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Lichtblick: Max Frisch zur Krise

Freitag, 17. Oktober 2014, 07:00 Uhr
Immer wieder gerne habe ich in Gesprächen angemerkt: Das chinesische Schriftzeichen für das Wort „Krise“ bedeutet sowohl Gefahr als auch Chance. Die Gefahr besteht oft darin, einfach aufzugeben und unterzugehen. Die Chance besteht darin, mitten in allen Begrenzungen und Gefahren neue Wege, neue Chancen oder neues Potential in sich selber zu entdecken. Vielleicht entdecken Sie, lieber Leser, noch mehr...


Jetzt habe ich einen frischen Satz zum Thema Krise von Max Frisch per E–Mail zugesandt bekommen: „Krise ist ein produktiver Zustand, dem man nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen muss.“ Das kann Mut machen. Nur: Wer von uns begrüßt Krisen nicht auch mit den Worten: „Das schmeckt mir aber gar nicht!“ Die Frage ist also: Wie nehmen wir der Krise diesen üblen Beigeschmack?

Wer gerne kocht, der weiß, dass Mann oder Frau immer wieder abschmeckt und nachwürzt, bis es stimmt. Wenn der Gulasch z.B. zu scharf wurde (zu viel ungarische Gewürze), kann Milch oder saure Sahne das Rezept und das Ansehen des Kochs retten. Bei anderen Küchenkatastrophen soll auch Mehl helfen.
Welche Gewürze nehmen der Krise den Beigeschmack der Katastrophe?

Erst mal aufhören mit dem Lamentieren. (Das kommt bei mir schneller, als mit lieb ist…) Panikmache hilft gar nicht weiter. Grübeln kann uns in einen wahren Teufelskreis der Hilflosigkeit reinreißen.

Für mich sind es Gespräche mit dem Ehepartner und mit Freunden. Manchmal braucht man auch professionelle Begleitung durch einen Lebensberater oder eine Lebensberaterin. Wer als Christ einen Seelsorger hat, erfährt zusätzlich eine starke Hilfe. Denn Seelsorger und Seelsorgerinnen beraten nicht nur. Sie sprechen auch im Auftrag Gottes Vergebung zu, wenn wir wissen: In diese oder jene Katastrophe haben wir uns selber reingeritten.

Ganz oben auf der Liste aber steht für mich das Gespräch mit Gott. Ich lege ihm, wenn ich zur Ruhe finden will, alles vor, was mich bewegt und bedrückt. Ich bitte ihn um Hilfe, vertraue IHM neu mein Leben und meine Wege an. Und beginne zu ahnen, dass ER größer ist als alle Stürme.

Ein Gespräch hat ja immer zwei Seiten. Gott antwortet mir dann oft durch Lebensgeschichten aus der Bibel, die mir in Erinnerung kommen. Da ist z.B. Joseph, der jüngste von zwölf Brüdern, der von einer Krise in die nächste schlittert. Am Ende fasst er seine Erfahrungen so zusammen: „Ihr gedachtet es böse zu machen, der HERR aber gedachte es gut zu machen.“ (1. Mose 50,20)

Oder ich werde erinnert an ein Wort des Apostels Paulus: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.“ (Römer 8,28)
Mit solchen Gewürzen nehme ich meinen Krisen immer wieder den Beigeschmack der Katastrophe. Allerdings: Was beim Kochen schnell geht, geht im Leben oft nur Schritt für Schritt. Manchmal sind diese Schritte des Nachwürzens sehr kleine Schritte.

Mein Bruder fragte mal unsere Mutter nach einem leckeren Backrezept. Der Höhepunkt der Backanweisung lautete: „…und dann machste Mehl ran!“ „Und wie viel?“ „Na, bis es reicht!“ Meine Mutter hat nie nach Gramm oder Pfund gebacken und gekocht, sondern nach Erfahrung. So ist es auch im Leben mit unseren Krisen. Wir üben immer wieder, ihnen den Beigeschmack der Katastrophe zu nehmen – bis es reicht! Und irgendwann haben wir so viel Lebenserfahrung, dass es auch reicht, anderen zu helfen, bis sie ganz frisch lernen:
„Krise ist ein produktiver Zustand, dem man nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen muss.“

Ein Beispiel für ein gutes Gewürz noch: Eine Katastrophe erlebte ich vor 25 Jahren, ein halbes Jahr vor der Wende. Da wurde das Dorf, in dem ich Pfarrer war, von einem Erdbeben heimgesucht. Das Bibelwort, dass meine Familie, meine Gemeinde und mich durch die Wirren des Jahres 1989 begleitete war ein großartiges Versprechen Gottes, das ER durch den Propheten Jesaja gegeben hat:

„Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.“ (Jesaja 54,10) Wenn das kein Lichtblick ist!
Pfarrer Reinhard Süpke
Autor: red

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