal für reichlich Gesprächsstoff gesorgt.

Schwarze: Ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht das man am Ende dieses Jahres noch über Luther würde reden können aber die Statue hat das befeuert und es ist gut das man im Gespräch bleibt. Die Gestaltung liegt in der künstlerischen Freiheit. Ich persönlich fahre gerne an der Statue vorbei, schaue hin und stelle mir vor Luther auch mal mit einer Mütze oder einem Blumenstrauß zu sehen. Ich denke wir werden einen kreativen Umgang mit dem Denkmal an dieser Stelle brauchen. Was man im übrigen gar nicht hoch genug schätzen kann war der Umstand das zur Einweihung mit Prof. Dr. Reinhard Schramm auch der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde Thüringen vor Ort war. Das hat gezeigt dass in der Lutherdekade auch Gesprächswege möglich wurden, die es so vorher nicht gab.

Andreas Schwarze im nnz-Interview (Foto: Angelo Glashagel) Andreas Schwarze im nnz-Interview (Foto: Angelo Glashagel)
nnz: Sie haben es angesprochen, wir haben nicht nur das Reformationsjahr sondern eine ganze Lutherdekade hinter uns. Hat sich der Stellenwert der evangelischen Kirche dadurch gewandelt?

Schwarze: Wenn man das große Bild betrachtet, dann wurde der Reformationstag bundesweit wahrgenommen und ins Bewusstsein der Menschen gerückt. Hier in Thüringen kennt man das, in anderen Teilen des Landes weniger. Das Ziel war nicht, mehr Menschen zur Kirche zu bewegen, sondern die Bedeutung von Kirche in Geschichte und Gegenwart zu zeigen und dass es uns gibt, auch wenn uns mancher tot sagen will. Das Christentum und die Christen sind da, es gibt sie in unserer Mitte.

nnz: Die Zahl der Kirchenaustritte hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten tendenziell eher zugenommen. Wie steht es denn um die Relevanz einer Kirche, die Mitglieder verliert?

Schwarze: Das Verlustproblem ist da, das ist keine Frage. Dazu gehören übrigens auch „natürliche Austritte“, also Kirchenmitglieder die verstorben sind. Insgesamt verzeichnen wir mehr Austritte als Zugänge. Aber: die hohen Austrittszahlen, die wir etwa 2015 gesehen haben, die sind zurückgegangen und wieder auf dem alten Niveau angekommen, was vor allem der Arbeit der Mitarbeiter und Kirchengemeinden vor Ort zu verdanken ist. Und 40 Jahre DDR haben ganze Arbeit geleistet. Auch 25 Jahre danach ist es noch schwer den Kontakt zur Kirche wieder herzustellen, wenn Generationen vorher davon abgeschnitten wurden. Mut macht das, was wir im vergangenen Jahr auf den Dörfern deutlich erleben konnten. Es gibt hier viele Menschen, die sich für ihre Kirche interessieren, auch wenn sie nicht Mitglieder sind, die Kirche ist selbstverständlicher Teil von Dorffesten, es werden Spenden gesammelt, man kümmert sich um die eigene Kirche und man kann an ihr ablesen, wie es um ein Dorf bestellt ist. Auch Abseits der großen Events war zu sehen das es für die Menschen kein Schaden ist, das es eine Kirche gibt die jedem offen steht.

nnz: Das dörfliche Leben ist heute nur ein kleiner Teil der gesellschaftlichen Realität, wie steht es mit dem Verhältnis der Gesellschaft als solches zur Religion? Gerade zur Weihnachtszeit sollten religiöse Riten und Traditionen doch eigentlich Hochkonjunktur haben.

Schwarze: Auf der einen Seite erleben wir einen zunehmenden Ruf nach einer Grundorientierung in den Werten des christlichen Abendlandes die aus dem Horizont der biblischen Botschaft entstanden sind. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ - das ist eine biblische Vorstellung von Gott der den Menschen nach seinem Bilde formte. Diese Forderung gilt ausnahmslos für jeden einzelnen Menschen, sie ist ein Grundsatz mit universeller Bedeutung. Jeder Mensch wurde von Gott gleich geschaffen und mit der gleichen Würde ausgestattet. Hinzu kommen andere Werte wie Solidarität, Achtung, Freundschaft, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe. Das sollte unsere Gesellschaft ausmachen. Dem gegenüber steht die Anwendung von Brauchtum und Riten, die vielfach nicht einmal mehr bekannt sind. Man beruft sich auf Werte, nimmt die religiösen Feiertage gerne in Anspruch, der Inhalt aber ist egal, ist austauschbar.

nnz: Was meinen Sie konkret? Die Weihnachtsgeschichte ist doch auch heute noch allgemein bekannt, „Stille Nacht, heilige Nacht“, das ist doch noch präsent, oder nicht?

Schwarze: Nehmen Sie zum Beispiel den Unterschied zwischen Advents- und Weihnachtszeit. Den kennt man heute kaum noch. Der Weihnachtsbaum strahlt schon hell erleuchtet lange vor dem 24. Dezember. In dem eigentlichen Brauchtum steckt aber auch eindeutige Symbolik. Der Baum wird am 23. angeputzt, am 24. leuchtet er. Ein Hoffnungszeichen wie es das Jesuskind war. Am Baum hingen eigentlich einmal Äpfel statt Glaskugeln, als Symbol von Adam und Eva und dem verlorenen Paradies. Das Kommen des Kindes ist auch die Auflösung dieses Verlustes. Das Paradies sollte ein unerreichbarer Sehnsuchtsort sein, mit der Weihnachtsgeschichte aber werden Sehnsüchte erreichbar. Der Weihnachtsfrieden, der über uns kommt, nicht nur in der heiligen Nacht sondern im Lebenswandel der Menschen, das ist keine fiktive Vision einer unerreichbaren Sehnsucht und Hoffnung, sondern wird zu einer realen Möglichkeit. Jeder kann das aufnehmen und auf seine Weise umsetzen.

nnz: Das große Reformationsjahr ist vorbei, das neue steht schon vor der Tür. Was macht man nach so einem Jahr?

Schwarze: Große Events wird es erst einmal nicht geben. Wir wollen aber an den Kooperationen festhalten und anknüpfen, die wir in diesem Jahr erfahren haben. Eine Zukunftswerkstatt ist geplant in der wir uns damit befassen wollen was uns in den nächsten Jahren tragen und bewegen soll. Die Konzentration wird also erst einmal auf dem Inneren liegen aber mit dem eindeutigen Blick nach außen. Wir sind Kirche in der Welt.

nnz: Herr Schwarze, wir danken für das Gespräch und wünschen frohe Feiertage.
Autor: red

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