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Neues aus der Dichterstätte Sarah Kirsch

Soll ich dich mit einem Sommertag vergleichen?

Sonntag, 23. April 2017, 12:12 Uhr
Mitglieder des Fördervereins „Dichterstätte Sarah Kirsch“ und Schüler der Staatlichen Regelschule „Hainleite“ präsentieren Sonette William Shakespeares...


154 Sonette sind es, die Shakespeare, der geniale englische Dramatiker, verfasst hat. Texte, vermutlich alle vor 1598 entstanden und 1609 erstmalig erschienen, die innere Räume erschließen, an seelischen Regungen teilhaben lassen.

Ausgehend von den „Canzoniere“ Petrarcas (1304-1374) verbreitet sich die Kunst der Sonett-dichtung in ganz Europa und erreicht in der Mitte des 15. Jahrhunderts die britische Insel. Dort entwickelt sich eine Sonderform des Genres. Aus ursprünglich jeweils zwei aufeinander- folgenden Quartetten und Terzetten werden drei Quartette und ein abschließendes Couplet – ein Verspaar, an Epigramme erinnernd, das zuvor Gesagte pointierend.

Diese Form nutzt Shakespeare als gedankliche Struktur für die Vermittlung neuer Inhalte. Sind die Sonette Petrarcas, ähnlich wie die Dichtung der Hohen Minne, Spiegel der höfischen Welt und an eine idealisierte Dame adressiert, so richten sich 129 der Texte Shakespeares an einen „fair boy“. Dabei ist nicht auszumachen, ob dieser Ziel eines körperlichen Begehrens oder platonischer Liebe ist. Da Shakespeares Sonette aber eher im Rahmen geltender gesellschaftlicher Konventionen entstehen, ist der „fair boy“ vermutlich Folie für ein allgemeines Liebesideal.

Ebenso neu ist die „dark lady“, eine Art irdische Geliebte, an die einige der Texte gerichtet sind. Sie entspricht nicht dem damaligen Schönheitsideal und dient vor allem als Projektionsfläche für fleischliche Lust. Shakespeare changiert zwischen den Geschlechtern, sodass nie klar ist, an wen er sich richtet, die Sonette dadurch ambivalent wirken, sich jeder mit ihnen identifizieren kann. Thematisch neu ist auch die Vergegenwärtigung des Zeit-Begriffs, verbunden mit Schicksals- und Weltklagen. Dies ermöglicht dem Autor, seine Gegenwart zu reflektieren und Aussagen darüber hinaus zu treffen. Sicherlich auch ein Grund dafür, dass seine Sonette so bekannt und beliebt sind. Immerhin gibt es allein im deutschsprachigen Raum über 300 unterschiedliche Übersetzungen. Und sie bieten eine Möglichkeit der eigenen künstlerischen Auseinandersetzung mit deren Inhalten.

So vertonte Schostakowitsch beispielsweise das Sonett 66 „All dessen müd nach Rast im Tod ich schrei…“ in seinen „Sechs Romanzen nach Versen englischer Dichter“ wohl auch, um sein persönliches Dilemma in der Stalinzeit zu verarbeiten.

Vermutlich sind Shakespeares Sonette keine Erlebnislyrik, denn konkrete Ereignisse und Personen lassen sich kaum nachweisen. Sie rühren als Gedankenlyrik die Gemüter über sich, die Liebe und die Welt nachzusinnen.

Seien Sie herzlichst am 29. April 2017, 14:30 Uhr in die Aula der Staatlichen Regelschule „Hainleite“ Wolkramshausen zur Vorstellung Shakespeares schönster Sonette eingeladen.
Autor: red

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