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Hype um die Elektromobilität

Nicht so schnell mit den elektrischen Pferden

Dienstag, 25. April 2017, 10:20 Uhr
In den zurückliegenden Monaten haben sich die Nachrichten zur E-Mobilität nahezu stündlich überschlagen. Auf der einen Seite wird der Elektroantrieb für Autos nahezu gotthaft überdreht, auf der anderen der Verbrennungsmotor als der Totengräber der Menschheit bezeichnet. Wir sind diesen beiden Phänomenen einmal nachgegangen. Nicht etwa in Hamburg, Berlin oder München, sondern in der normalen Provinz…



Sicher, es wird in den kommenden Jahren immer mehr Fahrzeuge geben, die nicht mehr mit einem herkömmlichen Motor angetrieben werden. “Aber wir werden in Thüringen keine Revolution erleben, davon bin überzeugt”, sagt einer der beiden Chefs der Autohaus Peter Gruppe, Helmut Peter, im Gespräch mit den Nordthüringer Online-Zeitungen. “Für Ballungszentren sind die E-Flitzer sicher eine Alternative, da zum Beispiel Parkplätze immer mehr zur Mangelware werden und sich vor allem der Ausbau der für den puren E-Antrieb notwendigen Infrastruktur in großen Städten wesentlich effizienter voranbringen lässt. Aber genau an dieser Infrastruktur wird es im ländlichen Raum scheitern. Vorerst,” ist sich Peter sicher.

Nicht jeder kann sein E-Mobil vor der eigenen Haustür auftanken, sondern er muss zur E-Tanke fahren und dort mindestens 20 Minuten für eine Schnellladung verharren. Was ist, wenn zwei tanken wollen, es aber nur einen Stecker gibt? Deshalb setzt Helmut Peter, ähnlich wie die drei großen deutschen Autobauer, neben der weiteren Entwicklung der E-Autos, vor allem auf den Hybridantrieb und auf Forschungen rund um die Brennstoffzelle. Letzterer steckt zwar noch in den sogenannten Kinderschuhen, doch das, was bislang nach außen gedrungen ist, wird vermutlich nur die Spitze des Forschungseisberges sein. Vier Wasserstoff-Tankstellen gibt es in Berlin, in wenigen Minuten ist der “Tank voll” und diese Ladung reicht für 500 bis 600 Kilometer.

Kommen wir zu den Preisen der aktuellen E-Autos, zum Beispiel dem Smart. Der sollte, so wollte es der Konzern, nicht mehr kosten als ein herkömmliches Modell. Rund 15.000 Euro in der Grundausstattung. Soweit, so gut. Doch dann kam der Preis für Akku-Miete hinzu, die beträgt 70 Euro im Monat. Da der Autor dieses Beitrages seit 2002 einen Smart fährt, kann eingeschätzt werden, dass man für 70 Euro zweimal den Tank füllen und damit rund 800 bis 900 Kilometer im Landkreis Nordhausen fahren kann. Mittlerweile ist die Preisgestaltung des Konzerns geändert, der E-Smart kostet inklusive Batterie knapp 22.000 Euro, die Prämie muss davon noch abgezogen werden.

Helmut Peter hat keine Angst vor der Elektromobilität, für ihn macht das nicht den gravierenden Unterschied, welche Fahrzeuge in seinen Häusern verkauft werden. Und auch das Geschäft mit Service und Reparatur kippt nicht so einfach weg: “Analysen von Konzernen, deren Autos wir als Gruppe verkaufen, haben übereinstimmend ergeben, dass der Aufwand bei E-Autos zwar geringer sein wird, aber immer noch bis zu 75 Prozent der jetzigen Wartungs- und Reparaturstunden ausmachen wird.”

Helmut Peter beobachtet nicht nur den momentane Hype um das E-Auto, sondern vor allem das Verhalten der Konzerne, die immer noch zu den prominentesten Marken zählen, und das ist nun mal die automobile Dreifaltigkeit aus VW, BMW und Daimler, wobei auch Opel dazu zu zählen wäre. Peter ist sich sicher, dass die das nötige Geld und Know How haben, um im richtigen Moment zum technologischen Überholen anzusetzen. Doch die Indikatoren sind nicht vorhanden. Zum Beispiel haben sich alle großen Autovermieter bislang nicht an die Elektromobilität gewagt. Sie befinden sich in einer Abwartehaltung, weil eben die Begleitfaktoren wie Reichweite oder Tank-Infrastruktur nicht oder noch nicht ausgebaut sind.

“Man stelle sich vor, wenn es im Jahr 2020 eine Million Elektroautos in Deutschland nicht nur geben soll, sondern die auch fahren und tanken müssen, was dann an Tankstellen entlang der Autobahnen los ist. Und da meine ich nicht entlang der A 38 oder der A 71. Auch die Kosten für den Strom und zwar für alle, werden sich vervielfachen”, sagt Helmut Peter und beruft sich dabei auf Studien der Bundesnetzagentur. Die warnt vor steigenden Preisen durch den Ausbau des Ladenetzes. Auf 30 Milliarden Euro werden die geschätzt und bereits aktuell machen die Netzentgelte ein Viertel des Strompreises für private Kunden aus. Und dabei ist noch nicht einmal die steuerliche Seite betrachtet. Wo wird sich der Staat die Steuern herholen, die bekannterweise bei Strom deutlich niedriger sind als bei Benzin und Diesel?

Das zögerliche Herangehen an die Elektromobilität der deutschen Kunden kann die Autohaus Peter Gruppe seit drei Jahren selbst beobachten. Am Standort Göttingen der Gruppe kann elektrisch getankt werden. Nur, kaum jemand tankt dort. In seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der Bundesfachschule für Betriebswirtschaft im Kfz-Gewerbe (BFC) sowie durch zahlreiche Vorträge an der Hochschule Nürtingen weiß Helmut Peter um die Offenheit junger Menschen zur Elektromobilität, er erkennt aber auch zunehmend die nötige Distanz nach Abwägung aller Einflussfaktoren.

In Summe, sagt der Chef der Autohaus Peter Gruppe, sei es richtig, den Ausbau alternativer Mobilitätskonzepte auch durch Fördermittel, also durch Steuergelder, zu begleiten. “Es sei schon gestattet, Fördermittel zu verbrennen, auch im Landkreis Nordhausen, doch auf ewig wird sich das nicht gestalten lassen. Versiegt der Fördergeldstrom, dann muss Aufwand und Nutzen abgewogen werden. Betriebswirtschaftlich gesehen, braucht die Elektromobilität noch einige Jahre, ehe sie eine tatsächliche und ernst zu nehmende Alternative - auch und vor allem im Lkw-Sektor sein kann.

Und letztlich ist da noch die Akzeptanz bei den Kunden. Trotz allen Öko-Booms, die Mercedes-Tochter AMG hat im vergangenen Jahr in Affalterbach 27.000 Fahrzeuge gebaut und verkauft, die mehr als 400 PS unter der Motorhaube haben, das ist gegenüber 2015 eine Steigerung von rund 20 Prozent.

“Wir als Gruppe werden uns dem Trend zum Elektroantrieb nicht verweigern, wir werden ihn begleiten und wir werden auf Kundenwünsche reagieren. Aber wir werden weder in Panik noch in Aktionismus verfallen”, sagt der Mann, der Autos verschiedener Hersteller seit Jahren “lebt”
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

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