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nnz-Dokumentation: Eine Aufforderung an uns Menschen

Dienstag, 09. Juni 2015, 20:28 Uhr
Zur Verlegung der Stolpersteine für Hermann Bacharach und zwei seiner Töchter, die Opfer der Nazidiktatur wurden, sprach auch ihr Nachfahre, der Amerikaner Paul Growald, eindringliche Worte. Die nnz hat die Rede dokumentiert...

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Klaus Zeh,
Sehr geehrter erster freigewählter Bürgermeister Herr Dr. Manfred Schröter, sehr geehrter Herr Gunter Demnig, Künstler und Verleger der Stolpersteine, meine Damen und Herren.

Mein Name ist Paul Growald, ich bin amerikanischer Jude deutscher Herkunft. Ich danke Ihnen für die Initiative der Verlegung der Stolpersteine der Mitglieder der Familie Bacharach und für die Einladung nach Nordhausen, dies auch im Namen meines Sohn und meiner Vetter Kenneth und Marc Louria, die aus den U.S.A. mitgekommen sind und die Ehre haben, an dieser Gedenkzeremonie teilzunehmen.

Ich möchte hier die führenden Rollen beider Bürgermeister in der Nachkriegs- und der Nachwendezeit erwähnen, insbesondere das Buch von Dr. Schröter über die Geschichte der Juden in Nordhausen. Ich danke auch dem Künstler Herrn Gunter Demnig für sein ununterbrochenes Unternehmen, mittels der Stolpersteine die Erinnerung an die Ermordeten und Vertriebenen aufrecht zu erhalten.

Mein Urgroßvater Hermann Bacharach, ein im 1. Weltkrieg ausgezeichneter Frontsoldat, war stolzer Deutscher und frommer Jude, der in der jüdischen Gemeinde eine führende Rolle hatte und auch von den anderen Mitbürgern der Stadt sehr respektiert war. Er hatte in der Bahnhofstraße 2 sein Wohnhaus gebaut, in dessen Pferdestall er einen Pferdehandel betrieb. Seine in Stein gemeißelte Initialen H. B. sind immer noch über dem Tor zu sehen.

Hermann Bacharach wurde im Jahre 1938 in Buchenwald ermordet, nur weil er Jude war. Seine Ehegattin Hedwig entging diesem grausamen Schicksal durch ihren natürlichen Tod Im Jahre 1933. Die ältere Tochter Paula, meine Großmutter, emigrierte noch rechtzeitig in die U.S.A. und ist dort im Jahre 1945 gestorben. Die jüngere Tochter Käte entkam mit ihrem Ehegatten Jean Steinberg nach Amsterdam, beide wurden im Jahre 1938 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Paul Growald war mit seinen beiden Vettern und seinem Sohn Daniel Speier Growald angereist, um der Stolpersteinverlegung für seinen Urgroßvater beizuwohnen (Foto: Angelo Glashagel) Paul Growald war mit seinen beiden Vettern und seinem Sohn Daniel Speier Growald angereist, um der Stolpersteinverlegung für seinen Urgroßvater beizuwohnen (Foto: Angelo Glashagel)

Nicht nur Juden wurden von den Nazis ermordet auch Homosexuelle, Roma und viele Andere wegen ihres Glaubens oder ihrer Herkunft. Das Deutschland der Nachkriegszeit trägt nicht die Schuld des Naziregimes. Deutschland hat sich nach dem Krieg mit großem Erfolg mit seiner schweren Vergangenheit auseinandergesetzt und kann als Muster auch für andere Völker und Nationen dienen, einschließlich meiner Nation, der U.S.A., welche viele Gräueltaten gegen Indianer und schwarze Sklaven begangen hat.

Wir, Deutsche und Amerikaner, Juden und Christen, sind über unsere Kultur und nationale Erbschaft stolz. Aber zur gleichen Zeit sollen wir die Kulturen und Traditionen anderer Völker ehren, gegen Hass aller Art und für Vielfältigkeit kämpfen. Jeder von Gunter Demnig verlegte Stolperstein ist eine Aufforderung an uns als Menschen, ein neues Kapitel der Geschichte zu schreiben und die Vielfältigkeit der Farben, Glauben, Kulturen und Traditionen zu fördern.

Die heutige Zeremonie des Gedenkens ist noch ein Schritt in diesem Sinn.

Meine Damen und Herren, Vereinigen wir uns jetzt zu einer Minute des Schweigens und im Gebet zum Gedenken der Opfer des 2. Weltkriegs und, dass so etwas nie mehr geschehen wird.
Ich danke Ihnen!
Paul Growald
Autor: red

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