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Neue Belastungen für die Wirtschaft drohen

Montag, 02. Februar 2015, 11:11 Uhr
Der zu Jahresbeginn eingeführte Mindestlohn verunsichert viele Unternehmen, schafft erhebliche Bürokratie und ist zugleich eine beschäftigungspolitische Belastungsprobe. Aber damit nicht genug, stehen doch schon die nächsten Regulierungsvorhaben bei Zeitarbeit und Werkverträgen vor der Tür...


„Mit dem Ziel der Bundesregierung, Bürokratie abzubauen, lässt sich das absolut nicht vereinbaren“, kritisiert Gerald Grusser, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt.

Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass Zeitarbeitnehmer den Betrieben künftig nicht länger als 18 Monate überlassen werden dürfen. Zudem sollen sie spätestens nach neun Monaten den gleichen Lohn bekommen wie Stammbeschäftigte (Equal Pay).

Bei Werkverträgen soll „Missbrauch verhindert“ und die Beteiligung des Betriebsrates ausgeweitet werden. „Zeitarbeit ist ein wichtiges Instrument der Flexibilität in der Thüringer Wirtschaft – selbst, wenn hier nur 3,6 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten tätig sind“, argumentiert Grusser. Gerade für Arbeitslose und Geringqualifizierte biete die Zeitarbeit zudem Einstiegsmöglichkeiten in Beschäftigung. Zwei Drittel der Zeitarbeiter wären zuvor ohne Beschäftigung gewesen; mehr als jeder zweite übte Helfertätigkeiten aus.

„Die drohenden Einschränkungen bleiben nicht folgenlos: So sehen immer mehr Zeitarbeitsunternehmen in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ein Risiko für ihre Geschäftstätigkeit“, berichtet der IHK-Chef. Aber auch vielen Beschäftigten würden die Regelungen mehr schaden als nutzen: neben generell verminderten Einstiegschancen für die Schwächsten am Arbeitsmarkt sei die Höchstüberlassungsdauer bei Vertretungen durch Elternzeit, Familienpflegezeit oder längeren Krankheiten erheblich erschwert, die nicht selten mehr als 18 Monate dauert.

„Auch Werkverträge sind in einer arbeitsteiligen Wirtschaft üblich. Unternehmen beziehen so Leistungen von außen, die sie selbst aus Zeit-, Kapazitäts- oder Know-how-Gründen nicht erbringen können“, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer. Dadurch könnten mehr und andere Aufträge angenommen werden. Es sei daher falsch, Werkverträge als „missbrauchsanfällig“ unter Generalverdacht zu stellen. Im Übrigen wären Scheinwerkverträge schon jetzt verboten und eine Verschärfung bereits bestehender Gesetzesregelungen nicht notwendig.

„Richtig ist, dass klarer sein muss, was erlaubt ist und was nicht“, so Grusser. Ein gesetzlicher Kriterienkatalog sei dafür allerdings wenig geeignet, weil es praktisch unmöglich wäre, den vielen verschiedenen Praxisfällen von Werkverträgen gerecht zu werden. Vielmehr sollte es Möglichkeiten geben, mit der verantwortlichen Behörde vor Abschluss eines Vertrages verbindlich zu klären, ob er als Werkvertrag anerkannt wird.

„Keine weiteren Belastungen und der Erhalt notwendiger und bewährter Flexibilität – das sollte die Maxime der Bundesregierung sein, wenn es um die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit geht“, fordert der IHK-Chef. Mit Blick auf Equal Pay müssten tarifliche Lösungen Vorrang vor gesetzlichen Vorgaben haben. Bei der Höchstüberlassungsdauer seien Öffnungsklauseln, auch auf betrieblicher Ebene, ein sinnvolles Instrument, um den individuellen Anforderungen Rechnung zu tragen.

Auch die Grenze von 18 Monaten sollte mit Blick auf bestehende andere Grenzen dringend in Frage gestellt werden. In jedem Fall müssten manche Einsatzarten grundsätzlich von der zeitlichen Beschränkung ausgenommen werden – wie die Elternzeit-, Familienpflegezeit- und Krankheitsvertretung sowie Projektgeschäfte.
Autor: red

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