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Ministerin im Naturpark

Die Köpfe stecken im Sand

Sonnabend, 27. August 2016, 08:35 Uhr
Gestern lesen wir in einem nnz-Beitrag über einen Besuch der grünen Thüringer Umweltministerin Siegesmund im Naturpark Südharz. Wenn der Inhalt des darauf basierenden Beitrages dem Gehalt der hier geführten Gespräche entspricht, dann wäre dies gelinde gesagt traurig, sagt Bodo Schwarzberg...


Ich kann dieses Gerede nicht mehr hören: vom Naturpark und seiner Entwicklung. Hier wächst das Rückgrat des Naturparks, der vielbeschworene Karstwanderweg zu, wir vom BUND, einige vom Nabu, AHO und ich als Einzelperson, wir führen einen schier endlosen Kampf um jeden einzelnen Wuchsort bedrohter Arten, dort droht gleich an mehreren Stellen neuer Gipsabbau. Und der Naturpark Südharz hat weiter nichts zu tun, als einen Touriweg an der Salzaquelle zu offerieren - und natürlich eine noch rosigere Zukunft zu PLANEN.

Warum, frage ich mich, kümmern sich die Verantwortlichen nicht erst einmal um die viel wichtigere Erhaltung und Verbesserung des BESTEHENDEN und noch viel stärker um die Revitalisierung zum Beispiel früher artenreicher Landschaftsausschnitte, jene also, die doch unsere alte Kulturlandschaft mit unverwechselbar machten?

Warum treten sie nicht gegen die ständig fortschreitende weitere Versiegelung auf, warum kümmern sie sich nicht um vieles mehr, was im Naturpark brachliegt? Warum steht in dem Beitrag nichts über die Gründe der weiterhin rückläufigen Übernachtungszahlen im Thüringer Südharz?

Warum steht dort nichts über die Widersprüche zwischen den Politikerworten von Jahrzehnten zum Thema Arterhaltung und der Realität? Müsste nicht Klartext gesprochen werden, wenn Siegesmund kommt und müsste nicht gefordert werden?

Ein kleiner Touriweg am Salzaquell, ja das brauchen wir, um den Naturpark auf dem Weg zum Biosphärenreservat voranzubringen. Es tut sich nur ein Bruchteil von dem, was tatsächlich nötig wäre, also viel, viel zu wenig, um eine negative Tendenz zu stoppen. Jedes Jahr des Wartens und Wegschauens, des Ignorierens der vielen Probleme, des weiteren Duldens zerstörender wirtschaftlicher Erschließungen im Gebiet im Sinne der Wachstumsideologie, also ohne dies an der Wurzel anzugehen, führt zu weiteren Verlusten von Naturparkqualität und zu Verlusten an Biodiversität.

Da gäbe es für alle genug zu tun. Der Ministerin wurden offenbar potemkinsche Dörfer vorgeführt, wie zu DDR-Zeiten, als die Fassaden der einheitsgrauen Häuser angemalt wurden, wenn der Generalsekretär in die Stadt kam. Ich hätte ihr anderes gezeigt. Man müsste ihr einen Brief mit Beispielen über die wahre Situation schreiben. Ich vermisse eine Menge: Immerhin kommt die Umweltministerin Thüringens in einen ökologischen Brennpunkt. Und dann so was?

Machen wir es konkreter:
Ich bin sehr gespannt, was aus dem groß von ihr angekündigten Naturschutzgroßprojekt und dem Biosphärenreservat werden soll. Bekanntlich hat dieses die derzeit regierende Koalition zur Zielmarke erklärt. Warum steht davon nichts in Glashagels Text?

Zugewachsen (Foto: Bo) Zugewachsen (Foto: Bo)
Zertifiziert und vergessen? Der Karstwanderweg im Naturpark - an mehreren Stellen unbegehbar während der Urlaubszeit (16.07.2016 bei Hörningen)

Wie stellen sich die Ministerin, Dr. Zeh und der Landrat die Entwicklung des sanften Tourismus im Naturpark vor? Mit welchen Maßnahmen soll der Karstwanderweg als so genannter Qualitätsweg konkret vor dem Vergessen und Zuwachsen bewahrt, ja wie soll der Widerspruch zwischen der öffentlichen Darstellung und den tatsächlichen Gegebenheiten gelöst werden? Davon stand im Artikel kein Wort. Auch nicht zu der Frage, wie denn der von der Ministerin erwähnte Hot Spot der Artenvielfalt ein solcher Hot Spot bleiben soll.

Immerhin sind bereits gravierende, kaum wieder gut zu machende Verluste in den vergangenen Jahrzehnten eingetreten. Haben wir überhaupt noch einen Hot Spot? Kein Wort davon im Beitrag zu dieser kritischen Frage, auch nicht zu Zielmarken: Um wie viel Prozent wollen wir den Artenrückgang senken zum Beispiel? Und wie konkret und bis wann? Sehr verwunderlich das Ganze. Von den entscheidenden Parametern einer Zukunft des Naturparks las ich konkret eigentlich gar nichts.

Selbst nicht vom Gipsabbau: Läuft da was im Hintergrund, als Preis für die eventuelle Erhaltung des Winkelberges? Von oberflächlichem Allerweltsgeschwafel war hingehen viel zu lesen. "Region in Ihrer Einzigartigkeit erhalten", und natürlich den „Hot Spot der Artenvielfalt“ erhalten: Das hören wir seit 40 Jahren. Tatsächlich ist es immer nur schlimmer geworden mit den Artenverlusten in den meisten Tier- und Pflanzengruppen. Nachweislich. Der Freistaat hinkt bei der Erarbeitung der FFH-Gebietsmanagementpläne weit hinterher (die Richtlinie ist von 1992!), ganz zu schweigen von deren praktischer Umsetzung.

Zudem beschönigen die Managementpläne, die ich kenne, die wahre Situation an einer ganzen Reihe von Stellen bei weitem. Nun gut: Die ausführenden Büros wollen ja wieder beauftragt werden. Und ich als Einzelkämpfer muss die Untere Naturschutzbehörde mehrfach darauf hinweisen, wenn der Wuchsort der europaweit extrem seltenen und vom Aussterben bedrohten Pilzart Sarcodon lepidus von Rinderweide bedroht wird, obwohl die Art in der Thüringer Biodiversitätsstrategie als vordringlich zu erhaltend explizit erwähnt ist.

Das sich "In die Tasche-Lügen", Ignorieren und "Für eine bessere Zukunft planen" will einfach kein Ende nehmen! Alle aber ziehen dabei an einem Strang, ob in Parteien, Kommunen, Landratsämtern oder Behörden. Wie zu DDR-Zeiten eben.

Text und Gruppenbild strotzen sicher deshalb von Farblosigkeit. Und die notwendigen, aber eben weggelassenen, unbequemen Textpassagen sind dementsprechend umso bunter und dramatischer. Wenigstens in der Phantasie.
Bodo Schwarzberg
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Autor: nnz

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