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nnz-Betrachtung: Der Runde Tisch

Mittwoch, 25. März 2015, 11:09 Uhr
Im Landkreis Nordhausen soll es einen weiteren Runden Tisch geben. An dem sollen all jene Vertreter Platz nehmen, die sich mit dem Thema Rohstoffabbau mehr oder weniger beschäftigen. Doch ganz rund ist die "Sache" noch nicht, wie gestern im Kreistag deutlich wurde...


Immer wenn Klaus Hummitzsch (LINKE) in seinem fortgeschrittenen Alter (er mag mir das verzeihen) an das Rednerpult im Kreistag geht, dann sollte das kommunalpolitische Auditorium genau zuhören.

Gestern Abend, kurz nach 19 Uhr, war es wieder soweit. Zur Debatte stand ein Antrag von CDU und LINKE zur Einrichtung eines Runden Tisches, "um mit Beteiligten aus Politik, Wirtschaft und ehrenamtlichen Gremien einen Kompromiss zum Schutz des Südharzer Zechsteingürtels auf der Grundlage des Kreistagsbeschlusses Nr. 513/13 vom 26.08.2013 herbeizuführen". Dieser Beschluss besagt eindeutig: keine Neuverritzung im Südharz.

Klaus Hummitzsch konstatierte, dass er vor etwas mehr als 25 Jahren einen Runden Tisch nicht sonderlich gemocht habe. Jetzt, 25 Jahre später, sehe er ein, dass er sich geirrt habe. Es sei immer besser zu reden, statt eine Konfrontation aufzumachen.

Und diese Konfrontation - so schien es am Abend im Statement von Christian Darr (Grüne) - sei die einzige Möglichkeit des Handelns gegen die Gipsindustrie. Einen Runden Tisch oder einen Kompromiss, den könne es mit der Gipsindustrie nie und nimmer mehr geben. Zu leidvoll seien die Ergebnisse vorangegangener Kompromisse für den Umwelt- und Naturschutz.

Und Darr führte die bekannten Argumente der Abbaugegner an. Zum Beispiel sollte hinterfragt werden, wie denn die Beschäftigten in der Gipsindustrie bezahlt werden? Etwa nach Tarif? Was bekommt der Landkreis von der Industrie, damit er hier den in Millionen von Jahren gewachsenen Rohstoff abbauen kann? Die Antworten kann man nachlesen, im Archiv der nnz zum Beispiel. Und: der künftige Abbau schade dem Tourismus in der Region, der sich nicht weiter entwickeln könnte.

Die Sache mit dem Tourismus, die sollte genauer hinterfragt werden. Zum Beispiel, wie sich die Zahlen der Übernachtungen in den vergangenen Jahren so entwickelt haben. Ist denn der Südharz mit seinen Einmaligkeiten des Zechsteingürtels solch ein touristischer Magnet? Kommen die Menschen aus Nah und aus Fern wegen der Karstschönheiten nach Ilfeld oder Neustadt oder nach Nordhausen?

Die Antwort kennen jene, die sich mit dem Tourismus beschäftigen und die um die Probleme wissen, die nun beileibe nichts mit Rohstoffabbau zu tun haben. In Zahlen ausgedrückt, zeichnet sich folgendes Bild ab: Gab es im Landkreis Nordhausen im Jahr 2001 noch 186.000 Übernachtungen (ohne Camping), so waren es im vergangenen Jahr noch 181.000. Wurde die Aufenthaltsdauer vor 13 Jahren mit 2,9 Tagen errechnet, so lag sie im Jahr 2014 bei 2,8 Tagen. Zum Vergleich ein Blick in den Kyffhäuserkreis. Hier sind die Übernachtungen im gleichen Zeitraum von 265.000 auf 309.000 angestiegen.

Also, wo ist die Entwicklung des Südharz-Tourismus zu entdecken? Stillstand ist noch höflich beschrieben, es gab ein Vierteljahrhundert Zeit für eine Entwicklung des Wirtschaftszweiges. Ich denke, dieses Argument zieht nicht mehr. Und vielleicht sollte gerade im Tourismus die Gehaltsstruktur der Beschäftigten auch von den Grünen näher beleuchtet werden. Ich weiß, dass zum Beispiel vor der Einführung des Mindestlohnes das Gehaltsgefüge in Tourismus und Gastgewerbe ein Drittel dessen betrug, was zum Beispiel bei Knauf in Rottleberode gezahlt wurde und wird.

Die Gipsindustrie, wie immer pauschal getitelt wird, die will auch in den nächsten 30 Jahren noch Rohstoff abbauen. Und: sie will damit Geld verdienen. Das ist ihr ureigenster Antrieb, wie es schon Karl Marx beschrieben hat. Spätestens seit dem 3. Oktober 1990 müssen sich die Menschen im Südharz mit dieser Gesetzlichkeit anfreunden, sie haben dieses System des Wirtschaftens gewählt - demokratisch. Vor 25 Jahren.

Das gute an dem politischen System ist die Möglichkeit des offenen Redens, des Diskutierens, des Meinungsaustausches und des Findens eines Kompromisses. Dabei ist ein Runder Tisch ein probates Mittel. Hier kann man miteinander statt übereinander reden. Wobei (siehe oben) die Grenzen des Belastbaren zumindest durch die kommunale Politik mit dem gestern mehrheitlich gefassten Beschluss klar aufgezeigt wurden.

Die Rohstoff abbauende Industrie hingegen wird alle rechtlichen und gesetzlichen Mittel nutzen, um ihre Interessen durchzusetzen. Das liegt nun mal in der Natur der Sache und letztlich entscheiden Gerichte. Auch dafür hat sich die überwiegende Mehrheit der Menschen in diesem Land vor einem Vierteljahrhundert entschieden.

Konflikte wird es immer und immer wieder geben. Dort, wo in die Natur eingegriffen wird, dort wird es Protest geben. Und die Grünen sollten nicht nur protestieren (das ist ihr gutes Recht), sie sollten mitreden, ihre Argumente sachlich rüberbringen. Von mir aus können sie sich auch an irgendwelche Bagger anketten - nur haben Ketten Menschen immer mehr geschadet als genutzt.
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

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