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NNZ-BETRACHTUNG

Achtung statt Verachtung

Freitag, 17. Juni 2016, 18:52 Uhr
Am Stammtisch herrscht Meinungsfreiheit. Es gibt keinen besseren Nährboden für Gerüchte. Dort können ohne größeren Schaden verbal Attacken geritten werden. Vornehmlich gegen Politiker. Oberbürgermeister Klaus Zeh, Landrat Matthias Jendricke und andere Prominente bleiben da nicht außen vor...


Aber sobald eine öffentliche Bühne betreten wird, sollten Stammtischpolitiker ihre Äußerungen gut überlegen, die Messlatte ihrer Wortwahl mit Bedacht höher legen und vermeiden, was einen Menschen lächerlich machen oder beleidigen könnte.

Klaus Zeh und Matthias Jendricke gaben bereitwillig dieser Zeitung ein Interview. Es gab auch einen Einblick in ihr privates Leben. Das macht sie vielen Leser sympathisch. Auch dem Autor dieser Betrachtung. Aber nicht allen.

Was in einigen Kommentaren darüber zu lesen war, ist schlichtweg rudimentär. Schlimmer noch das, was mitunter über das Stadtoberhaupt, den Kreischef und andere Kommunalpolitiker zu vernehmen ist: Behauptungen, Unterstellungen, Unfähigkeit, Vetternwirtschaft.

Das kann zur Folge haben: Eine einmal verlorene Ehre lässt sich nur schwer wiederherstellen, selbst dann, wenn sich die politischen oder moralischen Verfehlungen als nicht justiziabel heraus stellen, Unterstellungen sich als unhaltbar erwiesen. Mag man da ein noch so dickes Fell haben. Es geht an die Substanz.

Aber auch die lokalen Medien, die nnz inbegriffen, haben ihren Anteil an der Politikerschelte dann, wenn die notwendigerweise kritische und überspitzte Berichterstattung in reine Skandalisierung umschlägt. Nicht nur Schlagzeilen wollen überlegt sein.

In diesem Lande, so scheint es, werden Politiker mehr und mehr beleidigt oder zur Lachnummer erklärt. Oder müssen Attacken befürchten. Die gegen Sahra Wagenknecht war eine. Es waren zwar keine Eier oder Farbbeutel, noch war ein Messer im Spiel. Es war ja „nur“ eine süße Torte. So mag es der sehen, der hart im Nehmen und abgebrüht genug ist. Es war ein perfider Angriff auf eine Politikerin. Diesen Leuten gegenüber scheinen Regeln des Anstands nicht mehr zu gelten.

Andererseits: Heilige sind Politiker auch nicht. Auch wenn sie die Bibel in der Hand halten. Sie sind für die Vorlagen oft selbst zuständig. Lieferten nicht auch unsere Kommunalpolitiker Zündstoff für Streit und Zank? Mit gegenseitigen Vorwürfen, Beschuldigungen, Unterstellungen, Parteienzwist. Für Medien immer wieder Steilvorlagen.

Harte, aber faire politische Auseinandersetzung setzt als Selbstverständlichkeit eine Rückbesinnung auf Regeln des Anstands voraus, was bedeutet: Achtung statt Verachtung. Die Hand nicht gleich zur Faust ballen. Die Zunge sinnvoll hinter den Zähnen lassen. Überlegt die Tastatur bedienen. Auch keine Torten als Wurfgeschosse oder Gesichtsmasken gegenüber dem Gegner benutzen, mögen sie auch noch so süß schmecken.
Kurt Frank

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Autor: nnz

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