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Albert Kuntz: Zur Tragödie seines Lebens (1)

Sonntag, 11. Januar 2015, 13:06 Uhr
In Nordhausen erinnern noch ein Gedenkstein und der gleichnamige Sportpark an Albert Kuntz. Gedanken aus Anlass des 70. Jahrestages der Ermordung des Kommunisten im KZ Mittelbau-Dora von Tim Schäfer in der nnz...


Von Liebe und Sorge um seine Familie zeugen die Briefe von Albert Kuntz aus seiner fast zwölf Jahre (1933 - 45) andauernden Nazi-Haft. Albert Kuntz – einer der bedeutenden deutschen Kommunisten und Aktivisten des Rot Front Kämpferbundes (RFB) seiner Zeit – schrieb bis Ende 1944 an seine Frau und an seinen Sohn Leo 238 Briefe.

Für die Nacht des 22.- 23. Januar 1945, vor 70 Jahren, verzeichnet die KZ-Gedenkstätte Mittelbau- Dora Nordhausen seine Ermordung „…nach wochenlanger Folter durch Gestapo-Angehörige“ (also Bedienstete der Geheimen Staatspolizei, eigentlich richtig ja des damaligen Reichssicherheitshauptamtes (RSHA)).

Während der letzten Kriegsmonate wurden vielerorts unterschiedslos Gefangene exekutiert, bevor die Orte von alliierten Truppen eingenommen wurden… Albert Kuntz wurde demnach erhängt im Bunker (Folterstätte) aufgefunden. Bereits im März 1933 hatte Albert Kuntz die Torturen einer ersten Haft in einem „wilden KZ“ überlebt. Gefolgt waren Untersuchungshaft, Konzentrationslager, die Einzelhaft im Zuchthaus und abermals Konzentrationslager.

Doch wer war Albert Kuntz? Was ist sein Vermächtnis - gibt es neue Ansätze für die historische Forschung? Diesen Fragen soll abrisshaft in dieser vierteiligen Artikelserie in nnz-online gefolgt werden. Auch die Rolle des prominenten Kommunisten der ersten Garde Kuntz während der DDR Zeit soll beleuchtet werden. Ebenso wie seine Funktion in den damaligen Strukturen der Kommunistischen Partei Deutschlands (Weimarer Republik) vor dem Hintergrund der historischen Auseinandersetzung. Mit einigen erstmals veröffentlichten Fakten. Darüber hinaus sind zur Vervollständigung zu Albert Kuntz weniger bekannte Verflechtungen und auch Hinweise aufgenommen worden, deren Bestätigung in der Geschichte ggf. fortzuschreiben sind.

Albert Kuntz galt einerseits in DDR-Zeiten als einer der prominentesten antifaschistischen Widerstandskämpfer. Er wurde als Held zur Schlüsselfigur der öffentlichen Ehrungen und Gedenkfeiern besonders in der Region Nordhausen stilisiert. Insbesondere seine hervorragende Rolle als Organisator und Leiter eines Internationalen Lagerkomitees der Häftlinge zur Organisation des Widerstandes und Sabotage gegen die V-Waffenfertigung im Mittelwerk der SS (KZ Mittelbau (Dora)) wurde seinerzeit sehr betont.

Mindestens einmal im Jahr wurde in der damaligen Mahn-und Gedenkstätte bei Nordhausen eine staatlich organisierte Kundgebung als Großveranstaltung durchgeführt, an denen bis zu mehrere tausend Menschen teilnahmen. Andererseits lässt nach Meinung des Autors eine Analyse der DDR Literatur heute durchaus die Frage zu, warum z.Bsp. Erinnerungen oder die damaligen Abrisse zur Geschichte der DDR nicht gerade einen überzeugenden Beleg dafür bieten, dass Albert Kuntz nun eine derart prominente Rolle tatsächlich gespielt haben soll.

Albert Kuntz wird darin nämlich vergleichsweise wenig erwähnt. Lag dies in der ggf. auch unbegründeten Zuordnung von Albert Kuntz zu einem Treiber der Sozialfaschismusthese? Oder hatte der Aktivist und Funktionär Kuntz, ein glühender Kommunist - ein konspirierender, auch an der Spezialschule des politischen Kampfes in Moskau ausgebildeter KPD- Funktionär doch eine Rechnung mit den späteren Bürokraten der DDR-Oberen offen? Oder ist er dem Umstand eigener Selbstdarstellung der späteren SED Funktionäre ein weiteres Mal zum Opfer gefallen? Albert Kuntz war Zentralkomitee- Kandidat, Funktionär der KPD, Sekretär von Bezirksorganisationen und offenbar Organisator im RFB.

In und um Nordhausen finden sich heute eine Schule mit dem Ehrennamen des 1945 ermordeten Kommunisten Albert Kuntz, der AKS Sportpark, Straßennamen. Auch in Berlin und an anderen Orten finden sich Spuren des Erinnerns und Gedenkens…

So erfolgte am 1.9.1973 in Salza (Nordhausen) zur Fertigstellung des Schulerweiterungsbaues die Einweihung des Schulkomplexes durch die Antifaschisten Fritz Gießner und der Witwe des Kandidaten des ZK der KPD Albert Kuntz, Ellen Kuntz. Die ehemalige DDR- POS führte seitdem den Namen des am 23. Januar 1945 im KZ „Dora“ ermordeten Antifaschisten und Widerstandskämpfer Albert Kuntz.

Am 28.Mai 1977 weilte Ellen Kuntz, die Witwe von Albert Kuntz, in Niedersachswerfen (heute Ortsteil von Harztor). Genauer im damaligen Betriebsteil des Chemie DDR Kombinates Leuna-Werke „Walter Ulbricht“, im Gipswerk Niedersachswerfen. Die damaligen Leitungsorgane des Betriebes mit SED-Parteileitung, Gewerkschaft und dem sozialistischen Kollektiv des Meisterbereiches E(Elektro)-Werkstatt empfingen die standhafte Kommunistin Ellen Kuntz zu Diskussion und Vortrag in Gedenken. Bei Kaffee und Gebäck.

Historisches Foto (Foto: Archiv Schäfer) Historisches Foto (Foto: Archiv Schäfer) Mehr als 30-Jahre vorher schickte Frau Kuntz Ihrem damaligen Mann auch mal Gebäck ins KZ bei Nordhausen, der dankte dafür in seinen Briefen. Die treue Frau sparte sich dies im wahrsten Sinne „vom Munde ab“. Ellen Kuntz hatte in der DDR hohe politische Ämter inne. Offenbar hatten sich Leitung und Kollektiv des Gipswerkes Niedersachswerfen im sozialistischen Wettbewerb vorgenommen, Albert Kuntz zu ehren und dazu besondere Leistungen zu erbringen.

„Unser Vorbild Albert Kuntz“ war der Titel einer großen Wandzeitung, siehe Abbildung. Texte auf der Wandzeitung sind: „ICH WEISS DASS WIR DIE SIEGER SEIN WERDEN“ und „WIR EHREN SEINE REVOL. TATEN- SEIN NAME SOLL UNS VERPFLICHTUNG SEIN“. Mithin durchaus typische Kampfesgrüße in einer plakativen DDR – Arbeitswelt. Bemerkenswert: Offenbar folterten und verhörten 1944 NS- Reichssicherheitshauptamtsbeamte Albert Kuntz im GESTAPO (Geheime Staatspolizei) – Stützpunkt in Niedersachwerfen. Also nur wenige hundert Meter entfernt vom Kaffeekränzchen 1977 mit Frau Kuntz im Leuna-Klubhaus. Ob man dieser Tatsache Aufmerksamkeit schenkte, ist nicht bekannt, aber eher unwahrscheinlich. Wird fortgesetzt
Tim Schäfer
Autor: red

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