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Ein Künstler und ein Gelehrter (2)

Mittwoch, 17. Dezember 2014, 20:23 Uhr
Im Nordhäuser Museum Flohburg ist seit Dienstagabend eine neue Sonderausstellung zu sehen. Sie steht unter dem Motto „Ernst Rietschel und Wilhelm Gesenius - Ein Künstler, ein Gelehrter und Nordhausen“. Die nnz mit einem ausführlichen Bericht...


Wohl jedem Nordhäuser dürfte die Brunnenfigur des Meeresgottes Neptun in der Promenade bekannt sein. Doch wer schuf dieses Werk? Und wer ist nicht schon einmal durch die Geseniusstraße in Nordhausen gegangen oder gefahren. Oder wohnt gar dort. Wer war eigentlich Gesenius? Die neue Sonderausstellung gibt jetzt Antworten auf diese Fragen.

Eine große Schar geschichts- und kunstinteressierter Gäste hatte sich Dienstagabend in der Flohburg eingefunden, als Museumsleiterin Dr. Cornelia Klose und Peter Uhley, ehrenamtlicher Beigeordneter der Stadt Nordhausen, die Sonderausstellung feierlich eröffneten. Im Mittelpunkt dieser Schau steht zum einen der Künstler Ernst Rietschel und zum anderen der Gelehrte Wilhelm Gesenius. Nur – was hatten beide miteinander zu tun?

Eine erschöpfende Antwort darauf konnte Heidelore Kneffel, Mitglied im „Förderverein Flohburg“ und Hauptinitiatorin dieser Ausstellung, geben. Beide waren nämlich Zeitgenossen und standen mit Nordhausen und zueinander in besonderer Beziehung. Anlass zu dieser Sonderschau bot darüber hinaus der 210. Geburtstag Rietschels am 15. Dezember 2014.

Zahlreiche Exponate (Bilder, Skulpturen, Schriften) aus mehreren Orten in Deutschland wurden unter der Federführung von Heidelore Kneffel zusammengetragen. Großartige Unterstützung in Form von Leihgaben und Informationen fand sie zudem bei den Nordhäuser Geschichts- und Heimatforschern Jörg-Michael Junker und Markus Veit.

Ernst Rietschel wurde 1804 in dem kleinen „Lebkuchenstädtchen“ Pulsnitz geboren. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Später besuchte er eine Malschule. Nach einer abgebrochenen Kaufmannslehre nahm er ein Studium an der Königlich Sächsischen Kunstakademie in Dresden auf. Er wurde zu einem der bedeutendsten deutschen Bildhauer des Spätklassizismus. Zu den von ihm geschaffenen Skulpturen gehört u.a. das bekannte Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar.

Für die Stadt Nordhausen schuf er eine Eisengussplastik für einen Brunnen: den Meeresgott Neptun. Das Werk wurde in Lauchhammer gegossen und fand 1828 seinen Standort zunächst auf dem Kornmarkt. Ein Nordhäuser hatte die Plastik gespendet. Straßenbauarbeiten machten 1935 eine Umsetzung in die Promenade erforderlich, wo sie bis heute ihren Platz hat.

Der Neptun war Rietschels plastisches Erstlingswerk und nimmt daher für die Rolandstadt eine Sonderstellung ein und ermöglichte in der Folge dem Künstler einen raschen Bekanntheitsgrad und Aufstieg. Kuratorin Heidelore Kneffel verschwieg aber auch nicht die anfänglichen enormen Schwierigkeiten, die der noch ungeübte junge Bildhauer bei der Schaffung der Neptun-Figur zu überwinden hatte. Die Schau zeigt u.a. eine Poseidonskulptur aus dem Dredsner Albertinum mit Fotografien, die als Vorbild für den Neptun dienten. Sieben Skizzen für die Neptunfigur sind im Original zu sehen.

Des weiteren ist eine von Rietschel geschaffene Porträtbüste des in Nordhausen geborenen Gelehrten Wilhelm Gesenius ausgestellt. Der war ein bedeutender Orientalist und studierter Theologe. Er beherrschte alle Sprachen, die im Orient gesprochen werden. Heidelore Kneffel wörtlich: „Die Gabe der Rede war ihm gegeben, ebenso die Gabe der hohen Geistlichkeit. Gesenius war ein außergewöhnlicher Mensch.“ Freunde von der Universität Halle-Wittenberg hatten das zuständige Ministerium eingebunden und die Büste in Auftrag gegeben. Gesenius lehrte von 1810 bis zu seinem Lebensende an dieser Bildungseinrichtung und wurde sehr verehrt.

Die Büste zeigt den Gelehrten mit 56 Jahren. 1850 wurde sie in der Universität aufgestellt. Die Witwe des Professors schenkte der Stadt Nordhausen, speziell dem hiesigen Gymnasium, die von Rietschel geschaffene Büste in einer Gipsausführung. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt sie als verschollen. Seit gestern gibt es diese Büste in Form eines Neuabgusses vom Original in der Geburtsstadt von Wilhelm Gesenius – Nordhausen – wieder.

Die Sonderausstellung vermittelt in Form großer Schrift- und Bildtafeln noch zahlreiche weitere Informationen zu Leben und Werk dieser beiden Persönlichkeiten. So richtete Heidelore Kneffel am Ende ihrer Ausführungen passende Worte an die Anwesenden: „Sie müssen wenigstens dreimal hier her kommen, um wissend über die beiden Herren zu sein!“ Wohl wahr!

Die Ausstellungseröffnung wurde musikalisch von dem jungen Musiker Georg Schroeter untermalt. Er hat gerade seine Ausbildung abgeschlossen und überraschte die Gäste u.a. mit einer modernen Eigenkomposition, die er „Ebenholz und Elfenbein“ nannte. Die Sonderausstellung ist bis zum 29. März 2015 immer dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr zu sehen.
Hans-Georg Backhaus
Autor: red

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