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Flohburg will pädagogische Arbeit ausweiten

Geschichte findet auch draußen statt

Donnerstag, 08. Dezember 2016, 10:30 Uhr
Personalprobleme, Rechtsstreit zwischen Stadt und ehemaliger Museumsleiterin, Auflösung des Fördervereins - das Stadtmuseum Flohburg hat schwierige Zeiten hinter sich. Weiter gearbeitet hat man trotzdem, meist unbeachtet und im Stillen, aber mit Erfolg. Darauf will man im kommenden Jahr aufbauen und sich stärker als bisher auf die pädagogische Arbeit konzentrieren...

Flohburg will pädagogisches Programm ausbauen (Foto: Stadtmuseum Flohburg) Flohburg will pädagogisches Programm ausbauen (Foto: Stadtmuseum Flohburg)

Geschichte findet im Alltag vor allem zwischen Buchdeckeln und auf dem Fernsehbildschirm statt. Das eine kann zur trockenen Lehrübung verkommen, das andere zur effekthascherischen und nicht selten auch oberflächlichen Präsentation der ganz großen (und hinlänglich bekannten) Ereignisse und Personen.

An der "eigenen" Geschichte, am Werden und Vergehen der Menschheit vor der eigenen Haustür, hat heute nur noch ein kleiner Kreis an Enthusiasten Interesse, so scheint es. Das zu ändern, auch dafür war das Stadtmuseum Flohburg nach seiner Eröffnung angetreten. Aus einem Buch zu lernen ist schön und gut. Besser ist es, das gelernte auch ganz praktisch sehen, vielleicht sogar anfassen zu können. Und dafür muss man auch heute noch den Weg ins Museum finden. Besser noch: man geht mit dem Museum in die Stadt, an die Orte, an denen Geschichte greifbar wird. Bewusstsein für die eigenen Herkunft schafft Identität, Bindung, ein Zugehörigkeitsgefühl. Und Geschichte schärft den Geist für die Möglichkeiten menschlichen handelns, im Guten wie im Schlechtem.

Das hehre Ziel stand von Beginn an unter keinem sonderlich gutem Stern, das Haus war und ist zwar gut bestückt, um seine Möglichkeiten voll auszureizen fehlte es aber an Fachpersonal. Stattdessen konzentrierte man sich auf Veranstaltungen, Konzerte, Lesungen, Sonderausstellungen - die Grundpfeiler einer unterfinanzierten Kultursparte. Dann kam der gründlich missglückte Versuch der Stadtverwaltung die bisherige Museumsleiterin Cornelia Klose loszuwerden. In der Folge löste sich der Förderverein des Hauses auf und die Personaldecke wurde noch etwas dünner. Die Nachwehen dieser Episode halten bis heute an, in der Nordhäuser Museumslandschaft kristallisiert sich erst dieser Tage heraus, wie es auf der Leitungsebene nun eigentlich weiter geht.

Es ist relativ ruhig geworden um die Flohburg, hier und da finden noch Veranstaltungen statt, aber sie sind seltener geworden. Was nicht heißen würde, das man nicht mehr arbeiten würde. Im Gegenteil. Museumspädagogin Astrid Lautenschläger, bis vor kurzem auch Depotleiterin, hat zwar selber nicht viel Zeit im Haus zu arbeiten, suchte aber dennoch Wege, die Personalproblematik abzufedern.

Das Ergebnis: 720 Kinder aus dem ganzen Landkreis und darüber hinaus hat man im vergangenen Jahr in der Flohburg begrüßen können. Nicht als reguläre Besucher an verregneten Nachmittagen, sondern als Teilnehmer pädagogisch ausgelegter Programme. Vor allem in den Ferien herrscht Hochbetrieb. An warmen Tagen nutzt man zum Beispiel gerne den Kräutergarten hinterm Haus. Dessen Bewuchs wurde anhand historischer Quellen zusammengestellt, die bis auf Karl den Großen zurückgehen, dessen Franken den Grundstein für die spätere Stadt gelegt haben sollen.

Die Kinder selbst können Kräuter trocknen und Pflanzensteckbriefe anfertigen, wie man das schon im 16. Jahrhundert gemacht hat, den entsprechenden Beleg hat man im Museum natürlich gleich zur Hand. Die Kräuter werden gerochen, geschmeckt und zu Saft, Quark oder Plätzchen verarbeitet. Lernen durch erleben und anfassen.

Museum mobil - Astrid Lautenschläger mit ihrem Museumskoffer (Foto: Angelo Glashagel) Museum mobil - Astrid Lautenschläger mit ihrem Museumskoffer (Foto: Angelo Glashagel)

Und man geht hinaus, in Zusammenarbeit mit der Gästeführergilde hat Lautenschläger verschiedene Stadtführungen für Kinder und Jugendliche erarbeitet, die Geschichte dort präsentieren, wo sie sichtbar gemacht werden kann. Etwa beim Rundgang "Nordhausen mal von oben, mal von unten", der unter anderem den Rathausturm und die Keller des Walkenrieder Hofs, dem ehemaligen Waisenhaus, erkundet. In der Führung "Dem Himmel so nah", erforscht man den Nordhäuser Dom bis in die letzten Winkel und kann dabei allerlei Details rund um Königin Mathilde, das Weltverständnis des Mittelalters oder zur Religionsgeschichte vermitteln. Bei "Ich zeig dir meine Stadt, du zeigst mir deine Stadt", ist es den Kindern überlassen, wo man verweilen, lauschen und erleben kann. Lautenschläger Lieblingsplatz ist die Stadtmauer, "hier kann man unheimlich viel erklären und hat Plätze an denen man verweilen und zuhören kann". Ganz neu ist der "Flohburg Detektiv", eine Art Schnitzeljagd durch das Museum, die vor allem auf jüngere Besucher zugeschnitten ist.

Im kommenden Jahr will Lautenschläger auf diesen Programmen aufbauen und noch mehr "Besucher von morgen" für die Geschichte der Stadt begeistern. "Das findet nicht nur in den Ferien statt. Unsere thematischen Führungen orientieren sich am Thüringer Lehrplan und sind auf verschiedene Klassenstufen abgestimmt", erklärte die Museumspädagogin. Für Klasse 5./6. dreht sich dann alles um das Leben in der Urzeit, natürlich mit regionalem Bezug. Für die höheren Klassen folgen Mittelalter, Rechtssprechung, Reformation, Napoleon und die Befreiungskriege, der erste Weltkrieg und der Nationalsozialismus. Es gibt eine Erstsemesterfürhung für Studenten, man dient als außerschulischer Lernort im Wahlpflichtunterricht oder hilft bei Seminarfacharbeiten. Dazu kommen Aktivangebote, Seminare die jeweils rund zwei Schulstunden in Anspruch nehmen bei denen es unter anderem um die Geschichtswissenschaft als solches oder um Geschichte vor der Haustür geht, etwa anhand von Straßennamen oder die Korrelation zwischen Besiedlung und Wasserversorgung.

Damit hat Lautenschläger auch schon Klassen aus Orten wie Halle, Leipzig, Erfurt oder Merseburg begeistern können. "Es geht grundsätzlich um unsere Stadtgeschichte", erklärt Lautenschläger, "aber wir teilen Geschichte auch miteinander, in der Entwicklung der Städte gibt es viele Paralellen. Was es bedeutet "Reichsstadt" zu sein, ist zum Beispiel auch für die Merseburger Geschichte relevant und im Mittelalter hat man an der Saale nicht viel anders gelebt als an der Zorge."

Zu verdanken hatte das Museum die weitgereisten Gäste einer Kooperation mit dem Jugendgästehaus Rothleimmühle, mit dem man im neuen Jahr noch enger zusammenarbeiten möchte. Bisher seien die Führungen immer vom Museum ausgegangen, jetzt wolle man als Museum auch auf das Gasthaus zugehen, erläuterte Lautenschläger und zu diesem Zweck weitere thematische Führungen ausarbeiten um Klassenfahrten mit pädagogischen Hintergrund anbieten zu können.

"Wir haben noch mehr Ideen in Vorbereitung", sagt Lautenschläger, unter anderem kleine Führungen für Kindergartenkinder. Die pädagogische Offensive soll auch auf das Kunsthaus ausgeweitet werden.

Das Haus Meyenburg hat sich durch ein ambitioniertes Ausstellungskonzept einen Namen auch über die Region hinaus gemacht. Es bleibt zu hoffen, das was dem Kunsthaus über öffentliche Aufmerksamkeit gelungen ist, der Flohburg durch beständige und qualitativ hochwertige Bildungsarbeit zu Teil wird: der Ruf eines Hauses, das sich mit Herzblut für sein Themengebiet einsetzt. Spannende und aufschlussreiche Geschichtsvermittlung kann ein Baustein der viel beschworenen touristischen Anziehungskraft sein, wenn man es denn schafft diese Qualitäten einmal zu etablieren. Dafür braucht es Menschen mit Enthusiasmus, wie Astrid Lautenschläger. Und es braucht ehrliche Unterstützung aus den Amtsstuben und Räten, will man mit dem touristischen Ausbau irgendwann einmal ernst machen.
Angelo Glashagel
Autor: red

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