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Auf in den Iran

Vom Tabu zum Hoffnungsträger

Freitag, 13. Mai 2016, 16:22 Uhr
Am Pfingstmontag startet eine rund 30-köpfige Delegation unter Leitung des Thüringer Wirtschaftsministers Wolfgang Tiefensee in den Iran. Mit dabei auch Wirtschafts- und Wissenschaftsvertreter aus Nordthüringen...


Durch die Einigung im Atomstreit Anfang 2016 und die Aufhebung der Sanktionen sieht der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt, Professor Gerald Grusser, vielversprechende Chancen für eine Wiederbelebung der ehemals guten Handelsbeziehungen.

„Der sogenannte ‚Implementation Day‘ leitete im Januar dieses Jahres den schrittweisen Abbau der Sanktionen ein. Damit könnten die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Thüringen und der islamischen Republik in der zweiten Jahreshälfte 2016 deutlichen Schwung aufnehmen“, zeigt sich Grusser optimistisch.

Nach Angaben des Thüringer Landesamtes für Statistik exportierten einheimische Betriebe 2015 Waren im Wert von rund 17,3 Millionen Euro, das entspreche einer Steigerung von 26,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Geliefert wurden vor allem Kautschukwaren, Pharmazeutische Erzeugnisse, Medizintechnik und Werkzeugmaschinen. „Insgesamt 143 Thüringer Unternehmen mit Geschäftskontakten zum nahöstlichen Staat sind aktuell bei den Industrie- und Handelskammern registriert“, so der IHK-Chef.

Für die Unternehmen des Freistaats im Bereich Maschinen- und Anlagenbau, in der Automobilindustrie, der Pharmazie, der Medizintechnik, der chemischen Industrie und den erneuerbaren Energien eröffneten sich nun aussichtsreiche Chancen. Sie resultierten vor allem aus dem Nachholbedarf an Ausrüstungen, den die iranische Industrie inzwischen habe, sowie aus dem schlechten Zustand der Infrastruktur im Land. Für die Errichtung und die Instandhaltung von Produktionsanlagen, die teilweise stillgelegt werden mussten, würden dringend moderne Komponenten benötigt. Aus Nordthüringen sind unter anderen der Präsident der Nordhäuser Hochschule sowie Vertreter von HBM Nobas oder Feuer Powertrain dabei.

Die Regierung des Landes selbst beziffert den Investitionsbedarf bis 2023 auf rund 900 Milliarden Euro. Ein Drittel davon soll durch ausländische Investitionen gedeckt werden.

„Die Ausgangslage für eine Neubelebung der Geschäftsbeziehungen ist für unsere Unternehmen gar nicht so schlecht“, erklärt der IHK-Hauptgeschäftsführer. Die Jahre des Embargos hätten zwar die Konkurrenten aus China, Russland und der Türkei genutzt, um auf den iranischen Markt vorzudringen. Traditionell seien allerdings Produkte und Dienstleistungen „Made in Germany“ sehr gefragt, denn iranische Firmen schätzten die Vertragstreue der Deutschen und die Zuverlässigkeit ihrer Maschinen. „Faktoren, die auch für die Thüringer Wirtschaft kennzeichnend sind“, so Grusser. Nicht vergessen werden dürfe auch der Rohstoffreichtum des Iran. Weltweit stehe das Land mit seinen Erdölreserven auf Rang 4 und bei den Erdgasvorkommen sogar auf Rang 2. Das frühere Persien verfüge zudem über wertvolle Rohstoffe wie Kupfer und Zink.

Als größte Hürde für einheimische Firmen betrachtet Grusser aktuell die Finanzierung von Iran-Geschäften. Bei den meisten deutschen und europäischen Banken herrsche angesichts drohender Strafmaßnahmen in den USA nach wie vor Zurückhaltung. „Die deutsche Wirtschaft blickt zwar mit Zuversicht auf das Iran-Geschäft, allerdings müssen jetzt wichtige Weichen bei der Finanzierung der Geschäfte gestellt werden“, fordert der IHK-Hauptgeschäftsführer.
Autor: psg

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