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nnz-Dokumentation: 70. Jahrestag der Zerstörung

Sonnabend, 04. April 2015, 12:44 Uhr
Nach den Ereignissen des 3. und 4. April vor 70 Jahren sollte Nordhausen nie mehr so sein, wie es einst gewesen war. In Gedenken an Krieg, Zerstörung und Tod fand man sich heute im Ratssaal ein. Lesen Sie in der nnz-Dokumentation die Rede des Oberbürgermeisters Zeh anlässlich des Gedenkens...

Über die weiteren Ereignisse des 70. Gedenktages wird die nnz im Laufe des Tages noch ausführlicher berichten.

Sehr geehrte Damen und Herren,

abweichend vom Protokoll möchte ich heute als erstes stellvertretend für alle heute hier anwesenden Zeitzeugen und überlebende des Infernos vom 3. und 4. April 1945 Frau Ruth Böhm aus Suhl und Herrn Jonny Schulz mit seiner lieben Ehefrau aus Bernau begrüßen. Es ist eine schöne Geste der Gemeinschaft mit uns, dass Sie sich von weit her in die Stadt Nordhausen aufgemacht haben, um mit uns gemeinsam diese Gedenkstunde zu begehen.
Ich begrüße ganz herzlich Herrn Dr. Manfred Schröter, ebenfalls Zeitzeuge und mein Vorgänger im Amt. Er wird uns heute die Gedenkrede halten.

Sehr geehrter Herr Bundestagsabgeordneten, sehr geehrte Frau Ministerin Keller, sehr geehrte Landtagsabgeordnete Mitteldorf, Becker und Primas, ich begrüße Herrn Nüßle als Vertreter des Kreises, sehr geehrte Mitglieder des Kreistages und des Stadtrates, liebe Ehrenbürger, ich begrüße die Vertreter der Gerichtsbarkeit, die Vertreter der Kirchen - Herrn Superintendenten Schwarze und Dompfarrer Hentrich ganz herzlich, sehr geehrter Herr Präsident der Hochschule Prof. Wagner, ich begrüße die Vertreter der Vereine und Verbände. Ganz besonders begrüße ich Euch, liebe Schülerinnen und Schüler, die gestern und heute die Mahnwache vor der Stele gehalten haben oder heute noch halten werdet. Das ist ein ganz starkes Zeichen von Euch, für das ich Euch ganz herzlich danken möchte.

Liebe Nordhäuserinnen und Nordhäuser, liebe Gäste, ich begrüße Sie alle sehr herzlich zu unserer heutigen Gedenkveranstaltung. Wir wollen jener Menschen gedenken, die gestern und heute vor 70 Jahren den Tod in unserer Stadt gefunden haben. Wir wollen in unser Gedenken auch die Menschen einbeziehen, die durch deutschen Terror und deutsche Bomben vorher den Tod gefunden haben. Mit diesem Gedenken erinnern wir auch daran, dass unsere Stadt starb, weil der von Deutschland ausgegangene Krieg nach Nordhausen zurückgekehrt war.

Dieser 70.Jahrestag der Wiederkehr des Tages der Zerstörung der Stadt Nordhausen ist ein besonderer Tag. Dieser Gedenktag findet das erste Mal in unserem neuen Bürgerhaus statt. Das ist der Ort, an dem vor 70 Jahren die Stadtkirche St. Nikolai vollständig zerstört wurde und in der über 700 Menschen ums Leben gekommen sind. Heute ist das Bürgerhaus ein Ort der Demokratie, der Kultur, der Bildung und der Begegnung geworden. Das ist ein gutes Symbol!

Gestern wurde vor den Türen unseres Bürgerhauses die feierliche Übergabe des Altarkreuzes von St. Nikolai begangen. Der Pfarrer der Stadtkirche, Kurt Wartenberg konnte es durch einen glücklichen Zufall retten. Sein Sohn, Klaus-Jürgen Wartenberg, hatte es solange in Verwahrung. Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass St. Nikolai nicht die erste Kirche war, die in Nordhausen zerstört wurde. 1938 wurde in der Nacht vom 9. zum 10.November schon einmal ein Gotteshaus zerstört. Die Synagoge wurde von Nazis in der Reichskristallnacht niedergebrannt. Die Feuerwehr schaute nur zu. Und viele Gotteshäuser außerhalb Deutschlands wurden von den Deutschen vorher in Schutt und Asche gelegt.

Am heutigen 70.Gedenktag sollte uns mehr denn je bewusst werden, dass die Zeitzeugen immer weniger werden. Deshalb ist es unsere Aufgabe, die Aufgabe der Nachgeborenen, dieses Gedenken wach zu halten. Wir sind es den Opfern der Zerstörung Nordhausens von vor 70 Jahren schuldig, wir sind es allen Opfers des 2. Weltkrieges schuldig: Wir müssen ihr Vermächtnis weitergeben an die nächsten Generationen: Es darf nie wieder Krieg und Unrecht von deutschem Boden ausgehen. Deshalb wehren wir uns gegen Versuche von Extremisten und auch der NPD, die Geschichte zu verharmlosen, zu verbiegen und extremistisches, fremdenfeindliches und antisemitisches Gedankengut wieder in die Gesellschaft zu transportieren.
Angesichts der Konflikte vor unserer Haustür in Europa leben viele Menschen in diesen Tagen wieder mit einer unbestimmten Angst vor einem möglichen Krieg. Insbesondere jene, die der Kriegsgeneration angehören und in Nordhausen sich im Bombenhagel in die Keller flüchten mussten.

„Frieden muss gestiftet werden, er liegt nicht in der Natur der Menschen“, sagte ein Philosoph.

Deshalb lassen Sie uns in diesen Tagen, an denen wir an den Krieg denken, viel und intensiv über das Geschenk des 70-jährigen Friedens reden. Und darüber, dass Frieden gelebt werden muss: Zuerst in der Familie, dann in der Stadt und dann im Staat.

Deshalb sehe ich es als besonders wichtiges und gutes Zeichen, gerade für diese Stadt, dass es so viele junge Menschen sind, die in diesen beiden Tagen Rund um die Uhr Mahnwache halten an jenem Ort, an den wir an die Opfer der Bombardierung Nordhausens gedenken.

An die jungen Leute gewandt, will sehr eindringlich sagen: Wer Versöhnung und Frieden will, muss vorher seine Schuld bekennen. Wer Vergebung will, muss vorher Reue zeigen. Und genau das wollen wir!
Autor: red

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