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Abseits von König Fußball

Es ist ein ungleiches Kräftemessen

Freitag, 20. Oktober 2017, 12:00 Uhr
Vertreter verschiedener Wirtschaftsverbände waren heute zu Gast im Skoda Autohaus der Peter Gruppe. Gesprochen werde sollte dabei nicht nur über die Haus und Hofthemen der Unternehmer, sondern auch über den Sport. Herbert Müller, Trainer des Thüringer HC, stand Rede und Antwort zu den sportlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen seines Vereins. Und die sind, trotz Spitzenleistung, enorm...

Die THC Damen im Champions League Einsatz in der Nordhäuser Wiedigsburghalle  (Foto: Angelo Glashagel) Die THC Damen im Champions League Einsatz in der Nordhäuser Wiedigsburghalle (Foto: Angelo Glashagel)

Bevor dem Erfolgstrainer des Thüringer Handballvereins das Podium überlassen wurde, hatte der Thüringer Landesverband des Wirtschaftsrates der CDU im Autohaus getagt und mit Roland Handrek den alten und neuen Sektionssprecher bestimmt.

Der Verband hatte eingeladen, mehrere Vertreter verschiedener Nordthüringer Wirtschaftsinstitutionen waren gefolgt. Das Organisatorische sollte aber heute Abend nur am Rande Thema sein, rund sechs Wochen vor dem Beginn der Handball-Weltmeisterschaft in Deutschland wollte man über den Sport sprechen.

Auch der ist nicht frei von wirtschaftlichen Zwängen, selbst erfolgreiche Vereine wie die Damenmannschaft des Handballclubs Thüringer HC müssen auf den Geldbeutel achten. Das Team ist mehrfacher deutscher Meister, stellt fünf Spielerinnen für die Nationalmannschaft und kämpft dieser Tage zum siebenten Mal in der Königsklasse des europäischen Handballs ums Weiterkommen.

Helmut Peter, einer der Sponsoren des Vereins, erklärte, dass man aus heutiger Sicht auch „zu knuppern“ habe den THC in seinem jetzigen Zustand zu halten. Das Sportliche und Wirtschaftliche zu trennen sei manchmal schwer möglich, trotzdem könnten Trainer und Mannschaft eigene Wege gehen. Planungssicherheit wie in einem Mittelstandsunternehmen gebe es nicht, so Peter weiter, „wir können immer nur von einer Saison zur nächsten planen“.

Heim-WM und Nationalmannschaft könnten ein Zugpferd für den Sport und den Verein sein, sagte Trainer Herbert Müller, der den Wirtschaftsvertretern heute den Stand der Dinge im deutschen Sport außerhalb des Fußballfiebers nahe bringen wollte. Vor sieben Jahren sei man wie das kleine Dorf gewesen, das auszieht die großen Römer zu ärgern, sagte der Trainer, mit viel Enthusiasmus und harter Arbeit hat man es inzwischen zum sechsfachen deutschen Meister gebracht und konnte an den Platzhirschen von damals vorbeiziehen.

THC Trainer Herbert Müller: es ist ein ungleiches Kräftemessen (Foto: Angelo Glashagel) THC Trainer Herbert Müller: es ist ein ungleiches Kräftemessen (Foto: Angelo Glashagel)

Die Champions League ist für den Verein auch eine finanzielle Herausforderung, er kenne Clubs, die an der Königsklasse pleite gegangen wären. „Eigentlich sollte man meinen, dass ein Verein da Geld verdienen kann, im Handball ist das nicht der Fall“, erklärte Müller. In der Heimat des Vereins Bad Langensalza wären die Treffen in der Champions League nicht zu stemmen gewesen, zum Glück konnte man auf Nordhausen ausweichen. Der Spitzensport hat in der Rolandsstadt eine neue Heimat gefunden. Das allein reicht aber nicht. Zumindest nicht, wenn man weiter international mithalten möchte.

„Wir brauchen Unterstützer, jeder finanziert Fußball, jeder rennt zum Fußball hin“, klagte der Trainer und lud die anwesenden Unternehmer ein, auch einmal zum Spiel zu kommen. „Wer die Mädels einmal gesehen hat, der kommt immer wieder. Das ist was anderes als ein 0:0 im Fußball,“ sagt Müller, im letzten Bundesligaspiel des THC fielen allein 63 Tore. „Da ist soviel Dynamik drin“, meint Müller, nach all den Jahren offensichtlich immer noch hoch begeistert, was Helmut Peter seine Autos seien, seien ihm seine Spielerinnen.

„Wir reden hier von den besten Spielerinnen Deutschlands“, sagte Müller, trotz Training, Bundesliga, englischen Wochen und Champions League Einsätzen kümmern sich die Spielerinnen auch noch um ein zweites Standbein. „Männer würden so etwas nie auf die Beine kriegen, Frauen können viel mehr aushalten“, meinte Müller.

Zwei der besten Handballerinnen Deutschlands hat er am Abend dabei: Jana Krause, ehemaliges Mitglied der Nationalmannschaft und Meike Schmelzer, aktuelles Talent in der deutschen Auswahl. Meike ist 24 Jahre alt und hat jüngst ihren Bachelor gemacht, zur Uni muss sie von Erfurt nach Jena pendeln. Morgens geht es in den Hörsaal, abends in die Halle. Kollegin Jana Krause ist sogar schon einen Schritt weiter, den Master in Betriebswirtschaft hat sie in der Tasche und geht 20 Stunden die Woche arbeiten. „Das ist schon hart“, sagt Krause, „es gibt einem aber auch eine ganz andere Motivation zum Training zu gehen.“

Und Motivation, die haben sie reichlich, auch wenn ihre Gehälter nicht mit denen der Spitzenspielerinnen aus anderen Ländern zu vergleichen ist. Ein hohes Angebot aus Thüringen kommt kaum einem Zweitliga-Gehalt in Ungarn gleich, weiß Trainer Müller aus leidlicher Erfahrung zu berichten.

v. l.: Helmut Peter, Meike Schmeltzer, Jana Krause und Herbert Müller (Foto: Angelo Glashagel) v. l.: Helmut Peter, Meike Schmeltzer, Jana Krause und Herbert Müller (Foto: Angelo Glashagel)

Zu anderen Vereinen oder ins Ausland ziehe es sie trotzdem nicht, berichten die beiden Spielerinnen. „Wir sind sechsmal Meister geworden und spielen immer ganz oben mit. Das ist Motivation genug“, erklärt Schmelzer, „niemand von uns ist auf den Kopf gefallen, wir wissen alle, dass es ein Leben nach dem Handball geben muss.“ Das bauen sich die Spielerinnen schon jetzt auf, neben dem Sport und das lasse man nicht einfach so los um ein paar Jahre ins Ausland zu gehen, meinte Krause.

Der letzte Gegner des kleinen Thüringer Vereins, der mazedonische Club Vardar Skopje, habe gut das zehnfache Budget des THC, sagte Herbert Müller. Es sei ein ungleiches Kräftemessen und die Schere gehe weiter auseinander. „Trotzdem treten wir jedes Jahr an, um den großen Vereinen Konkurrenz zu bieten, nicht nur um sie zu ärgern, sondern um sie zu schlagen“, erklärte Müller kämpferisch.

Am kommenden Sonntag soll das wieder gelingen. Gegen das norwegische Team aus Larvik, das laut Müller zu den sechzehn besten der Welt gehört, hatte man zum Auftakt der Saison gewinnen können. Gegen Vardar, in Müllers Einschätzung unter den Top Drei der Welt, hat man eine deutliche Niederlage hinnehmen müssen. Gegen die ungarischen Damen aus Budapest am Sonntag, Rang sechs oder sieben auf Müllers Weltrangliste, könne man gewinnen. „Wenn wir so spielen wie gestern, dann haben wir eine Chance“.

Wer die THC Damen selber in Aktion erleben möchte, der kann sich das Spitzenspiel der europäischen Handball Champions League am kommenden Sonntag Live und in Farbe in der Nordhäuser Wiedigsburghalle ansehen. Anpfiff ist 14 Uhr, es verspricht spannend zu werden, wie eigentlich fast immer im Handball. Und wer verhindert sein sollte, aber dennoch nichts verpassen will, für den ist dann natürlich auch die nnz wieder mit dem Live-Ticker dabei.
Angelo Glashagel
Autor: red

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