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Anonyme Anzeige erstattet

Mittwoch, 17. Dezember 2014, 11:53 Uhr
Derzeit führt die Firma Casea aus Ellrich am Winkelberg Aufsuchungsbohrungen durch. Sie greift mit dem Winkelberg nach einem besonders wertvollen Stück Natur. Nun ist eine anonyme Anzeige bei den Behörden eingegangen...


Die Fotos zeigen mehrere Bohrlöcher im Steinbruch Rüsselsee bei Appenrode, welche nicht verschlossen waren und offenbar angelegt waren um den Lauf eines unterirdischen Gewässers zu erkunden. 2 Filmdokumente zeigen das Ausloten der Tiefe dieser Löcher. Man hört dabei eindeutig Wasser beim Auftreffen des Lotes schon in 2m Tiefe plätschern. Auch in der Sohle des Steinbruchs sind Auswirkungen größerer Mengen Wasser zu erkennen.
Hier der Inhalt der anonymen Anzeige (Zitat)

Südharz, den 18.11.2014

Anzeige wegen Bohrungen im Tagebau „Rüsselsee“ (Gipskarst Landkreis Nordhausen)

Sehr geehrte Mitarbeiter der Behörden, Umweltverbände und politischen Institutionen!

Als interessierter Einwohner einer Südharzgemeinde möchte ich Sie darüber in Kenntnis setzen, das innerhalb des Gipstagebaus Rüsselsee offensichtlich Bohrungen durchgeführt wurden, die bis in den Grundwasserkörper vorgedrungen sind.

Als Mitarbeiter eines Ing. Büros durfte ich mich mit dem Prozedere einer Bohrung bzw. Grundwassererschließung im Bereich der Geothermie intensiv beschäftigen. Dass, was nunmehr im Bereich Rüsselsee geschieht, passiert offensichtlich ohne Einbindung der zuständigen Behörden. Was jedem normalen Bürger als Ordnungswidrigkeit besonderen Ausmasses „angehängt“ würde, geht hier offensichtlich stillschweigend. Wie sonst ist es zu erklären, das ich während des gesamten Bohrvorganges, der mehrere Monate in Anspruch nahm und nimmt, keine Behördenvertreter vor Ort sichten konnte?

Auf meiner Begehung durch den Tagebau konnte ich feststellen, das es sich um mindestens 25 Bohrungen sowohl im unteren Bereich des Tagebaus (in Richtung Norden), als auch am Südrand und auf den mittleren Abbaustufen handelt. Wie Sie auf den beigefügten Fotos sehen können, sind die Bohrungen nach oben hin offen und laden geradezu ein, mittels Gegenständen deren Tiefe zu erkunden.

Aber nicht nur dass. Ganz offensichtlich wurde auch eine Quelle im Tagebau angetroffen, die sprudelnd auf einer Berme hervortritt. Oberhalb dieser Quelle wurden mehrere Bohrungen runtergebracht. Vermutlich wollte man auf diese Art und Weise den Verlauf des Wassers erkunden. Ich frage Sie deshalb sicher berechtigter Weise:

1. Wurden diese Bohrungen durch Behörden abgesegnet bzw. sind diese den Behörden überhaupt bekannt? Wenn nein, welche Konsequenzen hat das für den Auftraggeber?
2. Warum werden die Bohrlöcher nicht wieder verschlossen?
3. Welche Auswirkungen hat der Tagebau auf die im Gestein vorhandenen Quellen bzw. das dort versickernde Grundwasser?
4. Wohin soll das Grundwasser aus dem Berg geleitet werden? Gibt es dazu Aussagen?
5. Welches Genehmigungsverfahren ist erforderlich, wenn derartiges Wasser im Bergbau angetroffen wird?
Ich bitte um Verständnis, das dieses Schreiben mehreren Behörden, Umweltverbänden und politischen Gremien zu Teil wird.

Ich denke, dies ist der beste Weg um sicher zu gehen, das eine Aufarbeitung bzw. Bearbeitung meiner Anzeige sichergestellt wird. Zugleich werde ich dieses Schreiben nach Verstreichen der Versendungsfrist an zuverlässige Kommunikationsmedien übermitteln.

Mit freundlichen Grüssen von einem
am Geschehen in unserer Landschaft interessierten Bürger (Zitat Ende)


Die anonyme Anzeige wurde vor 14 Tagen an das Bergamt, die Obere Wasserbehörde und das Landratsamt geschickt. Dr. Christian Marx, der Sprecher der Bürgerinitiative, macht sie öffentlich, weil er der Meinung bin, dass die Öffentlichkeit erfahren muss, wie die Gipsindustrie agiere und auf welche Weise Behörden darin involviert seien.

"Ob und wie welche Behörde auf diese Anzeige reagiert hat (beispielsweise mit einer Begehung) ist mir nicht bekannt. Ich lade alle Beteiligten hiermit zu öffentlichen Stellungnahmen ein. Die auf den Fotos abgebildeten Bohrungen befinden sich auf einer oberen Abbaustrosse. Diese laut dem Informanten auch bewusst so niedergebracht, als wolle man das Schichtenwasser bzw. dessen Verlauf im Berg, das (obwohl es zum Zeit der Aufnahme ca. 14 Tage nicht geregnet hatte) als kleine Quelle unterhalb der Bohrungen hervortritt, sehr wohl erkunden.

Fakt ist, dass die Untere Wasserbehörde die Genehmigungsbehörde für Aufsuchungsbohrungen sein müsste, die bis ins Grundwasser reichen. Auf jeden Fall hätte also das Unternehmen - so steht es auch in bergrechtlichen Genehmigungen-, die Untere Wasserbehörde im Fall eines Wasseraufschlusses informieren müssen.
Die Fotos zeigen mehrere Bohrlöcher im Steinbruch Rüsselsee bei Appenrode, welche nicht verschlossen waren und offenbar angelegt waren um den Lauf eines unterirdischen Gewässers zu erkunden.

Die Frage lautet: ist dies geschehen? Wenn nicht, wird dies Konsequenzen für das Unternehmen haben (so wie es für jeden anderen Bürger auch Konsequenzen hätte)?

In der Sache gibt es jetzt zwei Möglichkeiten. Die Obere Wasserbehörde bzw. das Bergamt halten die Bohrungen für wasserrechtlich relevant oder sie halten sie nicht für relevant. Diese Frage sollte öffentlich beantwortet und begründet werden!


Das Video zeigt das Ausloten der Tiefe dieser Löcher. Man hört dabei eindeutig Wasser beim Auftreffen des Lotes schon in zwei Meter Tiefe plätschern.

Ist nun so ein Wasseraufschluss relevant?
Die Wissenschaftler sind sich uneins, ob es sich bei Schichtwasser auch um Grundwasser handelt. Im Karst sollte aber Schichtwasser eher dem Grundwasser gleichgesetzt werden, da es unmittelbar mit diesem in Verbindung steht bzw. es speist, da der Karst eben über Spalten und Klüfte verfügt, die unmittelbar mit dem Grundwasser in Kontakt stehen.

Was ist nun die Brisanz an dieser Frage?
Beide am Himmelsberg abbauenden Unternehmen (CASEA aus Ellrich und Saint Gobain/ Formula aus Walkenried) gehen in ihren Hauptbetriebplänen davon aus, dass keine Grund- oder Schichtwässer aufgeschlossen werden und der Abbau ausschließlich im Trockenschnitt durchgeführt wird! Das heißt, die Genehmigung der Steinbrüche beruht auf dieser Aussage!

Nördlich an den Tagebau anschließend befindet sich das besonders geschützte Biotop "Rüsselsee" - ein wassergefüllter Erdfall, der nicht nur naturschutzfachlich und -rechtlich relevant ist wegen der Amphibien, sondern auch ein FFH-geschütztes Biotop darstellt. Es kann angenommen werden, dass es versickernde Schichtwässer vom Berg sind, die dieses Kleinod speisen.

Mit Aufschlüssen von Grund- oder Schichtwasser im Tagebau könnte man nunmehr die gesamte FFH-Verträglichkeitsprüfung, die leider auf Grund der Rechtslage nur amtsintern "gelöst" wurde, in Frage stellen. Denn wenn der Erdfall trocken fällt, ist dieses Biotop erloschen und mit ihm die auch nach EU-Recht streng geschützten Amphibienarten.

Von der zeitnahen Beantwortung dieser Fragen durch die beteiligten Firmen und Behörden wird die Bürgerinitiative die direkte Meldung der Gefährdung des FFH-Gebietes am Rüsselsee an die EU-Kommission abhängig machen.

Als Bürger können wir mit dieser Begebenheit zur Kenntnis nehmen, welche Rolle "Entscheidungsspielräume" unserer Behörden spielen! Der Abbau am Rüsselsee hätte so vielleicht nie genehmigt werden dürfen.

Sogenannte Gutachten oder Aussagen, die die Gipsindustrie zu naturnahem oder unterirdischen Abbau anführen könnte, sollten demnach angezweifelt werden! Neue ober- oder unterirdische Abbaugebiete dürfen nicht genehmigt werden, ob am Winkelberg (Casea), in Günzdorf (Saint Gobain/ Formula) oder anderswo! In Günzdorf bei Neustadt wird der nächste Schwerpunkt des Kampfes gegen die Landschaftszerstörung sein, dort werden sich die Verwaltungen und die Regionale Planungsgemeinschaft noch wundern, mit welchen juristischen Winkelzügen man dort tätig wird.
Wir werden auch weiterhin genau hinschauen!
Dr. Christian Marx, Nordhausen
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Autor: red

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