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Der Techniker

Der Elektro-Check (II)

Donnerstag, 23. November 2017, 14:10 Uhr
Die Welt bewegt sich weiter, egal was kommt. Die eigentlich spannende Frage ist angesichts schwindender Ressourcen und sich anbahnender Umwälzungen aber nicht die nach dem "ob", sondern nach dem "wie". Die nnz will in dieser kleinen Reihe mit Enthusiasten, Skeptikern und Technikern über die Fragen von heute und morgen reden. Im zweiten Teil spricht Tim Schäfer, Chef der Firma Envites Energy, über die Vor- und Nachteile moderner Batterietechnik...

Der Elektro Check (Foto: Angelo Glashagel) Der Elektro Check (Foto: Angelo Glashagel)

Klein, flach und grau und kaum so groß wie ein A4-Blatt ist der aktuelle Stand der (deutschen) Technik - eine Zelle mit einer Speicherkapazität von 40 Ampere. Drei davon aneinander gereiht ergeben dieselbe Leistung wie eine herkömmliche Autobatterie bei weniger Gewicht und weniger Volumen, erklärt Tim Schäfer, Chef der Firma Envites Energy.

Schon seit 1993 befasst sich Schäfer mit der Lithium-Ionen-Technik, ein Leben ohne Lithium Batterien sei heute eigentlich undenkbar, meint der Geschäftsführer. In Smartphones und Tablets, in Millionen Elektrofahrrädern, bei industriellen Anwendungen und zunehmend auch bei Autos, Motorrädern und Mopeds kommen die Zellen zum Einsatz.

Wirklich neu ist die Technik nicht, Anfang der 90er Jahre machte man in Japan erste Schritte und auch in Deutschland sei man damals in Forschung und Entwicklung ganz vorne mit dabei gewesen, erzählt Schäfer.

Heute mag die Technik allgegenwärtig sein, unumstritten ist sie nicht. Die Debatte um die Zukunft von Diesel und Benziner und die Tauglichkeit alternativer Lösungen wird hitzig geführt. In einem Land in dem die Automobilindustrie traditionell zu den absoluten Stützen der Wirtschaft gehört, vom großen Hersteller bis zum kleinen Zulieferer, ist das wenig verwunderlich. Die deutsche Automobilhersteller hätten in den letzten Jahrzehnten ordentliche Gewinne machen können, aber das werde nicht ewig so bleiben wenn man an der alten Technik festhält, meint Schäfer, in Deutschland werde die Industrie aber immer noch "in Watte gepackt" und komme über Ankündigungen bisher kaum heraus. "Der Weltmarkt dreht sich weiter und die Leitlinien dieser Entwicklung, die setzen heute andere. China etwa, VW setzt hier heute jedes dritte Auto ab."

Grün oder nicht grün?

Die Elektromobilität wird gerne als grüne Alternative zum dreckigen Verbrennungsmotor gehandelt. Ganz so einfach ist es nicht, gerade in den neuen Batterien stecken Rohstoffe wie Cadmium, Selen und andere Stoffe, allgemeinhin als "seltene Erden" bezeichnet, die nicht leicht zu gewinnen sind.

Eine Technik - zwei Lösungen: Tim Schäfer mit zwei Lithium-Zellen, eine aus deutscher und eine aus amerikanischer Produktion (Foto: Angelo Glashagel) Eine Technik - zwei Lösungen: Tim Schäfer mit zwei Lithium-Zellen, eine aus deutscher und eine aus amerikanischer Produktion (Foto: Angelo Glashagel)

Eine Technik, zwei Lösungen: Tim Schäfer mit zwei Lithium-Zellen, eine aus deutscher (links) und eine aus amerikanischer Produktion

Die Rohstoffdebatte könne man nicht von der Hand weisen, meint auch Schäfer, nur ließe sie sich nicht auf die Elektromobilität beschränken sondern betreffe die gesamte Mikroelektronik wie sie in Smartphones und Tablets zum Einsatz kommt. "Ich denke man muss eine nüchterne Kosten-Nutzen Rechnung aufmachen. Für eine Zelle, wie wir sie hier haben, brauchen wir vergleichsweise geringe Mengen an Rohstoffen, die Materialeffizienz ist hoch, auch weil die Lebensdauer der Batterien gestiegen ist", erklärt Schäfer. Gut 10 Jahre mache eine Lithium-Batterie in einem Auto mit, manchmal länger als die Fahrzeuge selbst genutzt würden. Und danach sei nicht Schluss. "Wenn wir vom "end of life" der Batterie reden dann heißt das, dass sie noch 80% Leistung hat. Das wirft man nicht weg sondern verwendet sie anderswo weiter. Dieses "zweite Leben" kann auch noch einmal sechs bis acht Jahre dauern. Und das ist keine Hypothese sondern Stand der Technik heute."

Erst danach würden die Zellen recycelt. Über solche Stoffkreisläufe werde man reden müssen. Zu sehen sei schon jetzt das die großen Konzerne, auch aus der Automobilindustrie, immer mehr Interesse an geschlossenen Kreisläufen und Wiederverwertung hätten. Deutschland habe hier große Kapazitäten, meint Schäfer.

Auf der anderen Seite das Öl: Motor des 20. Jahrhunderts und von integraler Bedeutung, nicht nur für Fahrzeuge, sondern für eine ganze Reihe an verschiedenen Produkten und Produktionsprozessen. Die Förderung des Rohstoffs wird indes immer komplizierter und teurer. So teuer, dass es schlicht nicht mehr sinnvoll sein werde Öl zu verbrennen, so die Einschätzung Schäfers. Also doch bald alles elektrisch?

Todesstoß für den Verbrennungsmotor

Im Zuge der Manipulationsskandale hörte man es bald kräftig durch den Blätterwald rauschen, den Abgesang auf den Dieselmotor. Adé, bald sind alle elektrisch unterwegs. Ganz so verbissen sieht man es am Kohnstein nicht, auch wenn die Firma Envites Energy ihr Geld mit Lithium-Technik verdient. "Ich finde, es ist falsch die Batterie gegen den Diesel auszuspielen. Der Diesel ist immer noch effektiver als der Benziner", sagt Geschäftsführer Schäfer. Der Verbrennungsmotor und mit ihm wohl auch die Automobilindustrie, sei noch nicht in ihrer Existenz bedroht, zumindest nicht in den nächsten 10 bis 15 Jahren.

In naher Zukunft würden sich die Hersteller aber wohl erst einmal auf Kleinfahrzeuge mit geringem CO2-Austoss konzentrieren, im Fokus stehe das Ziel die Gesamtflottenemission zu reduzieren um am Ende mit guter Bilanz dazustehen und nicht draufzuzahlen.

Irgendwann aber wird man umdenken müssen. Veränderungen kündigen sich bereits an, der Umweltbeirat der Bundesregierung fordert, dass 2025 mindestens ein Viertel aller neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeuge elektrisch fahren sollen. Ahnliche Überlegungen sind aus Brüssel zu hören, auch wenn der deutsche Einfluss bisher ambitioniertere Ziele zu verhindern wusste. Die Zeit die Weichen zu stellen sei jetzt, nicht erst im Jahr 2024, da ist sich Schäfer sicher. Noch sei man hinten dran, wenn sich das ändern soll, dürfe es nicht bei großen Ankündigungen bleiben.

Im nächsten Teil der Reihe soll die unternehmerische Seite betrachtet werden.
Angelo Glashagel
Autor: red

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