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Betrachtet

Juden und die V2-Produktion im Kohnstein

Sonntag, 11. Oktober 2015, 08:32 Uhr
Unter dem SS Kommandanten (ehem. Auschwitz) des KZ Mittelbau, Richard Bär, wurden jüdische, befähigte Häftlinge insbesondere zur Lösung von Problemen in der Serienfertigung des A4, bekannt als Wunderwaffe V2, eingesetzt. „Ausnahmejuden“, die auch als kriegswirtschaftlich wichtige Juden bezeichnet worden sind. Diese standen vor einem besonderen Dilemma…


Von Tim Schäfer, basierend auf Augenzeugenberichten im Bestand des US- Holocaust Memorial Museum, Washington. Teil 1

Die Geschichte der jüdischen Häftlinge im KZ Mittelbau- Dora bei Nordhausen ist sui-generis und offenbart viele Aspekte eines großen Dilemmas vor dem Hintergrund katastrophalster Verhältnisse in der Endphase selbst. Zwischen Mai 1944 und März 1945 verschleppte die SS mehr als 6000 jüdische Häftlinge in das 1943 gegründete KZ Mittelbau-Dora. Dort sollten sie Zwangsarbeit für den von den Nationalsozialisten propagierten „Endsieg“ leisten. Und Sie waren einer besonderen zusätzlichen Gefahr ausgesetzt, nämlich der Doktrin Antisemitismus der allgemeinen SS Mannschaften.

Dabei galt die Region bereits „Judenfrei“ und selbst in der Wach-SS Truppe wurden Stimmen laut, die sich gegen die neuen Juden in der Serienfertigung der V2(A4) Rakete richteten. Beinahe alle Gesichter und Zeitzeugen sind mit der Zeit verschwommen. Aber Ihre Geschichte soll weiter aufgearbeitet sein. Die jüdischen Häftlinge standen tagtäglich sehr vor der Frage Leben oder Tod. Und. In Originaldokumenten des US- Holocaust Memorial Museums (Washington) finden sich Hinweise auf jüdischen Widerstand im Mittelwerk!

Es war auch noch 1945 so, dass es in Lager und Arbeit strengste Disziplinregeln und ein brutales Regime gab. Kleine Verfehlungen konnten vielfältige, harte und sofort vollzogene eskalierende Strafen, wie direkte Schläge auf alle Körperteile, nach sich ziehen. Die Versorgungslage war dann so, dass selbst die Wachmannschaften der SS sowie die Einsatz- oder Kommandoleute nicht mehr ausreichend oder nur noch teilweise versorgt werden konnten. Dies hatte auch Auswirkungen auf die Moral der SS Leute. Teilweise stieg deren Wut und Abscheu besonders gegenüber den Juden.

Denn Ihre Vorgesetzten erklärten die mangelhafte Versorgungslage zynisch damit, dass der „internationale Jude sich daran schuldig gemacht“ hat. Jüdische Häftlinge beschreiben, dass Sie sich Zugang zu einem eingezäunten Bereich haben schaffen können, um Kartoffelschalen zu bekommen. Die waren für die Schweine vorgesehen. Daraus konnten Sie eine warme Brühe zubereiten.

In den Baracken gab es große Waschbecken, nur mit kaltem Wasser. Jeden Morgen, gerade bei Frost. Die Toiletten waren offen, ohne Sitze. Gegenüber so Urinale mit Gefäßen. In den großen Baracken waren drei Lampen, die abends um neun Uhr ausgeschaltet wurden. Die Wach-SS strafte hart ab. Beispielsweise, wenn jemand nachts „raus musste“. Schläge ins Gesicht von mehreren Wachleuten sollte die bevorzugte Strafe sein, wenn angeblich (im Dunkeln) etwas danebengegangen war. Nicht genug damit. Der Häftling wurde dann noch zusammengeschlagen. Die ganze Häftlingsmannschaft der Baracke wurde terrorisiert.

Eine besondere Tortur war das Duschen. Hier wird beschrieben, wie eiskaltes Wasser und dann sehr heißes Wasser ausgelassen wurde und Häftlinge dadurch zusammenbrachen. Sogenannte kriminelle Häftlinge waren hier eingesetzt, auch die jüdischen Häftlinge zu schlagen oder zu terrorisieren. Die Häftlinge lebten zu dieser aktuellen Stunde und immer im Stress. Ohne zu wissen, was die nächsten Minuten bringen würden. Sie wollten überleben. Das war das Hauptziel. Die Front war nicht mehr so weit weg. Ein besonderes Dilemma.

Jüdische Häftlinge, die an der Raketenanlage arbeiteten, waren auch Geheimnisträger. Sie hatten Angst, deswegen umgebracht zu werden.
Tim Schäfer

(Wird mit Teil II fortgesetzt)
Autor: red

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