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Die Wiese braucht uns

Dienstag, 21. April 2015, 11:10 Uhr
An der Lessingschule schwitzten heute viele Schüler vor der Verteidigung ihrer Projektarbeiten. Ein besonderes Thema hatten sich vier Schülerinnen ausgesucht, bei dem sie selber Hand anlegen mussten: die Streuobstwiese. Unterstützung fanden sie beim einzigen Thüringer Streuobstpädagogen...

Sie wollten etwas anderes machen als die anderen. Nicht nur Sachen aus dem Internet herausschreiben, sondern raus gehen in die Natur. Ein Jahr besuchten Johanna, Jessica, Lisa und Judith deswegen Gerd Ulm auf seiner Streuobstwiese am Rosenteich bei Neustadt.

Was kreucht und fleucht auf der Wiese? Welche Obstsorten gibt es überhaupt und was passiert wenn der Mensch die Wiese sich selbst überlässt? Mit diesen und anderen Fragen setzten sich die jungen Damen in ihrer Projektarbeit auseinander.

Mit Rat und Tat zur Seite stand ihnen Gerd Ulm. Der ist zwar eigentlich ausgebildeter Obstgärtner hat aber viele Jahre damit zugebracht an Autos herumzuschrauben bis die Gesundheit nicht mehr so mitmachte. Vor fünf Jahren erwarb er die Wiese und hat sich in der Folge von Beathe Holderied zum "Streuobstpädagogen" ausbilden lassen. Gut 150 dieser Naturlehrer gibt es in Deutschland, vor allem in ihrer Heimat Baden Württemberg, sagt Holderied.

Gerd Ulm hat Johanna, Jessica, Lisa und Judith noch eine Überaschung mitgebracht - ein Jahr lang hatten sie den Streuobstpädagogen immer wieder auf seiner Wiese besucht (Foto: Angelo Glashagel) Gerd Ulm hat Johanna, Jessica, Lisa und Judith noch eine Überaschung mitgebracht - ein Jahr lang hatten sie den Streuobstpädagogen immer wieder auf seiner Wiese besucht (Foto: Angelo Glashagel)

Gerd Ulm hat Johanna, Jessica, Lisa und Judith noch eine Überaschung mitgebracht - ein Jahr lang hatten sie den Streuobstpädagogen immer wieder auf seiner Wiese besucht

"Die Streuobstwiesen brauchen uns", sagt sie, "die Wiesen haben mehr als nur einen finanziellen Wert. Sie gehören zu unserer Kultur". Zwar gebe es immer noch viele Sreuobstwiesen in Deutschland, ihre Zahl habe sich aber seit den 60er Jahren um die Hälfte verringert und viele der übriggebliebenen seien nur unzureichend gepflegt, drohten zu "vergreisen".

Auch Beathe Holderied packte mit an (Foto: Angelo Glashagel) Auch Beathe Holderied packte mit an (Foto: Angelo Glashagel) Was das heißt berichten die Mädchen auch in ihrem Vortrag. Werden die Wiesen nicht mehr bewirtschaftet, also das Obst nicht mehr geerntet und die Tiere nicht mehr zum weiden geschickt, dann kehrt der Wald zurück. Erst gewinnen die ohnehin vorhandenen Büsche oberhand und erdrücken die Obstbäume, dann kommen die ersten Birken und schon bald folgt der Mischwald.

In Mitteleuropa sind die Kulturpflanzen nämlich erst heimisch, seit sie von den Römern über die Alpen gebracht wurden. Seitdem bilden sie einen Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere, der gerade heute vor dem Lärm der normalen Landwirtschaft hierher fliehen können. "Wir ernten hier reifes Obst", schwärmt Holderied, "und zwar tausende verschiedene Sorten, nicht nur die paar, die man im Supermarktregal findet".

Außer allerelei selbstgemachten Leckereien hat seine Wiese Gerd Ulm noch etwas ganz anderes gebracht: seine Gesundheit. Inzwischen arbeitet er für den Verein Horizont am Schullandheim Harz Rigi und plant dort ähnliche Projekte wie an der Lessingschule.

Nachdem die Mädchen ihre Noten erhalten hatten (Note "sehr gut" für alle) hatte Herr Ulm denn auch eine besondere Überraschung für sie: vier Bäume die sie selber auf dem Schulgelände pflanzen durften. Die Kirschsorten "Regina" und "Berlat", Graventsteiner Äpfel und "Csar" Pflaumen werden die Lessingschüler in den kommenden Jahren pflücken können.

Es gab nicht nur selbstgemachte Apfelleckereien: die vier Mädchen legten sich auch für ihren Vortrag voll ins Zeug (Foto: Angelo Glashagel) Es gab nicht nur selbstgemachte Apfelleckereien: die vier Mädchen legten sich auch für ihren Vortrag voll ins Zeug (Foto: Angelo Glashagel)

Es gab nicht nur selbstgemachte Apfelleckereien: die vier Mädchen legten sich auch für ihren Vortrag voll ins Zeug

Die Bäume wurden im Rahmen des Projektes "Ein Kind- ein Baum" von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald bereitgestellt und entstammen der Baumschule August aus Ellrich zur Verfügung gestellt. Mit dem Projekt „Ein Kind – Ein Baum“ realisiert die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Naturerlebnisse für Kinder und Jugendliche. Dabei werden nur einheimische Bäume und Sträucher gepflanzt, seit dem Start des Projektes im Jahr 1992 waren es bereits 44.000 Pflanzen in Thüringen.

Die Früchte ihrer Arbeit werden die vier Mädchen selbst wohl nicht mehr ernten können, für die Zehntklässlerinnen geht die Zeit an Lessingschule ihrem Ende entgegen. Den Schülergenerationen die nach ihnen kommen haben sie dafür etwas hinterlassen, das hält. Und bestens schmeckt. Ihr eigenes Obst wollen sie jedenfalls nach Möglichkeit nicht mehr in der Kaufhalle kaufen, sondern lieber in der Natur ernten.

Solange Obstbäume auf öffentlichem Grund stehen ist das im übrigen überhaupt kein Problem. Was man beim "Mundraub" genau beachten sollte, kann man unter www.mundraub.org erfahren.
Autor: red

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