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Wer waren die wirklichen Helden?

Donnerstag, 13. November 2014, 15:24 Uhr
Die Feierlichkeiten um unseren „Tag der Mauer- und Grenzöffnung“ sind vorüber. Nicht nur in Berlin, sondern auch an vielen Grenzkontrollpunkten im Land wurde, wie zum Beispiel auch in Ellrich und Walkenried, daran erinnert. Dazu Anmerkungen eines Lesers der Nordthüringer Online-Zeitungen...


Irgendwie wurde man aber nach den verschiedenen Vorgeschichten, Interviews, gezeigten nachgespielten Filmen und echten Dokumentationen sowie vielen Jubiläumsveranstaltungen an diesem besonderen Tag etwas nachdenklich, wie zum Beispiel auch beim Anschauen der Fernsehsendung „G. Jauch“ als ein paar Zeitzeugen ihre Geschichte erzählten.

Waren es wirklich Heldentaten, wenn - wie von Frau Reinke geschildert – sie nach Erhalt der ersten Informationen zuerst zum Grenzübergang „Checkpoint Charlie“, dann zur „Bornholmer Brücke“ sich in den ersten Reihen so auffällig verhielt, dass sie als Ausgewählte (übrigens auch für den nachgestellten Film!) in der ersten Reihe (noch vor der „Öffnung“) mit passieren durfte, sich dann an ihren Mann zuhause erinnert, wo sie angeblich nach dem ersten „Westbesuches“, trotz des Wiedereinreiseverbotes(!), auch wieder hin ging.

Da sie dort aber einen Zettel vorfand, dass er bereits im Westen ist, erzählte sie weiter, dass sie dann auf dem Weg zum „Brandenburger Tor“ nach einem Anruf von ihrem Mann (wie war das nur möglich?) dort zufällig plötzlich von Kameras, Mikrofonen und Scheinwerfern umringt war. Sie wollte doch nur mit ihren Hilferufen, auch wiederkommen zu wollen, von einem Grenzoffizier begleitet werden und als erste „östliche“ Person durch das berühmte Tor gehen, um auf die nach wie vor geschlossene Mauer schauen zu können!

Nach den späteren „schönsten 15 Jahren als Verkäuferin“ im westlichen KDW ließ sie sich als trotzdem „Hiergebliebene“ nun in Jauchs Fernsehsendung nochmals mit zittriger Stimme und tränenden Augen so richtig feiern...

(Noch-) Bürgermeister Wowereit sagte es sehr treffend, dass zum Beispiel der neben ihn sitzende nächste „Held“, Oberstleutnant Jäger, bei der Masse von Menschen überhaupt keine andere Wahl hatte, als vor diesen kurz vor Mitternacht zu kapitulieren, was der eigentlichen Grenzöffnung gleichkam. Der Autor dieser Zeilen versteht auch nicht, wie das „westdeutsche“ Kamerateam noch vor dem notgedrungenermaßen geöffneten Schlagbaum auf DDR-Gebiet Nahaufnahmen von den Grenzsoldaten, ihren Vorgesetzten und Räumlichkeiten anfertigen konnte, die nachträglich zum „Weltkulturerbe“ ausgewählt wurden!

Unerwähnt blieb allerdings, dass Obstltn. Jägers betrunkener Vorgesetzter im übertrieben nachgestellten Film (zum Nachteil der Grenzer) auf das Bild von Krenz mit einer Pistole schoss, der demnach als einziger scharfer Schuss in die Geschichte einging! Dazwischen schwappte die Angst der Menschen längst auf die zugegeben hilflos wirkenden und verlassenen Grenzbewacher über und nicht umgekehrt!

Für mich ist es auch nicht nachvollziehbar, dass Jäger nach Beendigung seiner außergewöhnlichen Nachtschicht am nächsten Morgen zur gerade das Haus verlassenen Ehefrau gesagt haben soll, die Grenze geöffnet zu haben, nachdem sich die Nachrichtensendungen mit immer neuen Meldungen seit den Abendstunden des Vortages förmlich überschlugen, sie aber nichts geahnt hatte und davon nichts wusste!

Um 10 Uhr nahm der „selbstgenannte Grenzöffner“ einen Termin beim Urologen wahr.

Auch der eigentlich erfolgreiche und nette Schauspieler J. Liefers wusste als einer der Redner am 04.11.1989 als Student noch nicht, dass sich die erhofften Träume seines Landes in dieser Form nicht erfüllen konnten und dass das ihm angebotene Stück Kuchen hinter der provisorischen Bühne aus den Händen von Ex- Spionagechef und Mitredner, Markus Wolf, überreicht wurde!

Der Journalist und ehemalige Chefredakteur vom „SPIEGEL“, Maskolo, sollte eigentlich wissen, dass das Befragen von Bundeskanzler Kohl nach dem Wetterbericht für Anfang Oktober für den „Einheitstermin“ ohnehin zu spät war, denn das erledigten bereits die gewählten Vertreter der Volkskammer mit einer Abstimmung in der bekannten Nachtsitzung am 29.08.1990 und legten sich für den 03.10.1990 fest, an dem meine Frau und ich bereits den 14. Hochzeitstag feiern konnten.

Zum Schluss darf noch in diesem Zusammenhang die Frage gestellt werden, ob eventuell der eigentlich „zweite Kanzler der Einheit“ und letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maize`re, verschollen ist? Man vermisste ihn an diesem Tag bei allen Feierlichkeiten unter den vielen Gästen und auf den Zetteln der Redner!

Zwischenzeitlich hat uns der ganz normale Alltag wieder im Griff. Wahrscheinlich haben wir mit sehr unterschiedlichen Gefühlen die Geschehnisse der Vergangenheit an uns vorüberziehen lassen und werden selbst einschätzen können, dass „Einheit“ noch längst nicht „Einheitlichkeit“ ist. Auch sollten wir nach 25 Jahren wissen, wer die wahren Helden gewesen sind, die uns die Veränderungen ermöglichten.
Hans-Ullrich Klemm
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Autor: red

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